Entsprechend groß ist am Sonntagvormittag die Spannung bei der kurzfristig einberufenen Video-Pressekonferenz, zu der sich nicht nur Reporter aus dem Großraum Stuttgart zugeschaltet haben. Keine öffentliche Äußerung gab es bis dahin, seit sein offener Brief am 30. Dezember die Lawine ins Rollen gebracht und den ganzen Club in ein Tollhaus verwandelt hat. Was würde Thomas Hitzlsperger also verkünden? Die Rücknahme seiner umstrittenen Präsidentschaftskandidatur? Eine ausführliche mündliche Entschuldigung für die Attacken auf Präsident Claus Vogt? Neue Erkenntnisse in der Datenaffäre, in der sich die mutmaßlichen Drahtzieher hinter dem Vorstandschef verstecken?
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Nein, der Mann, der bis 30. Dezember über jeden Zweifel an seiner Integrität erhaben und das sympathische Gesicht des VfB gewesen war, hat eine andere Botschaft: „Es kann nicht sein, dass innerhalb von ein paar Tagen alles infrage gestellt wird, was ich mein ganzes Leben gemacht habe. Dagegen möchte ich mich entschieden wehren“, sagt Hitzlsperger, der sich in einem parallel zur Pressekonferenz bei Youtube erscheinenden Video auch direkt an die „lieben VfBler“ wendet.
Dem Meisterspieler von 2007 ist nicht nur deutlich anzusehen, wie sehr ihn die derzeitige Situation mitnimmt – mehrmals verweist er in der rund 40-minütigen Fragerunde auch darauf. Die Kritik und die Anfeindungen hätten ihn „brutal angefasst“, was derzeit geschehe, sei „schmerzhaft“ und gehe „extrem an die Nerven“, es treffe ihn sehr, „was ich erfahre, höre oder lesen muss“, schließlich werde er „massiv angegriffen“. Er hätte es „nie für möglich gehalten, dass es irgendwann Plakate gibt, auf denen ich als Spalter bezeichnet werde“, sagt der 38-Jährige und stellt klar: „Ich bin das Gegenteil von einem Spalter.“
In den nächsten Tagen will sich Hitzlsperger zu seiner Präsidentschaftsbewerbung äußern
Es ist ein sichtbar verzweifelter Kampf um die eigene Reputation, den Thomas Hitzlsperger inzwischen auch juristisch führt – in dem die entscheidenden Fragen aber auch weiter offen bleiben. Zu seiner Präsidentschaftsbewerbung, mit der er den Amtsinhaber Claus Vogt aus dem Club zu drängen versucht, will er sich erst „in den nächsten Tagen komplett äußern“. Und unwidersprochen stehen die schweren Vorwürfe aus dem Esecon-Zwischenbericht vom 15. November im Raum, aus dem hervorgeht, dass Vorstand und Teile des Präsidiums mit allen Mitteln versucht haben, die Aufklärung der Datenaffäre zu blockieren.
Man habe den Zwischenbericht zum Anlass genommen, Dinge zu verbessern, damit die Aufklärung „noch besser“ funktioniere, beteuert Hitzlsperger. „Das gültige Arbeitsrecht“ führt er als Begründung dafür an, dass die IT-Zugänge mutmaßlicher Drahtzieher der Datenweitergabe nicht hätten gesperrt werden können: „Da gegen die Mitarbeiter nichts vorlag und bis jetzt nichts vorliegt, konnten und können wir die Konten nicht sperren.“
Aus dem Zwischenbericht jedoch war hervorgegangen, dass es „umfangreiche Anhaltspunkte“ dafür gebe, dass die Vorwürfe der Datenweitergabe „zutreffend sind“, und dass nach bisherigem Untersuchungsstand davon ausgegangen werden müsse, „dass der Verein zu Mitteln gegriffen hat, die im Sinne von Transparenz und Ethik sicherlich durch die Mitglieder beanstandet werden können“.
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Doch wurden die Konten des Kommunikationschefs Oliver Schraft und des Marketingleiters Uwe Fischer, im „Kicker“ Ende September als mutmaßliche Versender der Mitgliederdaten genannt, nicht nur nicht gesperrt – beide sind auch weiterhin für den VfB tätig. Dabei hatte Präsident Vogt unmittelbar nach Bekanntwerden der Affäre mitgeteilt, dass beide „ihre Aufgaben in Abstimmung mit dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Hitzlsperger für den Zeitraum der laufenden Untersuchungen zu ihrem eigenen Schutz ruhen lassen“.
Er kenne nur „Bruchteile dessen, was Esecon ermittelt hat“, sagt Hitzlsperger und verweist auf das nahende Ende der Untersuchung: „Wenn der Abschlussbericht auf dem Tisch liegt, werden wir die Sachlage nüchtern prüfen und auf Basis der Fakten Entscheidungen treffen. Wir werden, wenn notwendig, Konsequenzen ziehen, das ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Fehlverhalten oder womöglich strafbares Verhalten wird sanktioniert, wir werden das nicht tolerieren.“