Der Ortshistoriker Albert Raff zeichnet am 22. Februar in einem Bildvortrag die bewegte Geschichte der Epplestraße in Stuttgart-Degerloch nach. Diese würde heute ganz anders aussehen, wenn in den Siebzigern nicht etwas Entscheidendes geschehen wäre.

Degerloch - Die Epplestraße ist Hauptgeschäftsstraße und Schlagader Degerlochs. Wer im Ort Besorgungen macht, kommt nicht an der hektischen Hauptstraße vorbei, und Ankömmlinge mit Stadt- oder Zahnradbahn werden direkt hier angespült. Dabei hat ihre Bedeutung für die Stadt Stuttgart eher abgenommen.

 

Die Epplestraße war lange Zeit die einzige Durchgangsstraße von Stuttgart aus in Richtung Tübingen und in die Schweiz. Folgerichtig hieß sie früher auch so: bis ins 19. Jahrhundert Schweizer Straße, bis 1957 Tübinger Straße.

In seinem Vortrag „Von der Schweizer Straße zur heutigen Epplestraße“ am Donnerstag, 22. Februar, in der Alten Scheuer zeichnet Heimathistoriker Albert Raff die bewegte Geschichte der Straße vom frühen 20. Jahrhundert bis in unsere Zeit anhand von mehr als 100 Fotos nach. Warum gerade jetzt? „Es gibt immer weniger Menschen, die die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg aus eigener Anschauung kennen“, sagt Raff. Vor allem diesen wolle er mit dem Vortrag eine Freude machen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde alles anders

Nach dem Zweiten Weltkrieg nämlich hat die Epplestraße den größten Einschnitt erlebt und ihr Gesicht für immer verändert, wenn auch nicht ganz verloren. „Vor dem Krieg war Degerloch ein Bauerndorf, ein Weindorf“, sagt Albert Raff. Einen sozialen Mittelpunkt bildete der heute in Vergessenheit geratene Gasthof Löwen mit Tanz- und Billardsaal, der Bauern und Weingärtnern als Stätte für Feste und Hochzeiten diente. Als besonderes Schmankerl zeigt Raff eine Aufnahme aus dem Jahr 1897, auf der die gesamte Mannschaft der Freiwilligen Feuerwehr vor dem Löwen aufgereiht ist, während vor ihr eine Reihe ganz in Weiß gekleideter Frauen sitzt. Der feierliche Anlass: Der Textilfabrikant Benger hatte der Feuerwehr eine neue Fahne gespendet.

Wichtig vor allem für Durchreisende war der Gasthof Ritter, der bereits im 14. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde. Aus Stuttgart kommende Durchreisende stärkten sich im Gasthof und ließen neue Pferde vor ihre Kutschen spannen. So auch der Dichterfürst Goethe, der sich auf Durchreise in die Schweiz und weiter nach Italien befand. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde Stuttgart im Ritter offiziell an die französische Armee übergeben.

Die Ölkrise hat dem Bauboom ein jähes Ende bereitet

Den dörflichen Charakter büßte die seit 1957 nach dem Unternehmer und Gönner Gustav Epple benannte Straße spätestens durch die sogenannte Betonisierung in der Nachkriegszeit ein, als alte Gebäude neuen Zweckbauten weichen mussten. „Auch der Gasthof Ritter war schon zum Abschuss freigegeben“, sagt Raff, doch schließlich hätten die Ämter ein Einsehen gehabt und das Haus erhalten. Hätte die Ölkrise in den Siebzigerjahren dem Bauboom kein jähes Ende bereitet, dann hätte die Epplestraße heute ein ganz anderes Gesicht.

Ein Kommen und Gehen herrscht bis heute im Innern der Gebäude: Die Halbwertszeit der Geschäfte wird kürzer, nur wenige Traditionsläden haben die Zeiten überlebt. Raff beleuchtet in seinem Vortrag auch diesen Aspekt und zeichnet nach, wer die Straße geprägt hat und wie es zum Beinamen „Degerlocher Broadway“ kam.

Der Vortrag:

Der Vortrag ist am Donnerstag, 22. Februar, in der Alten Scheuer. Beginn ist um 19 Uhr. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.