Wer treibt es wann mit wem? Kaum eine Tiergruppe hat diese Aufgabe so vielfältig gelöst wie Primaten – zu denen auch wir Menschen gehören.

Stuttgart - Wer treibt es wann mit wem und mit welchem Erfolg? Das ist die entscheidende Frage bei der Fortpflanzung. Und wohl kaum eine Tiergruppe hat diese zentrale Aufgabe so vielfältig gelöst wie die rund 440 Arten umfassende Gruppe der Primaten. Das ist die zentrale Botschaft, die Peter Kappeler vom Institut für Zoologie und Anthropologie der Universität Göttingen seinem Publikum im Stuttgarter Löwentormuseum vermittelte. „Sex bei Primaten: Anpassungen und Kuriositäten“ hieß der Vortrag des Primaten- und Verhaltensforschers, zu dem das Naturkundemuseum im Rahmen der momentan laufenden Ausstellung „Sex“ eingeladen hatte.

 

Der Bogen beim Sex der Herrentiere, zu denen neben Lemuren und Koboldmakis auch die Menschenaffen samt dem Menschen gehören, ist extrem weit gespannt. So leben die in Madagaskar beheimateten Rotschwänzigen Wieselmakis zwar paarweise in einem Revier, sie haben aber nur einmal im Jahr Sex.

Vaterschaftsillusionen

Das glatte Gegenteil findet man laut Kappeler bei Schimpansen: Im Durchschnitt hat ein Weibchen mehr als 600-mal mit den verschiedenen Männchen ihrer Gruppe Sex, bis es ein Junges zur Welt bringt. „Die Weibchen verkaufen Vaterschaftsillusionen“, beschrieb Kappeler die generelle Strategie hinter solchen Orgien. Weil kein Mann weiß, wer den Nachwuchs gezeugt hat, kann sich die Mutter relativ sicher sein, dass auch keiner das Kind tötet – es könnte ja sein eigenes sein.

Kindstötungen sind bei einer Reihe von Primatenarten gar nicht so selten: So erreicht ein dominanter Affenmann, dass eine Mutter schneller wieder paarungsbereit wird und er somit die eigenen Gene zur Fortpflanzung bringt. Allerdings ist die Vielmännerei „mit Risiken und Nebenwirkungen“ verbunden, wie es Kappeler formulierte: Die Gefahr für die Damen, an Geschlechtskrankheiten zu erkranken, steigt massiv.

Die geeignete Hardware

Andererseits verfolgen bei vielen Primatenarten auch die Männchen die Strategie, sich gleich reihenweise mit empfangsbereiten Weibchen zu paaren. „Dazu müssen sie aber über die geeignete Hardware verfügen“, sagte Kappeler – sprich einen großen Hoden, um die erforderliche Spermamenge zu produzieren. Beim nur wenige Zentimeter kleinen Mausmaki etwa ist ein Hoden daher größer als das Gehirn. Auch die sexgeilen Bonobomännchen sind „recht üppig“ ausgestattet – im Gegensatz zu den Gorilla-Silberrücken, die sich ihres Harems sicher sind und recht kleine Hoden haben.

Den Schluss seines Vortrags widmete Kappeler dem Homo sapiens, dessen Paarungssystem er als „sehr flexibel“ beschrieb. So legen Untersuchungen an heutigen Jäger- und Sammlergesellschaften nahe, dass in dieser Urform menschlichen Zusammenlebens 90 Prozent der Menschen in stabilen Paarbeziehungen lebten.

Mit Beginn der Sesshaftigkeit hat sich dies geändert. Dank der Unterschiede im Reichtum und im gesellschaftlichen Status kam weltweit die Polygamie in Mode. Von 563 untersuchten Menschengesellschaften leben heute nur noch 17 Prozent in einer monogamen Zweierbeziehung. „In Afrika etwa hat man den Eindruck, dass Monogamie illegal ist“, meinte Kappeler. Er fügte aber an, dass in jüngster Zeit das monogame Paarleben offenbar wieder attraktiver werde.