Das Urteil zugunsten von klagenden Aktionären in der Dieselaffäre hat auch VW aufgeschreckt: Wie bereits Porsche beantragt der Autokonzern, den zuständigen Richter abzulösen – bereits zum zweiten Mal.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Konflikt um den Richter am Landgericht Stuttgart, der Aktionären wegen der VW-Dieselaffäre bundesweit erstmals Schadenersatz zugesprochen hatte, verschärft sich weiter. Kurz nach der VW-Mehrheitsaktionärin Porsche Automobil Holding SE hat nun auch Volkswagen selbst erneut beantragt, den Richter Fabian Richter Reuschle als befangen abzulösen. Sein zweites Ablehnungsgesuch begründet das Unternehmen mit der Befürchtung, dass er weitere Urteile auch zulasten von VW fällen könnte. Es bestehe „Wiederholungsgefahr“, nachdem er die Porsche SE zur Zahlung von knapp 47 Millionen Euro verurteilt hatte.

 

Bereits zu Jahresbeginn hatte VW Richter Reuschle als befangen abgelehnt und dies mit gravierenden Verfahrensverstößen begründet. Das Landgericht hatte diesen Antrag abgelehnt; das Vorgehen des Richters beruhe auf „vertretbaren Rechtsauffassungen“. Dagegen hat das Unternehmen Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eingelegt, über die noch nicht entschieden ist. Klägeranwälte wie Andreas Tilp hatten den Befangenheitsantrag als Versuch gewertet, einen für VW unbequemen Richter kaltzustellen.

VW nennt Richter „unbelehrbar und rechthaberisch“

Für die zweite Ablehnung macht Volkswagen „ein ganzes Bündel“ neuer Gründe geltend. Ebenso wie Porsche argumentiert der Autokonzern, Richter Reuschle hätte gar nicht über die Klagen entscheiden dürfen – weder als Einzelrichter ohne Einbindung der Kammer noch angesichts seines eigenen Anstoßes für ein Musterverfahren vor dem OLG Stuttgart. Um dennoch ein Urteil sprechen zu können, habe er das Recht und die Verfahrenssituation „zurechtgebogen“. Dabei habe er sich „einer Vielzahl abenteuerlicher Annahmen“ und „eklatant rechtswidriger Behauptungen“ bedient. „Unbelehrbar und rechthaberisch“, wie er agiere, sei ein vergleichbares Vorgehen gegen VW zu erwarten.

Als „empörend und skandalös“ werten die VW-Anwälte die Kritik des Richters am OLG, das seinem Antrag für ein Musterverfahren skeptisch gegenüber steht. Seine sprachlichen Entgleisungen und „Verbalinjurien“ zeugten von fehlendem Respekt vor der übergeordneten Instanz. Bei der höchst ungewöhnlichen Kollegenschelte vergreife er sich im Ton. Kritik üben die Anwälte auch daran, dass Reuschle den Kursschaden selbst ermittelt habe, anstatt dies einem Sachverständigen zu überlassen. Mit dem Hinweis auf eine Prüfung als Börsenhändler suggeriere er eine Qualifikation, die er nicht besitze. Wie Porsche wirft VW dem Richter vor, in der Verhandlung gelogen zu haben; dabei geht es um die Veröffentlichung des Urteils durch die Pressestelle des Gerichts. Wer so handele, „erschüttert das Vertrauen in die baden-württembergische Justiz . . . bis ins Mark“. Der Richter habe sich „verrannt“, folgern die Anwälte, sein Fall „dürfte einmalig sein“.

„Vertrauen in die Justiz bis ins Mark erschüttert“

Ganz anders beurteilt der Klägeranwalt Andreas Lang von der Frankfurter Kanzlei Nieding Barth die Rolle Richter Reuschles. Dass dieser mit seinen Urteilen richtig liege, zeige auch der bisherige Verlauf des Musterverfahrens beim OLG Braunschweig. Der Position des OLG Stuttgart erteile dieses eine „mehr als deutliche Abfuhr“. Zum Ablehnungsgesuch der Porsche SE sagte Lang: „Wenn man keine sachlichen Argumente mehr hat, muss eben der Richter entfernt werden.“ Die Vorwürfe gegen ihn seien „haltlos und konstruiert“, die unsachliche Wortwahl erfülle nach seiner Meinung teilweise den Tatbestand der üblen Nachrede.