In Mexiko werden am „Tag der Toten“ die Verstorbenen gefeiert – mit Musik und Tanz, Essen und Trinken und fröhlich umher tobenden Kindern. Eine Mexikanerin holt das Fest in die Wagenhallen Stuttgart.

„Der Tod ist groß, wir sind die Seinen, lachenden Munds…“: War Rainer Maria Rilke, der Dichter dieser Verszeilen, in Mexiko? Denn dort darf man lachen, wenn der Tag der Toten begangen wird. Keine Leichenbittermiene, kein in Trauer versunkenes Gedenken an den Gräbern wie hierzulande an Allerheiligen, sondern ausgelassenes Feiern zu Ehren der Toten auf den Friedhöfen mit Musik und Tanz, Essen und Trinken und fröhlich umher tobenden Kindern.

 

„Wir feiern unsere Toten und vereinen uns am Dia de los Muertos mit ihren Seelen“, erklärt Karla Gallardo. So lange schon hat die gebürtige Mexikanerin nicht mehr dieses Fest mit ihrer Familie feiern können und es daher bereits vor elf Jahren nach Stuttgart geholt. Gegen das Heimweh. So kommt es, dass sich in den Wagenhallen am Tag vor Allerheiligen wieder die Grenzen zum Reich der Toten geöffnet haben. Mit einer Bühnenshow mit Burlesque Tanz von Violetta Poison, den Artisten Treviso, Live-Musik mit den Marichipunkern der Los Skeleteros, dem DJ Juan Francisco, und vielen Totenköpfen und Skeletten, vor denen sich keiner gruselt.

Kajal und Glitzersteinchen für Kinder

Zoe, der wild als Gruftie geschminkten fünfjährigen Tochter der beiden Organisatoren Karla Gallardo und Thorsten Schwämmle, ist es zu verdanken, dass erstmals die Kinder im Reich der Toten die Herrschaft übernommen haben. Zumindest am Nachmittag. In bizarren Kostümen, die Mädchen am liebsten als Hexen und Zauberinnen, mit großen Hüten oder Blumenkränzen im Haar, harren sie geduldig, bis sie von Nicola Riehle und drei anderen Make-up-kundigen Künstlerinnen mit Schminke, viel schwarzem Kajal und Glitzersteinchen verwandelt werden. Mit geschlossenen Augen erwartet die fünfjährige Ana das Ergebnis, das sie dann begeistert. Sie ist mir ihrer Mutter Maria Casal eigens aus Karlsruhe zu diesem Ereignis gekommen: „Nachdem sie den Disney Film „Coco, lebendiger als das Leben“ über diese mexikanischen Feste gesehen hat, wollte sie das unbedingt selbst erleben“, erzählt die Mutter.

„So einen Altar haben wir zuhause auch aufgebaut und wir stellen unseren Toten ihre Lieblingsspeisen hin“, verrät Giovanna Salamanca Pinzon, die mit ihrem Mann und Tochter Carmen aus Tübingen gekommen ist.

Altar mit Früchten, Bildern und Co.

„Ofrenda, der traditionelle Altar, ist auch hier der Mittelpunkt“, erklärt dazu Karla Gallardo. Geschmückt mit Blumen in Gelb und Orange, „denn die Seelen können nur diese Farben erkennen und ihr Duft führt sie hierher“. Auch Wasser steht da, damit sich die Seelen reinigen können, sowie Früchte, Geschenke und Fotos. Von dem berühmten Malerpaar Diego de Rivera und Frida Kahlo gibt es ebenso ein Bild wie von Karlas Großeltern Julieta und Gregorio, und von Thorsten Schwämmles Vater, „der in diesem Jahr gestorben ist“. Drüber thront die Madonna Maria Guadeloupe, die Patronin Mexikos, flaniert von zwei Latinas, schön gekleideten Skelett-Damen. Ein schöner Beweis dafür, dass der alte Brauch der mexikanischen Ureinwohner eine Symbiose mit christlichen Symbolen eingegangen ist.

„Der Tag der Toten ist für uns genau wichtig wie Weihnachten“, versichert die Mexikanerin Giovanna Salamanca. Und mindestens genauso fröhlich. Ob die Toten im benachbarten Pragfriedhof da nicht neidisch geworden sind?