Joachim Wolf hat sich für eine zweite Amtszeit als Bürgermeister von Korntal-Münchingen beworben. Denn der 55-Jährige will viele Projekte auch zu Ende bringen, erklärt er im Interview.

Am 26. April haben die Korntal-Münchinger die Wahl. Joachim Wolf tritt wieder an und blickt auf seine ersten acht Jahre als Schultes zurück, in denen sich einiges verändert habe. Auch in Zukunft müsse sich noch einiges tun.
Allzu viel ist von der Wahl noch nicht zu spüren in der Stadt. Gibt es keinen Wahlkampf, obwohl es mit Ulrich Raisch einen Gegenkandidaten gibt?
Zumindest empfinde ich das nicht als klassischen Wahlkampf. Vielmehr war es mir wichtig – weit bevor klar war, ob es einen Gegenkandidaten gibt –, dass ich die Gelegenheit nutze, um nochmals verstärkt mit den Bürgern ins Gespräch zu kommen. Ergänzend habe ich wieder einen Prospekt erstellt. Andererseits habe ich mich jedoch entschieden, keine Plakate aufzustellen, weil ich davon ausgehe, hinreichend bekannt zu sein. Aber auf die Inhalte kommt es an, und die wollte ich nochmals schriftlich dokumentieren.
Der Ditzinger OB tritt ohne Gegner zur Wahl an und beklagte, dass es keinen Wetzstein gebe, an dem er sein Profil schärfen könne. Ist das bei Ihnen leichter?
Das wird die Frage sein, inwieweit es da zu einem inhaltlichen Vergleich kommt. Ich werde meine Vorstellungen umfassend und klar darstellen, und das mache ich doch relativ unabhängig von Herrn Raisch.
Verraten Sie das Wahlergebnis, das Sie zum Ziel haben?
Ein konkretes Ziel möchte ich jetzt nicht formulieren. Aber es ist für mich schon wichtig, dass ich von den Bürgern ein eindeutiges Signal bekomme, als Zeichen des Einverständnisses mit meiner bisherigen Arbeit und des Vertrauens für die Zukunft.
Eines Ihrer Wahlziele damals war, beide großen Stadtteile mehr zusammenbringen zu wollen. Sehen Sie das als erreicht an?
Ich habe damals gesagt, man muss einfach die Menschen im Herzen näher zusammenbringen. Daran habe ich kontinuierlich gearbeitet, zunehmend mit dem Ziel, Bewusstsein für den Wert der Vielfalt und der Vielseitigkeit der Stadtteile zu schärfen. Ein „Einheitsbrei“ im Sinne einer undifferenzierten Vereinheitlichung ist nie das Ziel gewesen. Ich finde vielmehr – und das hat sich bestätigt –, dass ein großer Wert unserer Stadt gerade in dieser Vielfalt steckt. Das habe ich versucht, mehr ins Bewusstsein zu rücken, und ich denke, das ist auch gelungen.
Stadtentwicklung war eines Ihrer fünf Themen. Doch da zeigen sich noch deutliche Unterschiede: in Korntal tut sich einiges, die Münchinger fühlen sich oft benachteiligt . . .
Das muss man sicher differenziert betrachten. In beiden Stadtteilen ist es das Ziel gewesen, den Ortskern weiterzuentwickeln, insbesondere auch durch die Ansiedlung eines Vollsortimenters und eine attraktivere Gestaltung der Innenstadt. Korntal hat hierbei den Vorteil, dass wir weitestgehend im Besitz der notwendigen Grundstücke waren. In Münchingen ist das nicht der Fall. Aber man darf nicht vergessen, dass wir auch dort einiges erreicht haben. Ich erinnere nur an die Straßenraumsanierung. Wir haben von elf Bauabschnitten sieben mittlerweile realisiert – kein schlechtes Ergebnis, auch wenn hier verständlicherweise weitere Ungeduld herrscht. Und wir haben den Bereich um den Bahnhof komplett saniert. Zudem sind wir intensiv dabei, das Buddenberg-Areal neu zu gestalten. Hier werden wir – die Zustimmung des Gemeinderats vorausgesetzt – auch bald zu einem Abschluss kommen, weil das Thema Mensaneubau dann endgültig entschieden sein wird.
Und in Kallenberg?
Dort sind historisch Wohnbebauung und Gewerbe eng nebeneinander. Und das funktioniert erstaunlich gut, trotz der unvermeidbaren Reibungspunkte. Aber auch in Kallenberg gibt es in beiden Bereichen noch Entwicklungspotenzial. Es ist richtig und wichtig, dass viele Impulse von den Gewerbetreibenden selbst ausgehen und dadurch die Sanierung und Neuordnung stetig vorankommen. Im Wohnbereich tut sich in letzter Zeit auch einiges. Hier gibt es bereits einen älteren Rahmenplan, den wir aber in meiner zweiten Amtsperiode überarbeiten wollen. Dabei soll auch eine behutsame Nachverdichtung Berücksichtigung finden.
Als weiteres Ziel hatten Sie die Wirtschaftsförderung genannt. Wo sehen Sie da Erfolge, wo müsste man dringend weiterarbeiten, etwa beim Stichwort Leerstände?
Das hängt maßgeblich davon ab, ob wir es schaffen, attraktive Ankermieter dauerhaft in den Zentren zu etablieren. Ich glaube, dass wir in Korntal durch die neue Mitte einen entscheidenden Schritt getan haben. In Münchingen sind wir noch einen Schritt zurück, aber ich denke, dass wir mittlerweile auch da gut vorankommen. Das andere Teilgebiet ist die Aufgabe einer guten Ansiedlungspolitik für Unternehmen. Hier haben wir in den letzten acht Jahren die verbliebenen freien Gewerbegrundstücke gut vermarktet. Sie sind jetzt fast vollständig an attraktive neue Gewerbebetriebe vergeben. Nun stellt sich die Frage, ob – und wenn ja, wo – wir neue Flächen schaffen, weil wir mit den jetzigen am Ende sind.
Viel getan hat sich in zwei weiteren genannten Bereichen, der Familienförderung sowie der Bildung und Kinderbetreuung . . .
Wir haben acht Einrichtungen neu gebaut oder erweitert, um dem gesetzlichen Anspruch auf einen Krippenplatz gerecht zu werden. Der zweite Punkt war der Ausbau der Ganztagsbetreuung bei den weiterführenden Schulen – auch das haben wir erreicht. Und die dritte Herausforderung war der deutliche Ausbau der Hort- und Kernzeitbetreuung im Bereich der Grundschulen. Da sind wir aber derzeit in der Diskussion um das Ende der Belastbarkeit des Haushalts angelangt, mit mittlerweile knapp 700 000 Euro Nettokosten. Als ich angefangen habe, hatten wir etwa 170 Plätze, heute sind wir bei 290 angelangt. Das wird eine große Herausforderung für die kommende Amtsperiode, wo gleich zu Beginn eine politische Entscheidung zu treffen sein wird: Wollen wir beim bisherigen System bleiben oder in eine Kombination aus Ganztagsgrundschule und ergänzender Betreuung einsteigen?
Und schon wieder beginnt die Kostendebatte. Macht die Arbeit da angesichts des finanziellen Korsetts noch Spaß?
Wir haben im Bereich des Verwaltungshaushalts nur sehr wenig Gestaltungsspielraum, das stimmt. Aber die Herausforderung ist es, damit dennoch neue Impulse zu setzen und diese auch auf Dauer sinnvoll zu nutzen. Das macht durchaus Spaß, und es ergeben sich immer wieder zunächst unvermutete Möglichkeiten. Die Diskussion um die Ganztagsgrundschule beispielsweise war bisher sehr intensiv und beanspruchend, aber auch sehr gewinnbringend.
Zudem hatten Sie die Entwicklung der Verwaltung genannt – wie ist da die Bilanz?
Wir haben eine Organisationsuntersuchung durchgeführt mit dem Ziel, dass wir unsere Abläufe so effizient wie möglich gestalten. Das hat doch zu einigen Änderungen geführt. Ich denke, dass wir dadurch an der einen oder anderen Stelle mehr Transparenz, Ruhe und Klarheit bei den Mitarbeitern erreicht haben. Und dass trotz der hohen Belastung bei uns die Arbeitsatmosphäre davon spürbar profitiert.
Die Belastung war jüngst immer wieder ein Kritikpunkt. Worauf können sich die Mitarbeiter bei einer Wiederwahl einstellen?
Wir werden die Schlagzahl auf jeden Fall nicht verringern, das können wir uns auch nicht leisten. Es steht viel zu viel auf der Tagesordnung. Die Diskussion habe ich ja auch immer wieder mit dem Gemeinderat geführt. Aber auf meine Gegenfrage, was wir weglassen sollen, gab es keine klaren, mehrheitsfähigen Hinweise, weil dann stets deutlich wurde, dass alle Dinge, die ich angepackt habe, entweder schon eine gewisse Historie haben und endlich einer Erledigung harren oder dass sie aus aktuell zwingenden Anlässen resultieren.
Zusammengefasst heißt das, Sie brauchen eigentlich 16 Jahre, um alles zu erledigen?
Jetzt arbeiten wir erst mal acht Jahre, dann bin ich knapp 64. Gesetzlich gesehen, dürfte ich nochmals antreten. Aber warten wir erst mal ab, was bis dahin abgearbeitet ist.
Okay, dann bleiben wir bei acht Jahren. Was wollen Sie bis dahin erreicht haben?
Ich will auf jeden Fall die Ortszentren in beiden Städten so weit auf den Weg gebracht haben, dass sie eine gute Basis für den Einzelhandel und die Aufenthaltsqualität sind. Das werden wir in Korntal in absehbarer Zeit erreichen. Ich will aber auf jeden Fall auch in Münchingen so weit sein, dass nur noch kleine Restarbeiten zu machen sind. Zweiter Punkt: ich will die Frage der Wohnbauentwicklung klären. Das betrifft zunächst Korntal-West. Diese Herausforderung wird aber auch in Münchingen zu diskutieren sein, weil wir auch dort weitere Flächen erschließen müssen. Und wir werden sehen müssen, wo wir in Kallenberg ergänzende Potenziale realisieren müssen. Wir dürfen und werden dabei aber auch nicht die maßvolle Nachverdichtung vernachlässigen. Dritter Schwerpunkt wird das Thema Gewerbeansiedlung sein, die Diskussion um den Regionalen Gewerbeschwerpunkt gilt es bald abzuschließen. Hier müssen wir unter anderem in die Konkretisierung einsteigen, was die Bedingungen angeht, die wir gegenüber dem Verband Region Stuttgart formulieren.
Jüngst war aber zu hören, dass Müllerheim nicht mehr wie früher der Favorit ist, etwa wegen der Probleme um die Anbindung . . .
Ich stehe in regelmäßigem Kontakt mit dem VRS und nehme wahr, dass das Interesse nach wie vor groß ist. Die B 10 steht zur Sanierung und Erweiterung an, da müssen Bund und Land ohnehin aktiv werden. Dieses Projekt steht mittlerweile auch im Bundesverkehrsplan an entsprechender Position. Deswegen glaube ich nicht, dass dies eine maßgebliche Hürde sein kann. Die entscheidendere Frage wird vielmehr sein, welche Beschränkungen wir aus kommunalpolitischer Sicht in Bezug auf die Ansiedelung aufrechterhalten. Hier haben wir bislang ein Industriegebiet völlig ausgeschlossen. Aber es wurde uns schon signalisiert, dass dieser totale Ausschluss ein kritisches Kriterium für den Verband darstellt, weil dieser ja gerade eine teilweise großflächige Ansiedelung und einen 24-Stunden-Betrieb möchte. Für die geforderte deutliche Emissionsbeschränkung hat der VRS hingegen volles Verständnis.
Viele Veränderungen sind auch beim Thema Schule geplant . . .
Ja, die Klassenstufen 9 und 10 der Realschule sollen nach Münchingen verlegt werden, um den dort frei gewordenen Raum der Flattichschule zu nutzen und den ganz erheblichen Raumbedarf in Korntal zu entlasten. Wir wollen die Verlagerung möglichst schon zum Schuljahr 2016/2017 umsetzen. Ob das aber gelingt, ist bislang offen. Da stehen uns noch einige unvermeidbare Investitionen in das Schulgebäude bevor, und es gibt weiterhin einen gewissen Abstimmungsbedarf mit der Flattichschule. Durch den Wegfall der Werkrealschule entsteht im Übrigen eine Lücke im Angebot der Bildungsabschlüsse. Die wollen wir aber schließen, indem wir die Realschule an beiden Standorten etablieren und diese einen Hauptschulzug anbietet. Dies ist künftig nach neuer Gesetzeslage möglich, was uns sehr guttut.
Worauf hätten Sie in den vergangenen acht Jahren verzichten können?
Auf die aufreibende Diskussion um die Umbenennung der Carl-Peters-Straße. Die Veranstaltung dazu war atmosphärisch extrem aufgebracht, emotional – das war für mich ein einschneidendes Erlebnis. Aber auch da muss man natürlich durch, wenn man die Bürger möglichst auch bei solch kritischen Entscheidungen mitnehmen will.
Was machen Sie am Wahlabend?
Ich werde im Korntaler Rathaus sein und sicher meinen engeren Unterstützerkreis dabeihaben. Und dann hoffentlich auf ein gutes Ergebnis anstoßen.