Bei den vorzeitigen Parlamentswahlen in Kroatien am Sonntag ist für keine der beiden diskreditierten Volksparteien eine klare Mehrheit in Sicht. Mühsame Koalitionsverhandlungen scheinen ausgemacht – und ein erneuter Urnengang nicht ausgeschlossen.

Korrespondenten: Thomas Roser (tro)

Babina Greda - Auf dem Grill brutzelt braun gebrannter Schweinehals. Ländler-Weisen plärren in der ostkroatischen Landgemeinde Babina Greda aus den Lautsprechern, als unter dem Beifall von rund 200 Partei-Aktivisten endlich der Hoffnungsträger der sozialdemokratischen SDP über die festlich geschmückte Uferwiese schreitet. „Wir wollen, dass Babina Greda ein Dorf wie in Kärnten wird!“, verkündet Ex-Premier Zoran Milanovic den Zuhörern. „Wir kämpfen dafür, dass man auf dem kroatischen Land wie im Westen lebt!“

 

Wahlkampf in Kroatien, Stimmenhatz beim jüngsten Problemkind der EU. An frohen Verheißungen gibt es keinen Mangel, doch die triste Realität sieht anders aus. Seit dem EU-Beitritt 2013 habe sich nur die Emigration beschleunigt, klagt ein bärtiger Wahlkampfhelfer im roten T-Shirt. „Früher gingen nur die Männer als Gastarbeiter ins Ausland. Nun ziehen ganze Familien weg. Es gibt hier keine Jobs und keine Perspektive. Es ist einfach traurig“, sagt er.

Nicht einmal ein Jahr liegt die letzte Wahl zurück, die der konservativen HDZ unter der Führung des Ex-Geheimdienstchefs Tomislav Karamarko die Rückkehr auf die Regierungsbank bescherte. Doch im Dauerzank zerlegte sich die Koalition der HDZ mit der Protestpartei Most unter dem parteilosen Premier Tihomir Oreskovic in Windeseile selbst. Der Rücktritt von Karamarko als Vizepremier kam für die Rettung der Chaos-Koalition zu spät. Als neuer HDZ-Chef will der bisherige Europa-Abgeordnete Andrej Plenkovic seine Partei wieder in die Mitte – und in ruhigeres Fahrwasser lotsen.

Schmähungen gegen die Nachbarn

Die „falschen Patrioten“ der HDZ seien „nicht vorbereitet fürs Regieren“, ätzt in Babina Greda der 50-jährige Oppositionschef, der von 2011 bis 2015 selbst eher erfolglos die Regierungsgeschäfte führte. „Wir sind erfahren – und für die Regierung bereit.“ In den letzten Monaten hätten die Kroaten begriffen, wer ein „echter Patriot“ sei und kompromisslos für die Heimat kämpfe – „ohne Arschkriecherei und Anbiederung gegenüber Belgrad und Budapest“.

Als eine „Handvoll Elend“ hatte Milanovic in einem Gespräch mit Kriegsveteranen den einstigen Kriegsgegner Serbien, als „Bullshit“ den Nachbarn Bosnien geschmäht. Es ist der Konfrontationskurs des Oppositionschefs gegenüber den Nachbarn, der im Stimmenstreit selbst SDP-Anhänger irritiert. Immer mehr Kroaten empfinden die Wahl zwischen den beiden Volksparteien als Entscheidung zwischen Regen und Traufe. Die neuen Protestparteien bieten vielen auch kaum einen Ausweg aus der Misere. Es war auch der dilettantische Schlingerkurs der selbst erklärten Reformpartei „Most“, der die letzte Regierung so früh zu Fall brachte.

Egal, ob bei dem Urnengang wie erwartet die SDP oder doch die HDZ vorne liegen sollte, klare Mehrheiten sind nicht in Sicht, ein mühsamer Koalitionspoker hingegen ausgemacht. Die Most sei für die SDP „zu klerikal“, Milanovic zudem sei ein sturer und wenig kooperativer „Apparatschik“, meint selbst ein SDP-Aktivist. An eine Koalition mit der Most mag er kaum glauben. „Da wird nichts rauskommen. In sechs Monaten wird wieder gewählt.“ Für eine große Koalition seien die beiden Erzfeinde „noch nicht genug ausgelaugt“. Fraglich sei auch, „ob das gut wäre: Schon jetzt sind die Leute von der Politik völlig enttäuscht“.

Die einen graben Löcher, die anderen schütten sie zu

Die Stimmung im Land sei einfach schlecht, klagt am Imbissstand eine desillusionierte Rentnerin. Tatsächlich scheint Stagnation in dem geteilten Land Trumpf, in dem sich die selbst erklärten Polit-Diadochen der kommunistischen Partisanen und faschistischen Partisanen noch immer über die Erblast des Zweiten Weltkriegs bekriegen. Kroatien sei „Westeuropa, kein Balkan“, versichert Milanovic.

Die Baugrube hinter dem Rathaus von Babina Greba spricht eine andere Sprache. Vor zwei Jahren wurde unter der damaligen SDP-Regierung das Fundament für eine neue Sporthalle der Dorfschule gelegt. Doch die Baufirma ging Bankrott, die Arbeiten kamen zum Erliegen, bereit gestellte Mittel versickerten in andere Kanäle. Wegen Absackungen und Rissen im Schulgemäuer müssen die Kinder jetzt die Schule im Nachbardorf besuchen, und die scheidende Regierung hat die Aufschüttung der unvollendeten Baustelle angeordnet. Die einen graben Löcher, die anderen schütten sie wieder zu – und voran geht nichts. „Was soll man sagen, typisch Balkan“, sagt im Rathaus die Putzfrau – und zuckt ratlos mit den Schultern.