Wahl in Simbabwe Das Krokodil fletscht seine Zähne

Emmerson Mnangagwa, genannt „Krokodil“, klammert sich mit allen Mitteln an die Macht – und sei es mit brutaler Gewalt. Foto: dpa/Tsvangirayi Mukwazhi

Wenn an diesem Mittwoch in Simbabwe gewählt wird, gibt es kaum Hoffnung auf eine Entmachtung des Gewaltherrschers Mnangagwa.

Das Überraschende an den Wahlen in Simbabwe an diesem Mittwoch ist die von der Opposition geäußerte Gewissheit, sie gewinnen zu können. Die Stimmung auf den Kundgebungen der größten Oppositionspartei, der Citizens Coalition for Change (CCC), ist ausgelassen: „Diesmal werden wir es schaffen“, ist sich das Meer der CCC-Anhänger in gelben T-Shirts offenbar sicher. Doch woher kommt die Zuversicht? Schließlich ist es das fünfte Mal in den vergangenen zwei Jahrzehnten, dass eine ernst zu nehmende Oppositionspartei gegen die seit 43 Jahren regierende Partei Zanu/PF antritt – und unterliegt.

 

Nicht unbedingt, weil sie weniger Stimmen erhalten hätte. Eher, weil ein anderes Ergebnis gar nicht infrage kommt. In Simbabwe an Wahlen teilzunehmen sei „ein Akt törichter Tapferkeit“, sagt Douglas Mwonzora, Chef der oppositionellen Bewegung für Demokratischen Wandel (MDC), der an dem Urnengang erst gar nicht teilnimmt.

Oppositionschef Nelson Chamisa wurde vor 16 Jahren brutal verprügelt

Simbabwe, einst Kornkammer im südlichen Afrika, erregte vor zwei Jahrzehnten weltweit Aufsehen, als sein Gründungspräsident Robert Mugabe 90 Prozent der rund 4000 weißen Farmer von ihren Gütern vertreiben ließ, weil er keinen anderen Plan fand, der ungerechten Landverteilung in der britischen Ex-Kolonie beizukommen. Die Filetstücke der Farmen verteilte Mugabe unter seinen Getreuen: Die Mehrheit der Bevölkerung versank in Armut. Ihren Protest ließ der seit der Unabhängigkeit 1980 regierende Dauerpräsident vom Militär und der Polizei blutig niederschlagen – sein Nachfolger Emmerson Mnangagwa tut es ihm gleich.

Oppositionschef Nelson Chamisa steigt schon zum zweiten Mal gegen Mnangagwa in den Ring: Die Wahlen vor fünf Jahren hat er angeblich knapp verloren. Trotzdem ist der CCC-Gründer vom Glauben beseelt, dass „keiner außer Gott für immer regiert“. Wenn der Rechtsanwalt und charismatische Prediger auf einer Kundgebung spricht, ist nie ganz sicher, ob er Wahlkampf führt oder eine Messe liest. Chamisa suche der Regierungspartei „mit Bibelversen und deplatziertem Optimismus beizukommen“, meint der simbabwische Politologe Alexander Rusero: weil er von ihnen „eingeschüchtert“ worden sei. Tatsächlich wurde der heute 45-Jährige schon während des Wahlkampfs vor 16 Jahren von den Schlägertrupps der Regierungspartei dermaßen verprügelt, dass er einen Schädelbruch davontrug. Im vergangenen Jahr entkam er nur knapp einem Mordanschlag, und bei öffentlichen Auftritten pflegt der Oppositionschef nichts zu sich zu nehmen – aus Angst, vergiftet zu werden. Chamisa weiß jedoch, dass er höchstens dann eine theoretische Chance zum Wahlsieg hat, wenn er so viele resignierte Simbabwerinnen und Simbabwer wie möglich zum Gang in die Wahllokale bewegt – und das kann nur gelingen, wenn er Optimismus ausstrahlt.

Wähler werden eingeschüchtert

Wer die Lage realistisch betrachtet, ist überzeugt davon, dass es auch dieses Mal nicht klappen wird. Im Verlauf ihrer 43-jährigen Regierungszeit hat sich Zanu/PF ein formidables Arsenal an Waffen zur Manipulation von Wahlen angehäuft, das – bildlich gesprochen – von leichten Sturmgewehren bis zu schwerer Artillerie reicht. Zu Ersteren zählen Eingriffe in das Wählerregister, neue Demarkationen der Wahlbezirke, der Ausschluss der Opposition von der Berichterstattung staatlicher Medien, die Verhinderung von Kundgebungen der Opposition, der Einsatz von Steuergeldern für den eigenen Stimmenfang, der Ausschluss der außerhalb des Landes lebenden Simbabwern von der Stimmabgabe sowie die unverfrorene Manipulation der abgegebenen Stimmen durch die von der Regierungspartei beherrschte Wahlkommission.

Zu den schweren Geschützen zählt die Einschüchterung der Wähler – etwa nach dem Motto: „Wenn es in eurem Dorf keine Zanu/PF-Mehrheit gibt, wird die Nahrungsmittelhilfe gestrichen“ –, die Verhaftung von Oppositionsmitgliedern aus fadenscheinigen Gründen, zum Beispiel, weil sie den Verkehr behindern, und schließlich nackte Gewalt.

„Es ist ein altes und müdes Regime korrupter alter Männer“

Im Juni wurde ein CCC-Sympathisant von Zanu/PF-Anhängern gesteinigt. Im bisher blutigsten Wahlkampf vor 16 Jahren kamen weit über hundert Oppositionelle ums Leben, andere wurden verschleppt und gefoltert. Sollte sich trotz aller Anstrengungen bei der Auszählung der Stimmen noch immer keine Mehrheit für die Dauerherrscher abzeichnen, kommt als letzter Schritt noch die Annullierung des Urnengangs durch das Militär infrage. Die Generäle entmachteten schon vor sechs Jahren den senil gewordenen Robert Mugabe mit einem Putsch, den keiner bei seinem Namen nannte.

„Die simbabwische Regierungspartei hat keinen einzigen demokratischen Knochen mehr im Leib“, meint der südafrikanische Oppositionspolitiker Songezo Zibi: „Es ist ein altes und müdes Regime korrupter alter Männer und ihrer Kumpanen.“

Nach der Entmachtung seines einstigen Mentors versprach der inzwischen 80-jährige Mnangagwa, das von Korruption, Misswirtschaft und Gewaltexzessen ruinierte Land wieder auf Vordermann zu bringen. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass die Versprechungen des verschlagenen „Krokodils“, wie der Ex-Geheimdienstchef sogar von seinen Anhängern genannt wird, nicht ganz ernst zu nehmen waren: Sie sollten vor allem das westliche Ausland zur Wiederaufnahme seiner finanziellen Unterstützung bewegen. Als das nicht geschah, kehrte das Krokodil zu den alten Gepflogenheiten und den korrupten Seilschaften zwischen den Zanu/PF-Funktionären und führenden Militärs zurück. Kürzlich berichtete der Fernsehsender Al-Jazeera über die Verwicklungen des Staatspräsidenten in den illegalen internationalen Goldhandel.

Simbabwe ist mit Bodenschätzen wie Gold, Diamanten und Platin gesegnet: In jüngster Zeit wurden auch große Reserven an Lithium, dem weißen Gold der Energiewende, entdeckt. Die Schätze, an denen sich die Elite des Landes bereichert, werden noch lange nicht erschöpft sein.

Nation ohne Zukunft

Dagegen taumelt die Bevölkerung von einer Krise zur anderen. Die Inflation, die zu Mugabes Zeiten bei 230 Millionen Prozent angelangt war – woraufhin der simbabwische Dollar abgeschafft und der US-Dollar als offizielle Währung eingeführt wurde –, schnellte, nachdem die Regierung den Simbabwe-Dollar wieder eingeführt hatte, auf über 170 Prozent. Der Staat steht mit 18 Milliarden US-Dollar in der Kreide und bekommt wegen seiner politischen Verfassung keine neuen Kredite. Die Arbeitslosigkeit liegt bei 75 Prozent, mehr als ein Viertel der Bevölkerung hat das Land auf der Suche nach Arbeit und einem besseren Leben verlassen, darunter 4000 Krankenschwestern allein in den vergangenen zwei Jahren.

Simbabwe ist zu einem typischen afrikanischen hoffnungslosen Fall geworden – mit einer verelendeten Landbevölkerung und einer Elite, die sich an der Ausbeutung von Rohstoffen durch ausländische Firmen bereichert. Der urbane Mittelstand ist praktisch zerstört – eine Nation ohne Zukunft.

Piers Pigou vom Institut für Sicherheitsstudien im südafrikanischen Pretoria spricht von einem „Tod mit hundert Schnitten“, wenn von Simbabwe die Rede ist. Und dass die Europäische Union nun für ein paar Tage eine kleine Mission zur Beobachtung der Wahlen ins Land geschickt hat, ist für ihn „wie einem Schwein Lippenstift zu verpassen“. In manchen Fällen beschreiben nur drastische Worte die Wirklichkeit: Das Land, das morgen wie heute von einem Krokodil regiert wird, gehört gewiss dazu.

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