Das Bundestagswahlergebnis in Stuttgart spiegelt ungefähr das Ergebnis im Bund wider. Für die SPD ist das ein Desaster, und auch die CDU ist deutlich gerupft worden, meint Lokalchef Holger Gayer.

Chefredaktion : Holger Gayer (hog)

Stuttgart - Man sollte zwar vorsichtig sein mit dem Gebrauch von Superlativen, doch zumindest in zwei Kategorien wird die Bundestagswahl 2017 mit Rekordwerten in die Geschichte des politischen Stuttgart eingehen. Der erste Höhe- ist freilich ein Tiefpunkt: Noch nie war die SPD bei einer Bundestagswahl in der Landeshauptstadt so schwach wie in diesem Jahr. Nur 15,7 Prozent – das sind 4,1 Prozentpunkte weniger als beim bisherigen Tiefststand von 19,8 Prozent im Jahr 2009. Damit sind die Sozialdemokraten nur noch die dritte Kraft in der Stadt – überholt von den Grünen, fast eingeholt von der FDP, die 15,2 Prozent der Stuttgarter Wähler hinter sich vereint hat. Desaströser hätte man sich das Ergebnis für die einst so stolzen Sozialdemokraten nicht ausdenken können.

 

Der zweite Rekord klingt zunächst deutlich erfreulicher: Erstmals ziehen von der baden-württembergischen Landeshauptstadt aus Repräsentanten aus sechs Parteien in den Bundestag ein; von den Linken über die gebeutelte SPD, die Grünen, die FDP und die CDU bis zur AfD haben es alle im Parlament vertretenen Parteien geschafft, auch mindestens einen Hiesigen nach Berlin zu entsenden. Überhaupt ist die Gruppe der Stuttgarter Parlamentarier so groß wie selten, vielleicht sogar wie nie: Erst einmal, von 1965 bis 1969, saßen sieben Abgeordnete aus Stuttgart im Bundestag. Damals aber war die Stadt in drei Wahlbezirke aufgeteilt, weswegen die Ergebnisse nur schwer zu vergleichen sind.

Stuttgart hat künftig mindestens sieben Abgeordnete

Ob die Masse auch Klasse zustande bringen wird, ist freilich offen. Drei der vier Stuttgarter Abgeordneten der vergangenen Legislaturperiode – Karin Maag, Stefan Kaufmann und Ute Vogt – sind jedenfalls nicht als schwäbische Leuchttürme im Hohen Haus aufgefallen. Und Tatsache ist, dass auch die beiden Christdemokraten Maag und Kaufmann deutlich geschwächt in ihre nächste Amtszeit gehen. Zwar haben beide ihr Direktmandat verteidigt, dabei aber jeweils rund zehn Prozentpunkte eingebüßt. Dass die CDU in Stuttgart mit 29,0 Prozent das drittschlechteste Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte einfährt, demonstriert, wie groß die Löcher im Gefieder der Etablierten mittlerweile sind.

Deutlich gefestigter präsentieren sich dagegen die Grünen in der Stadt, in der sie den Oberbürgermeister stellen und den Ministerpräsidenten beherbergen: Mit 17,6 Prozent erreichen sie das zweitbeste Ergebnis ihrer Geschichte. Die Art, wie Fritz Kuhn und Winfried Kretschmann ihre Arbeit tun, hat der Partei jedenfalls nicht geschadet. Stuttgart und Baden-Württemberg bleiben grüne Hochburgen, mit diesem Rückenwind kann Cem Özdemir selbstbewusst in die Koalitionsverhandlungen treten. Bei diesen wird er auf ebenfalls selbstbewusste Liberale treffen. Die FDP hat in Stuttgart ihr Ergebnis verdoppelt und damit bewiesen, dass sie auch im Zentrum ihres Stammlandes zu neuer Stärke gefunden hat.

Die AfD ist in Stuttgart schwächer als im Bund

Bleibt schließlich die AfD. Die gute Nachricht: In Stuttgart sind die Rechtsaußen trotz deutlicher Zuwächse viel schwächer als im Bundesdurchschnitt. Im Gemeinderat der Landeshauptstadt spielen sie eine untergeordnete Rolle. Dass dies im Bundestag ähnlich sein wird, ist die Aufgabe der anderen fünf Parteien.