Der Forstbeamte Gerald Klamer wandert seit Februar durch alle bedeutenden Waldgebiete des Landes – derzeit ist er im Schwarzwald unterwegs. Mit seinem Marsch will er auf die durch den Klimawandel bedrohten Wälder aufmerksam machen.

Freudenstadt-Kniebis - Er hat wahrlich alle Brücken hinter sich abgebrochen: Gerald Klamer (54) hat die sichere Stelle als Forstbeamter im hessischen Marburg gekündigt, er hat seine Wohnung aufgegeben und sein Auto verkauft. „Es ist jetzt die Zeit, nochmals etwas Neues zu wagen“, sagt Klamer so nonchalant, als sei es das Selbstverständlichste auf der Welt, während er am Kniebis am Waldrand auf seiner Isomatte sitzt. Seit Mitte Februar ist nun das Wandern sein Beruf, er ist unterwegs durch Deutschlands Wälder, um darauf hinzuweisen, wie stark der Klimawandel die Buchen, Eichen und Fichten bedroht. Etwa 1200 der geplanten 6000 Kilometer hat der passionierte Wanderer schon hinter sich. Und er fühlt sich weiter pudelwohl; von Blasen, Müdigkeit oder Heimweh keine Spur.

 

Wenn man etwas nachbohrt, dann gibt Gerald Klamer zu, dass er sich am Ende nicht mehr so richtig mit seinem Tun als Forstbeamter hatte identifizieren können. Es störe ihn, dass im deutschen Wald weiter zu viele Monokulturen hochgezogen werden; dabei wisse man längst, dass gemischte Bestände die Trockenheit, wie man sie mit dem Klimawandel häufiger erwarten müsse, viel besser verkraften würden. Im Sauerland habe er beobachten können, wie der Borkenkäfer solche angeschlagenen Wälder völlig vernichte. Oder er wollte nicht mehr Einsätze mit den großen Erntemaschinen planen, die den Boden verdichteten und Kleinorganismen töteten.

Gerald Klamer ist versöhnlicher als „Waldpapst“ Wohlleben

Natürlich denkt man gleich an den „Waldpapst“ Peter Wohlleben, wenn man Gerald Klamer reden hört. Aber Klamer ist kein Polarisierer wie Wohlleben, er erkennt die Bemühungen der heutigen Forstleute durchaus an – auch jetzt am Waldrand diskutiert er klar, aber verständnisvoll mit der Revierleiterin des Oberen Wolfstals Helgard Gaiser und der Forstamtsleiterin Susanne Kaulfuß. Gleich werden sie in einen alten Plenterwald fahren, in dem viele verschiedene Baumarten unterschiedlichem Alters stehen – das ist ein nachhaltig bewirtschafteter Wald nach Klamers Geschmack.

Tatsächlich steht für ihn nicht das Meckern im Vordergrund: Auf seiner Tour will er 60 vorbildliche Orte besuchen und dort mit den Verantwortlichen ins Gespräch kommen. Später soll daraus ein Buch entstehen; auch der Plenterwald bei Bad Rippoldsau-Schapbach wird darin vorkommen.

An reinen Wandertagen sind 30 Kilometer normal

Aber der Kampf fürs Klima ist bei Gerald Klamer nur die halbe Motivation; daneben wollte er schlicht einmal über fast neun Monate hinweg uneingeschränkt seiner Wanderleidenschaft frönen. An Tagen, an denen er keine Besichtigungen oder Treffen hat, versucht er 30 Kilometer zu schaffen, und bisher sei er ziemlich im Zeitplan, auch wenn er die eigenartige Erfahrung machen musste, dass man selbst beim Wandern in Stress geraten kann, da er jeden Abend zudem einen langen Blog über seine Walderfahrungen schreibt.

Ansonsten lebt Gerald Klamer sehr spartanisch. Nur einmal in der Woche lädt er Handy und Laptop und kauft ein, dann wiegt sein Rucksack 18 Kilo. Ansonsten ist er immer draußen, und zwar richtig draußen: Er hat nicht einmal ein Zelt dabei, da das Übernachten im Zelt in einem Wald nicht erlaubt ist. Eine Plane, die er zwischen Bäumen aufhängt, schützt ihn notdürftig vor Regen und Wind. Auch auf einen Kocher hat Klamer aus Gewichtsgründen verzichtet; meistens gibt es deshalb kalte Küche. Aber Gerald Klamer scheint eine Frohnatur und hart im Nehmen zu sein: Auch die Nächte im Februar mit Minusgraden hätten ihm nichts ausgemacht. Insofern deutet derzeit nichts darauf hin, dass er sein Ziel – im November nach 6000 Kilometern wieder in Marburg anzukommen – nicht erreichen könnte.

So verläuft die Wanderroute durch Deutschland

Start
: Gerald Klamer ist Mitte Februar direkt vor seiner Haustür gestartet, im hessischen Marburg. Zunächst ging er nach Westen bis zur belgischen Grenze und durchquerte dann Sauerland, Eifel und Pfälzer Wald.

Südwesten
: Bei Karlsruhe kam er in den Südwesten; derzeit geht er durch den Schwarzwald, macht einen Abstecher auf die Schwäbische Alb und wandert ins Allgäu.

Weitere Route:
Immer an Bayerns Außengrenze entlang geht es mit Abstechern bis zur Ostsee. Von dort kehrt Klamer heim.