Nicht nur bei der Barrierefreiheit sind die Bushaltepunkte hinterher. Oft fehlt den Fahrgästen der SSB beim Warten auch ein Dach über dem Kopf. Der Bezirksbeirat Stuttgart-West fordert Verbesserungen.

S-West - Wer in diesen Tagen an der Ecke Schwab-/Reinsburgstraße oder auch an der Kreuzung Schwab-/Rotebühlstraße vor der Dualen Hochschule auf den Bus wartet, der hofft beim Blick in den grau melierten Himmel, dass nicht auch noch der Regen einsetzen möge. Ein Schirm gehört jedenfalls für Busfahrende, die dieser Tage im Stuttgarter Westen das Haus verlassen, fast schon zur herbstlichen Grundausstattung. Viel schöner wär’s allerdings, wenn es an besagten Bushaltestellen – wie übrigens an vielen anderen Stellen in der Stadt auch – eine Überdachung oder sogar ein Wartehäuschen geben würde.

 

An 40 Prozent der 798 Bushaltestellen im Stadtgebiet gibt es kein Dach

Doch Schutz vor Nässe sucht der Busfahrgast an vielen Orten Stuttgarts vergebens. Im Stadtbezirk West sind von insgesamt 85 Bushaltepunkten lediglich 47 mit einem Wetterschutz ausgestattet. Das sind gerade mal 55 Prozent. 45 Haltestellen haben Sitzgelegenheiten, 35 eine Blindenleiteinrichtung, 42 einstiegsfreundlichere Bordsteinkanten (Hochbord). Vor allem für ältere und gehbehinderte Bus-Nutzer sind das deprimierende Zahlen. Stadtweit ergeht es den Kunden der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) aber nicht besser: Etwa an 40 Prozent der insgesamt 798 Bushaltestellen im Stadtgebiet sind die wartenden Fahrgäste Wind und Wetter ausgesetzt.

Die Gründe für den mangelhaften Ausbau sind vielfältig. Manchmal fehlen entscheidende Zentimeter für den Bau eines Häuschens. In selten Fällen wechseln auch Hausbesitzer und sorgen dafür, dass ein Dach über einem Haltepunkt wieder verschwinden muss, weil es am Haus fixiert ist. So musste zuletzt der bereits existierende Wetterschutz der Bushaltestelle Schwabstraße nahe der Seyfferstraße, der an einer Hausfassade verankert war, wieder „zurückgebaut werden“, wie Peter Krauß, der SSB-Fachbereichsleiter Bauwerke im Bezirksbeirat West, berichtete.

Nicht nur die örtlichen Voraussetzungen sind entscheidend

Doch oft hakt es auch schlicht und einfach am Geld. Wer, wie die Mitglieder des Bezirksbeirates Stuttgart-West, dem Vortrag von SSB-Ingenieur Peter Krauß im Bürgerzentrum West aufmerksam lauschte, der nahm vor allem eine Botschaft mit nach Hause: Sogenannte „Buswartehallen“ auf Bürgersteigen und an Straßenrändern zu bauen, ist abgesehen von den örtlichen Voraussetzungen, ein diffiziles Unterfangen. Zunächst einmal ist der Bau des Wetterschutzes in den meisten Fällen abhängig von Werbeflächen, die an den Seiten des Wartehäuschens angebracht werden. Die brauche es in der Regel zur Finanzierung, erklärte Krauß.

Für Bau, Ausstattung und Unterhalt der Bushaltestellen ist aber streng genommen der sogenannte „Straßenbaulastträger“, also in dem Fall die Kommune, zuständig. Doch schon seit Ende der 1970er Jahre unterstützt die SSB die Stadt bei der Aufgabe mit dem Wetterschutz. Rein historisch betrachtet, so erfuhren die Kommunalpolitiker, ging letztendlich die Verantwortung für Planung, Bau und Betrieb der Wartehäuschen bereits vor über 30 Jahren von der Stadt an die SSB über und wurde anschließend an den nächsten Zuständigen – einen international tätigen Stadtmöblierer – übertragen.

Mehr als 650 über Werbung finanzierte Wartehallen

Denn weil die SSB diese Aufgabe ohne erheblichen finanziellen Aufwand allein nicht stemmen konnten, holte sie sich dafür einen Spezialisten für Außenwerbung ins Boot. Die SSB wiederum vereinbarte mit dem Partner, dass dieser vom Baugesuch bis zur Aufstellung, Reinigung und Beseitigung von Schäden die gesamte Palette an Aufgaben abdeckt. Zwischen 10 000 und 15 000 Euro kostet laut dem SSB-Ingenieur der Bau einer Buswartehalle. Die Kosten werden über die Werbung finanziert. „Insgesamt“, so Krauß, „konnten so in Zusammenarbeit mit dem Vertragspartner mehr als 650 über Werbung finanzierte Wartehallen errichtet werden.“

Wie verständlich die Auslagerung dieser Dienstleitung aus Kostenspargründen auch sein möge, sie schafft auch Abhängigkeiten, die die Mitglieder im Bezirksbeirat in ihren Statements auch kritisch sahen: „Also ich bin nun etwas fassungslos, dass ein Wetterschutz abhängig ist von der Werbung“, sagte Bezirksbeirat Paul Russmann von „Der Fraktion“. Die Unterstände zu realisieren, sei doch eine Aufgabe der öffentlichen Daseinsfürsorge und sollte daher auch aus dem Budget der Stadt finanziert werden: „Wollen wir immer mehr Werbetafeln aufstellen, nur um Überdachungen hinzukriegen?“, fragte Russmann.

Wie hoch sind die Gesamteinnahmen durch die Werbeflächen?

Gerhard Ebertshäuser von Bündnis 90/Die Grünen sagte auf Nachfrage: „Die Finanzierung ist etwas undurchsichtig. Deckt genau eine Werbefläche die Kosten einer Wartehalle?“ Und: „Spannend wäre auch die Frage, wie hoch die Gesamteinnahmen durch die Werbeflächen gegenüber den Gesamtausgaben für den Unterhalt der Wartehallen sind.“

Grünen-Bezirksbeirätin Katrin Bui verwies während der Sitzung zudem auf sinnvollere Möglichkeiten der Nutzung, wie die Begrünung von Dächern und Wänden an den Bushaltestellen. CDU-Sprecher Jochen Hammer lässt die jetzige Regelung mit der Werbung „ebenfalls ratlos zurück“. Zudem forderte die CDU-Bezirksbeiratsfraktion bereits vor zwei Jahren, die Stadt möge die Potenziale der Dachbegrünung, die gerade auf Bus- und Bahnhaltestellen vorhanden sind, nutzen. Einen entsprechenden Antrag hatte die CDU schon 2019 eingebracht. Die Antwort steht noch aus.

Regenwasser wird in einer Zisterne unter der Sitzbank gesammelt

Tatsächlich testen inzwischen die SSB und der für die Außenwerbung zuständige Dienstleister die erste begrünte Buswartehalle am Rotebühlplatz. Die Rückwand einer bereits bestehenden Wartehalle sei „mit einer bepflanzten Wand nachgerüstet worden“, heißt es in einer erst kürzlich veröffentlichen Presseerklärung. Das notwendige Regenwasser dafür kommt vom Dach und wird in einer Zisterne unter der Sitzbank gesammelt.

Bezirksbeirat Heiner Scholz (SPD) griff den Punkt Begrünung auch auf: Schattenspendende Fahrgasthäuschen seien sicherlich sinnvoll, ein kleiner Beitrag zur Verbesserung des Mikroklimas. Ansonsten drängte Scholz gemeinsam mit seiner SPD-Kollegin Jennifer Staudenmeyer aber auch auf zeitnahe Lösungen bei den fehlenden Überdachungen an einigen Bushaltestellen im Stuttgarter Westen. Die Stadt sei da eigentlich – Werbung hin oder her – in der Pflicht, kreative Lösungen seien gefragt. Staudenmeyer regte deshalb an, einen Antrag an die Stadt zu richten.

Bezirksbeiräte verschiedener Fraktionen wollen nun ein gemeinsames Votum mit entsprechenden Forderungen an die Stadt schicken. An dem Wortlaut des interfraktionellen Antrags wird derzeit noch gefeilt. Über ihn soll in einer der kommenden Sitzungen abgestimmt werden.