Der Westdeutsche Rundfunk will jünger und innovativer werden. Er testet in diesem Sommer zwanzig neue Formate. Vor allem Humoriges soll die Zielgruppe locken.

Stuttgart - Schnallen Sie sich an“, sagt Gisela Knöpe, Ansagerin aus seligen Fernsehzeiten, verheißungsvoll und mit einem kecken Lächeln vor der Blümchentapete. Anke Engelke ist in dem Clip trotz entsprechender Frisur, Kleidung und Brille leicht wiederzuerkennen. Knöpe, so hat man sich das beim WDR wohl gedacht, ist eine Figur, welch die eigene Geschichte des Senders humorvoll spiegelt und gleichzeitig eine neue Zeit ankündigen soll. Denn Knöpe alias Engelke ist es auch, die als „Ansagerin 3.0“ am 24. August im WDR Fernsehen eine mehrwöchige Programmoffensive einläuten soll. Schon jetzt treibt der WDR in der im eigenen Haus entwickelten „#machtan“-Kampagne Werbespäße in sozialen Netzwerken, aber auch ganz real auf den Straßen von Nordrhein-Westfalen. Der Name WDR taucht dabei gar nicht auf, womöglich weil er abschreckend wirken könnte auf die Zielgruppe der 35- bis 55-Jährigen, die man nun endlich wieder gewinnen will fürs öffentlich-rechtliche Programm. „Guerilla-Marketing“ nennt man das neudeutsch.

 

Mehr als zwanzig neue Sendungen will der Westdeutsche Rundfunk in seinem dritten Fernsehprogramm ausprobieren und damit vielfach zugleich auch im Netz präsent sein. Das ist auf den ersten Blick eine reiche Ausbeute, das Gros hat eine eigens gegründete und crossmedial aufgestellte Innovationsredaktion im Laufe des vergangenen Jahres entwickelt. Viereinhalb bis fünf Millionen Euro lässt sich der WDR die Sommer-Experimente kosten, drei Millionen stammen aus dem vom Intendant Tom Buhrow eingerichteten „Verjüngungstopf“. Als größter ARD-Sender ist der WDR auf diesem Feld besonders in der Pflicht. Wer soll sich Experimente leisten können, wenn nicht der WDR? Das eingesetzte Geld wirkt angesichts eines Etats von 1,4 Milliarden Euro einerseits nicht viel, andererseits ist auch der WDR nicht mehr auf Rosen gebettet. Buhrow hat dem Sender wegen einer jährlichen Etatlücke von 100 Millionen Euro einen schmerzhaften Sparkurs verordnet.

Am Freitag stellten der Intendant und der Fernsehdirektor Jörg Schönenborn in Köln die neuen Formate ihrer Programmoffensive vor und waren dabei, wenig überraschend, sehr begeistert. „Dieser WDR ist ein Powerhaus“, sagte Schönenborn. Der WDR habe in seiner Geschichte Maßstäbe gesetzt im Qualitätsfernsehen, „und wir können das immer noch“. Ob nun tatsächlich Maßstäbe gesetzt werden, ist vorläufig noch unklar. Humor und Unterhaltung dominieren, weil man da verständlicher Weise den größten Nachholbedarf sieht. Aber auf den ersten Blick wird nicht recht klar, warum man sich nun unbedingt anschnallen müsste.

Lustige Internet-Videos, viel Comedy

Unverkennbar versucht der WDR mit einigen Konzepten schon im Titel an die Gewohnheiten jüngerer Generationen anzudocken. Bei „Gefällt mir! – Die total vernetzte Show“ (ab 28. August) mit Matthias Opdenhövel werden lustige Internetvideos verarbeitet. In „Mischen Impossible?!“ (25. August und 2. September) durften Youtube-Stars im WDR-Archiv wühlen und lassen nun fünfzig Jahre WDR Fernsehen Revue passieren. Und in „#Weltuntergang“ (28. August) sowie „#Jesuischarlie“ (4. September) werden die zahlreichen Dokumente und Reaktionen im Netz zum Pfingstunwetter sowie dem Terroranschlag auf die Pariser Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ zu neuen „Dokumentarfilmen“ montiert.

Experimentellen Charakter hat da schon eher „Das Lachen der Anderen“ (24. August). Der Comedy-Autor Micky Beisenherz und der Comedian Oliver Polak sollen einige Zeit in „Grenzbereichen der Gesellschaft“ (Buhrow) leben und dies am Ende in einer Stand-up-Nummer verarbeiten. In vorerst zwei Folgen begeben sie sich unter Öko-Aussteiger und MS-Kranke, wobei die Bezeichnung „Grenzbereiche“ vielleicht ein bisschen unglücklich ist. Außerdem sind eine Comedyserie um die reale Familie von Bill und Luke Mockridge sowie eine Verbraucher-Comedy mit Guido Cantz geplant. Und Anke Engelke sieht man auch als reale Dozentin an der Kölner Kunsthochschule für Medien, wo sie ein Comedy-Seminar gibt („Zum Lachen aus’m Keller“, 29. August). Zwischendurch aber taucht sie immer mal wieder als Ansagerin Gisela Knöpe auf und ist damit „die Schleife ums Paket“, wie Martin Hövel, Leiter der Innovationsredaktion, in Köln bemerkte.

Im Herbst will man entscheiden, welche Formate fortgeführt werden. Neben der Einschaltquote wird die Frage eine Rolle spielen, ob der WDR tatsächlich „anmacht“, ob also die neuen Formate die verlorenen jüngeren Altersgruppen wieder erschlossen haben. Innovative Formate, versprach Schönenborn, sollen in Zukunft nicht nur auf den Sommer und auf nächtliche Sendeplätze beschränkt bleiben.

Das zuletzt durchaus ebenfalls innovativ arbeitende Regionalmagazin „Hier und Heute“ allerdings wird in Zukunft nur noch am Montagabend ausgestrahlt, bestätigte der Fernsehdirektor. Die werktäglich ausgestrahlten viertelstündigen Reportagen entfallen, weil sie nach Ansicht Schönenborns „nicht mehr in die heutige Zeit passen“. Wenn das Publikum Hintergrund wünsche, dann längere und tiefere Beiträge wie in den „story“-Filmen. Der Protest gegen die „Hier und Heute“-Beschneidung – zuletzt hatten sich freie Mitarbeiter in einem Offenen Brief an Schönenborn gewandt – scheint damit erfolglos zu bleiben.