Mercedes-Pilot Lewis Hamilton trägt von 2025 an Ferrari-Rot – er wechselt nach Maranello. Eine faszinierende, aber auch explosive Kombination.

Hammer-Time, so nennt sich jener Abschnitt eines Formel-1-Rennens kurz vor einem Boxenstopp, in dem Lewis Hamilton die entscheidenden Sekunden gegenüber seinen Gegnern herausfährt. Diese Fähigkeit, Wunder auf dem Asphalt zu vollbringen, hat den Briten zusammen mit Michael Schumacher zum Rekordchampion der Königsklasse gemacht. Schumi ist der Maßstab, und war für einen der überraschendsten Transfers der Renngeschichte die Orientierung: Wie einst den Kerpener zieht es jetzt auch den Mercedes-Piloten zu Ferrari, um dort zum sportlichen Messias für den angeschlagenen italienischen Rennstall zu werden. Zwar gilt der Vertrag erst von 2025 an, doch schon jetzt hat die Formel 1 durch diesen Coup einen Höhepunkt, der selbst Max Verstappens Dauersiege locker in den Schatten stellt.

 

Dabei schien doch alles klar im letzten Sommer. Aber ein halbes Jahr, das kann in der Formel-1-Zeitrechnung eine Ewigkeit sein. „Unsere Geschichte ist noch nicht zu Ende, wir sind fest entschlossen, gemeinsam mehr zu erreichen, und wir werden nicht aufhören, bis wir es geschafft haben“ hat Lewis Hamilton noch im August darauf geantwortet, warum er sich mit 38 noch zwei weitere Jahre vertraglich an Mercedes bindet. Allen war klar: das ist der Rentenvertrag für den Rekordweltmeister.

Weihnachten noch auf einer Wellenlänge

Jetzt, mit 39, kommt es zu einem abrupten Sinneswandel, tritt eine bislang unbekannte Ausstiegsklausel in Kraft. Ein „shock move“, wie ihn das britische Branchenblatt „Autosport“ betitelt. Mercedes-Teamchef Toto Wolff wird damit zum zweiten Mal von einer Fahrerpersonalie völlig überrascht, 2016 hatte ihn Nico Rosberg kurz nach dem Titelgewinn sitzen gelassen. Diesmal ist die Abfuhr noch diffiziler, den Österreicher und den Briten verbindet seit Jahren eine echte Männerfreundschaft, von Charakter und Konsequenz her sind sich der Boss und sein Chauffeur ähnlich. Zudem hat Wolff seinen eigenen Kontrakt gerade erst langfristig verlängert. Pikant außerdem, dass der erst im Vorjahr von Hinwil nach Maranello gewechselte Ferrari-Prinzipal Frédéric Vasseur seit Jahrzehnten eng mit Wolff verbandelt ist. Der verlassene Teamchef sucht noch nach Ursachen: „Überraschend war nicht, dass es passiert ist, sondern nur der Zeitpunkt. Wir lagen Weihnachten noch auf einer Wellenlänge.“

Eine neue Herausforderung

Hamilton hat ihm nach der Kündigung gesagt, er brauche eine neue Herausforderung – und findet sie im Traum vom roten Overall. Die Mercedes-Belegschaft in der englischen Rennfabrik wurde am Donnerstagnachmittag vorab informiert, abends bestätigten alle Seiten den Deal. Hamiltons Renningenieur Peter „Bono“ Bonnington dachte zunächst: „Das ist ein Aprilscherz, oder?“ Die anderen fragten: Und wer kommt jetzt? Sofort sind Sebastian Vettel, Fernando Alonso und Mick Schumacher im Gespräch. Wolff sagt nur: „Wir schauen immer nach vorn, nie zurück.“

Was schlecht sein mag für das seit zwei Jahren in einem sportlichen Tief steckende erfolgreichste Team der jüngeren Formel-1-Geschichte, ist hingegen gut für die ganze Branche, die nach drei Titeln von Red Bull in Serie etwas paralysiert wirkte. Denn mit Ferrari und Hamilton haben zwei Ikonen des Motorsports zusammengefunden, zumindest aus Vermarktungssicht. Nach den jüngsten Resultaten bewertet machen in naher Zukunft allerdings auch zwei Verzweifelte gemeinsame Sache. Hamilton beschleunigt sich noch einmal selbst und in Maranello herrscht eine Vorfreude wie vor 29 Jahren, als sich Michael Schumacher ankündigte.

Der Ruhm ist der Treiber

Der vergangene Ruhm ist der große Treiber für Ferrari wie für Hamilton, beide haben offenbar in ihre bisherigen Konstellationen und Partner ein Stück weit das Vertrauen verloren. Die Italiener, die gerade erst den Vertrag mit dem als Kronprinzen vorgesehenen Charles Leclerc langfristig verlängert hatten, halten den Monegassen offenbar nicht für konstant genug. Hamilton wiederum läuft die Zeit davon, um mit einem achten WM-Gesamtsieg auch Michael Schumacher zu überflügeln, und alleiniger Rekordinhaber zu werden. Er scheint demnach nicht mehr an die Fähigkeiten von Mercedes zu glauben, eine schnelle Wende der sportlichen Verhältnisse zu schaffen. Ein Schlag ins Gesicht für die Silbernen.

Es ist eine faszinierende, aber vermutlich auch höchst explosive Kombination, die da entsteht. Ob er als Außenstehender das komplizierte interne und höchst politische Geflecht bei der Scuderia durchdringen kann, bleibt abzuwarten. Am einfachsten geht das immer mit Erfolgen, die Rückendeckung des Fiat-Erben John Elkann an der Firmenspitze hat er. Tatsächlich ist es für jeden Rennfahrer die Krönung der Laufbahn, einmal für Ferrari gefahren zu sein, aktuelle Leistungswerte hin oder her. Und vermutlich rückt Lewis Hamilton, dessen Jahressalär bislang auf bis zu 50 Millionen Dollar taxiert wurde, auch noch einmal in eine höhere Gehaltsklasse. Doch geht es wohl vor allem darum: mit einem Ferrari-Titel auf den eigenen Legendenstatus noch eins draufzusetzen.