Trigema-Chef Wolfgang Grupp ist es gewohnt, alles unter Kontrolle zu haben. Doch beim lange angekündigten Abschied von seinem Unternehmen kullern auch bei ihm die Tränen.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Er steht am Rednerpult, trägt einen dunklen Anzug, eine türkisblaue Krawatte und ein weißes Einstecktuch. Neben ihm stehen aufgereiht Ehefrau, Tochter und Sohn. Im Hintergrund sind die Nähtische zu sehen, auf denen sich die halbfertige Ware stapelt. Von der Fabrikhallendecke hängen ein paar Sterne und kleine Weihnachtsmänner. „Meine lieben Mitarbeiterinnen, meine lieben Mitarbeiter“, sagt Wolfgang Grupp, und schon im nächsten Satz muss der scheidende Trigema-Chef zum ersten Mal schlucken.

 

Mit einer Weihnachtsansprache hat sich der Unternehmer nach 54 Jahren von seiner Belegschaft offiziell als Chef verabschiedet. Wie emotional dieser Auftritt für ihn selbst war, zeigt ein Video, das der Burladinger Textilhersteller auf Youtube hochgeladen hat. Darin erklärt der 81-Jährige, dass er zwar im Unternehmen bleiben werde, die Entscheidungen künftig aber von seiner Tochter Bonita und seinem Sohn Wolfgang junior getroffen würden.

Der Unternehmer muss sich schneuzen

„Ich bin sicher, dass meine Frau, meine Tochter und mein Sohn, die Geschäftsführung im Bewusstsein, dass sie damit auch die Verantwortung für unsere Mitarbeiter haben, gerne übernehmen und mit Selbstverständlichkeit das, was ich ihnen vorgelebt habe, nämlich die Sicherung der Arbeitsplätze, auch weiterhin garantieren werden“, sagt Grupp.

Dabei bricht seine sonst so fest klingende Stimme immer wieder. Als er schließlich den Mitarbeitern Dank sagt „für alles, was Sie auf sich genommen haben und was wir in diesen nicht immer einfachen Jahren hinter uns bringen konnten“, ist kein Halten mehr. Grupp zieht seine Lesebrille ab und muss sich schließlich schneuzen.

Respekt für den „Vorzeige-Unternehmer“

„Ich habe mich gefreut, dass ich in 54 Jahren so angenehm mit Ihnen zusammenarbeiten durfte in guten und schwierigen Zeiten“, sagt Grupp und fügt hinzu: „Das werde ich nie vergessen.“ Dann kullern die Tränen. Von den Mitarbeitern, die sich in einem großen Halbkreis um den Firmenpatriarchen aufgestellt haben, kommt kräftiger Applaus.

Fast 500 000 Nutzer haben sich den tränenreichen Abschied bereits angesehen. In den Kommentaren wird viel Respekt geäußert gegenüber dem „Vorzeige-Unternehmer“, der zu den wenigen in Deutschland gehöre, die dieser Bezeichnung „noch alle Ehre“ machten. Viele sind gerührt von der Emotionalität der Rede, die von seiner besonderen Verbundenheit mit den Unternehmen und seinen Mitarbeitern zeuge. „Eine Legende geht in Rente“ wird kommentiert und der nachfolgenden Generation viel Glück gewünscht.

Während dann Sohn Wolfgang junior – auch im Namen seiner Schwester – dem „lieben Papa“ für das Vertrauen dankt, „dein Lebenswerk in unsere Hände zu legen“, trocknet Wolfgang Grupp seine Abschiedstränen. Dann wünscht er den Mitarbeitern für die Weihnachtszeit alles Gute, ein paar Tage der Besinnung und Glück fürs neue Jahr. „Geben wir die Hoffnung nicht auf, dass die Welt wieder ein Stück normaler wird“, sagt er und dankt dann noch einmal mit brechender Stimme für „über ein halbes Jahrhundert der Zusammenarbeit“.