Juan Carlos Verdienste um die spanische Demokratie sind unbestritten. Am Ende aber ruinierte er durch dubiose Geschäfte und einen Hang zum Luxus sein Ansehen und das der Monarchie. Sein Sohn muss jetzt Vertrauen zurückgewinnen.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Gewünscht haben es viele, erwartet hat es niemand. Spaniens König Juan Carlos de Borbón y Borbón hat seine Abdankung erklärt. Nachfolger wird sein Sohn, der bisherige Kronprinz Felipe, künftiger König Felipe VI. Bis er sein Amt übernehmen kann, wird das spanische Parlament allerdings erst in aller Eile ein Gesetz verabschieden müssen, das die Thronfolge im Falle einer Abdankung regelt. Wie fast alle Spanier hatten offenbar auch die Abgeordneten nicht damit gerechnet, dass Juan Carlos eines Tages amtsmüde werden könnte.

 

Es war Ministerpräsident Mariano Rajoy, der die Abdankungsnachricht bekanntgab. Er lobte Juan Carlos als „unermüdlichen Verteidiger unserer Interessen“, er sei „der beste Fürsprecher“ und „das beste Abbild“ Spaniens gewesen. Er hinterlasse den Spaniern eine „unbezahlbare Dankesschuld“.

Juan Carlos: Ein Ziehsohn des Diktators Franco

Die Leistungen des Monarchen werden von den wenigsten Spaniern infrage gestellt. Juan Carlos war der Enkel des letzten spanischen Königs Alfonso XIII., den die Spanier 1931 aus dem Amt gejagt hatten, um die Republik auszurufen. Doch jene Zweite Republik hatte nur ein kurzes Leben. 1936 erhoben sich rechte Militärs gegen die damalige konstitutionelle Ordnung, die sie nach drei Jahren Bürgerkrieg beseitigten, um eine Diktatur unter dem General Francisco Franco zu errichten. Die Diktatur hielt bis zum Tode Francos Ende 1975. Zu seinem Nachfolger hatte Franco den Königsenkel Juan Carlos auserkoren.

Als der damals 37-jährige Juan Carlos am 22. November 1975 den Thron bestieg, hatten die Spanier keine großen Erwartungen an ihn. Er war der Ziehsohn Francos, viel mehr wussten sie nicht von ihm. Umso überraschender kam der Einsatz des jungen Staatschefs für ein neues, demokratisches Spanien. Seine klügste Entscheidung war die Ernennung des damals noch recht unbekannten Politikers Adolfo Suárez zum Regierungschef im Juli 1976. Suárez – der vor gut zwei Monaten starb – gelang es, seine früheren franquistischen Weggefährten davon zu überzeugen, ihre Macht aus den Händen zu geben. Der König konnte währenddessen im Hintergrund wirken. „Mehr als Motor des Wandels war Juan Carlos sein Schutzschild“, schreibt der Historiker Javier Tusell über dessen Rolle.

Beim Putsch 1981 rettet der König die Demokratie

Formal legitimiert wurde die Stellung des Königs am 6. Dezember 1978, als die Spanier in einer Volksabstimmung ihre neue Verfassung absegneten, die Spanien zur parlamentarischen Monarchie erklärte. Doch seine eigentliche gesellschaftliche Legitimation erwarb sich Juan Carlos in der Nacht vom 23. auf den 24. Februar 1981, als er zum letzten Mal seinen königlichen Schutzschild vor die Demokratie hielt. Ein Trupp von Guardia-Civil-Polizisten hatte das Madrider Parlament gestürmt und die Abgeordneten zu Geiseln genommen. Der Putschversuch misslang, weil König Juan Carlos das Richtige tat. Er setzte sich in Uniform vor eine Fernsehkamera, beteuerte „die Treue der Krone zur Verfassung“ und befahl den aufständischen Militärs, in die Kasernen zurückzukehren. Am folgenden Morgen gaben die Putschisten auf. In jener Nacht, in der er den Militärputsch stoppte, gewann er die Zuneigung und den Respekt der Spanier.

Sein Ansehen ruinierte der Monarch selbst

Von diesem Respekt konnte Juan Carlos lange zehren. Die Monarchie war eine der höchstangesehenen Institutionen Spaniens und der König selbst nahezu unantastbar. Er profitierte von einem unausgesprochenen Pakt der Medien, sich nicht in sein Privatleben einzumischen. Als ein Paparazzo Anfang der 1990er Jahre Nacktbilder von Juan Carlos beim Sonnenbad auf seiner Yacht Fortuna schoss, wollte keine einzige spanische Zeitschrift die Bilder kaufen. Doch die Idylle war brüchig.

Den ersten schweren Schlag gegen das Ansehen der spanischen Monarchie löste ein Untersuchungsrichter in Palma de Mallorca aus. Im Herbst 2011 wurde bekannt, dass der Richter José Castro gegen den königlichen Schwiegersohn Iñaki Urdangin, Ehemann der Infantin Cristina, ermittelte: wegen mutmaßlich unsauberer Geschäfte zu Lasten der Regionalregierungen der Balearen und Valencias. Die Spanier waren an Nachrichten über korrupte Netzwerke gewöhnt, doch dass nun auch das Königshaus unter Korruptionsverdacht stand, war für sie schwer zu verdauen. Der Verdacht ist bis heute nicht ausgeräumt, die Ermittlungen sind noch nicht beendet.

Den zweiten schweren Schlag gegen sein Ansehen führte der König selbst. Vor zwei Jahren flog er nach Botswana im Süden Afrikas zur Elefantenjagd und brach sich dabei eine Hüfte. Das königliche Jagdvergnügen stieß den Spaniern übel auf: Ihr Land steckt seit Mitte 2008 in der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten, viele Menschen haben kaum noch das Nötigste zum Überleben, der König selbst hatte verkündet, dass ihm die hohe Jugendarbeitslosigkeit den Schlaf raube. Seine Glaubwürdigkeit war dahin. Die spanischen Medien hielten sich auch nicht mehr an den alten Schweigepakt, der bisher das königliche Privatleben geschützt hatte. Überall war nun über die „innige Freundschaft“ von Juan Carlos mit der Deutschen Corinna zu Sayn-Wittgenstein zu lesen, die den König auf seiner Elefantenjagd begleitet hatte. Der Respekt und die Zuneigung, die die Spanier einst für ihren Monarchen empfanden, waren aufgebraucht. Da half auch die öffentliche Entschuldigung des Königs nichts.

Am Ende war Juan Carlos eine Belastung für das Königshaus

Die Krise, die Spanien seit sechs Jahren durchmacht, hätte die Stunde von Juan Carlos sein können. Die Menschen sehnen sich nach einer Institution, der sie vertrauen können. Politik und Justiz haben sie enttäuscht – aber auch den König hat der Instinkt verlassen, der ihn in seinen ersten Jahren auf dem Thron so sicher leitete. Seine Abdankung ist ein Befreiungsschlag, ein Dienst an der Monarchie.

Vor noch nicht langer Zeit, anlässlich seines 75. Geburtstages im Januar vergangenen Jahres, sagte Juan Carlos in einem seiner seltenen Fernsehinterviews: „Ich fühle mich in Form, voller Energie und vor allem Lust, um weiterzumachen.“ Die Lust hat ihn wahrscheinlich noch nicht verlassen. Die Energie möglicherweise schon: er ist gesundheitlich angeschlagen. Aber vor allem dürfte sich bei ihm die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass er eine Belastung für das Königshaus ist.