Beim Wechsel von der Politik in die Wirtschaft geht es oft nur um Kungelei und Kumpanei, meint Bernhard Walker. Die Neuregelung der Karenzzeit gehe deshalb nicht weit genug.
Berlin - An schönen Worten mangelt es nicht. Wann immer zuletzt Politiker zu einem Unternehmen oder einem Lobbyverband wechselten, ertönte aus den Reihen von Union und SPD der Hinweis, dass dies kein „Gschmäckle“ habe, sondern vielmehr richtig sei. Die so genannte Drehtür erlaube einen Austausch zwischen Politik und Wirtschaft – einen Austausch, der gegenseitiges Verständnis befördere. Was vernünftig klingt, erweist sich bei näherem Hinsehen aber als reine Chimäre.
Denn die Drehtür gibt es nicht, oder besser gesagt: sie klemmt arg. Zum Erstaunen, mehr noch: zum Entsetzen vieler Bürger haben viele Politiker – das prominenteste Beispiel ist Alt-Kanzler Gerhard Schröder – die Seiten gewechselt und hochrangige Positionen bei Unternehmen oder Verbänden eingenommen. Umgekehrt gelang es in den vergangenen Jahren nur einem Wirtschaftsmann von außen an die Spitze eines Ministeriums zu treten. Von 1998 bis 2002 war der parteilose Werner Müller Bundeswirtschaftsminister. Mit dem angeblichen Austausch ist es also nicht weit her.
Die Drehtür zwischen Politik und Wirtschaft klemmt
Was übrigens ausgesprochen schade ist. Denn es könnte der Bundespolitik nur gut tun, wenn jemand, der als Unternehmer tätig war, mit seinen Erfahrungen im Raumschiff Berlin einträfe. Wie abgehoben Berlin zuweilen agiert belegt gerade beispielsweise die reichlich bürokratische Ausgestaltung, die Union und SPD beim Mindestlohn beschlossen haben.
Immerhin sieht die Große Koalition nun endlich ein, dass sich hinter den schönen Worten vom Austausch und der Drehtür oft genug bloß Kumpanei und Kungelei verbergen. Hätte sie sonst am Mittwoch einen Gesetzentwurf beschlossen, der das „Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Bundesregierung“ wahren soll? Dafür war es auch höchste Zeit. Schließlich nimmt die Allgemeinheit schon lange und ganz zu Recht an verschiedenen Fällen von Seitenwechseln Anstoß – sei es der Fall Schröder, der Fall Dirk Niebel (seit Jahresbeginn ist er für den Rüstungskonzern Rheinmetall tätig) oder der Fall Daniel Bahr (er vertreibt jetzt bei der Allianz ein Produkt, das er als Gesundheitsminister selbst geschaffen hat).
Altkanzler Schröder hat seine Reputation verrubelt
Allerdings reicht der schwarz-rote Vorschlag nicht weit genug. Zwar ist es gut, dass die Koalition eine Art Ehrenrat schafft – also ein Gremium aus drei Persönlichkeiten von hoher Reputation, das klären und dann öffentlich berichten soll, ob ein Seitenwechsel das Vertrauen der Bürger beeinträchtigt. Sofern es der Regierung ernst ist und sie den Rat nicht zum bloßen Feigenblatt macht (noch ist offen, wer ihm angehört), kann er dazu beitragen, dass die Debatte sachlicher wird. Denn bisher wurde bei den vielen Seitenwechseln oft alles und jedes in einen Topf geworden, sprich: auch ein unproblematischer Wechsel als Skandal gegeißelt. Doch beträgt die Karenzzeit, die die Regierung verhängen kann, wenn der Rat eben doch Einwände erhebt, in der Regel nur zwölf Monate. Ein Interessenkonflikt verschwindet aber nicht dadurch, dass zwischen dem Ausscheiden aus dem Staatsamt und dem neuen Job ein Jahr verstreicht.
Auch sind keine Sanktionen vorgesehen, falls sich ein ehemaliger Politiker nicht an die Karenzzeit hält. Die Regierung setzt darauf, dass in diesem Fall gehörig Zorn bei den Bürgern aufkommt, der den neuen Arbeitgeber verschreckt. Doch wie realistisch ist das? Dass mit Gerhard Schröder selbst ein Kanzler, Ministerpräsident und Parteivorsitzender a.D. meinte, seine Reputation verrubeln zu müssen, hat viele Bürger empört. Den Seitenwechsel hat er trotzdem vollzogen. Auch seinen neuen Chefs war der Unmut der Bundesbürger herzlich egal. Die Frage, wie das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der Regierung gewahrt werden kann, ist leider weiter offen.