Ein 60-Jähriger muss sich vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten, weil er von Anlegergeldern fürs Bitcoin-Schürfen in Wirklichkeit Gold- und Silbergranulat gekauft hat.

Weil der Stadt - Der Mann auf der Anklagebank des Stuttgarter Landgerichts wirkt mit der modischen Frisur und dem blauen Sakko über dem weißen Hemd mit Schmuckkragen überaus seriös und deutlich jünger als die 60 Jahre, die er tatsächlich auf dem Buckel hat.

 

Diese Ausstrahlung dürfte ihm im Geschäftsleben geholfen haben, Menschen zu überzeugen. Doch sie hat nicht verhindert, dass der 60-Jährige, der eine Firma in Weil der Stadt hat, nun ins Gefängnis muss. Das Landgericht Stuttgart verurteilte ihn wegen Beihilfe zu gewerbsmäßigem Betrug rund um windige Bitcoin-Geschäfte zu einer Haftstrafe von drei Jahren und drei Monaten.

Schaden von 1,3 Millionen Euro

Vorausgegangen waren umfangreiche Verständigungsgespräche zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung, an deren Ende der Angeklagte ein Geständnis abgelegt und einem Vergleich mit den Geschädigten zugestimmt hatte. Er verpflichtete sich, den Schaden von rund 1,3 Millionen Euro zurückzuzahlen. Ob die Anleger ihr Geld jedoch je wiedersehen werden, ist fraglich – derzeit ist der Angeklagte zahlungsunfähig, und nach Aussage seines Verteidigers ist es nicht abzusehen, wann er wieder zu Geld kommen wird.

Aberwitzige Renditen versprochen

Der Vorsitzende Richter Volker Peterke erklärte in der Urteilsbegründung, der 60-Jährige sei nur eine Randfigur in einem betrügerischen Spiel gewesen. Hauptakteur sei eine Firma gewesen, die potenziellen Anlegern vorgegaukelt hatte, sie sei im so genannten Bitcoin-Mining tätig und würde in Rechenleistung investieren. Tatsächlich habe diese Firma mit Sitz auf Malta und in London überhaupt nichts gemacht, das Geld der Anlieger sei zum großen Teil in Werbung und Akquise geflossen. Die Firma habe mit einer professionell aufgemachten Homepage beeindruckt und „aberwitzige Renditen von bis zu 500 Prozent innerhalb weniger Monate versprochen“.

Insgesamt 1,3 Millionen Euro der eingesammelten Gelder von 16 Anlegern seien zwischen November 2018 und August 2019 an den Angeklagten geflossen, der mit einem Hintermann der Firma in Kontakt stand. Für diese Gelder habe der 60-Jährige bei einer Firma in Weil der Stadt Gold- und Silbergranulat gekauft und dafür eine Provision von jeweils neun Prozent erhalten. Insgesamt summierten sich die Provisionen auf gut 100 000 Euro für den Angeklagten. „Ihm ging es damals wirtschaftlich schlecht, es war für ihn eine regelmäßige Einnahmequelle“, betonte Peterke.

Wer sind die Opfer?

Der Angeklagte sei nicht Mit-Initiator des betrügerischen Kartenhauses gewesen, ihm sei aber im Lauf der Zeit bewusst geworden, was für Geschäfte ablaufen. „Er hatte Einblick in die Verträge der Firma mit den Anlegern und wusste, dass diese keine Gegenleistung bringt“, erläuterte der Vorsitzende Richter. Das Unternehmen habe von dem damaligen Bitcoin-Hype profitiert, die Wertentwicklung habe viele Anleger fasziniert. Bis heute hätten diese keinen einzigen Cent wiedergesehen, viele der Opfer seien ältere Menschen gewesen, denen „die Ersparnisse eines ganzen Arbeitslebens abgeschwatzt“ worden seien.

Ein zweites Betrugsfeld der Firma sei gewesen, dass diese Aktien für einen angeblichen Börsengang an die Investoren ausgegeben habe, der tatsächlich nie geplant gewesen sei. Peterke sagte, für den Angeklagten hätten sein Geständnis und die Bereitschaft zu dem Vergleich gesprochen. Gegen ihn allerdings der hohe Schaden und sein hoher Gewinn sowie die Tatsache, dass er bereits sieben Mal wegen Wirtschaftsdelikten vorbestraft sei.

Warum zahlen Kriminelle gern mit Bitcoins

Bitcoins
Dabei handelt es sich um eine virtuelle Kryptowährung, die extremen Wertschwankungen unterliegt. Bitcoins existieren nur als digitale Zeichenfolge in einem Computerprogramm und werden nur digital gehandelt. Alle Käufe, Verkäufe und Zahlungen sind in Datenblöcken gespeichert, die in einer Kette aneinanderhängen (so genannte Blockchain). Überwacht wird das Ganze an Computern von so genannten Minern, die für ihre Arbeit in Bitcoins bezahlt werden. Aufbewahrt werden die Bitcoins in digitalen Geldbörsen (so genannte Wallets).

Darknet
Bitcoins sind bei Kriminellen sehr beliebt, da man sie im Darknet anonym kaufen kann. Häufig werden sie im Drogen- und Waffenhandel eingesetzt. Wenn Erpresser die Computersysteme von Firmen oder Einrichtungen lahmgelegt haben, fordern sie oft Lösegeld in Bitcoins.