Bei Investitionen auf hohem Niveau wird die Verschuldung in diesem Jahr einen neuen Höchststand erreichen. Pro Kopf sind es durchschnittlich 1350 Euro.
Weil der Stadt - Wir sitzen alle in einem lichterloh brennenden Gebäude und überlegen, an welcher Ecke wir zuerst löschen sollten“. Mit diesem drastischen Bild hat Christian Walter die finanzielle Situation von Weil der Stadt beschrieben. Im Haushaltsplan für das laufende Jahr lauerten weitere Risiken, die das Planwerk gar nicht wiedergebe, sagte der Bürgermeister und verwies auf den Sanierungsstau, etwa bei den städtischen Gebäuden.
Doch Schnellschüsse wären jetzt falsch, beispielsweise an Steuererhöhungen zu denken, so Walter. Dazu komme noch die bittere Coronarealität. „Wir müssen in eine tiefe Analyse einsteigen, wie wir zu mehr Einnahmen kommen können“, sagte er mit Blick auf die für den Frühsommer geplante Gemeinderatsklausur zum Thema Haushalt. Der Gemeinderat verabschiedete den Haushaltsplan einstimmig.
Das tiefrote Minus ist sieben Millionen Euro schwer
Aber das „ordentliche Ergebnis wäre auch ohne die Auswirkungen der Coronapandemie klar negativ gewesen“, beschrieb der Kämmerer Ulrich Knoblauch das mit knapp sieben Millionen Euro tiefrote Minus, das zwischen Erträgen und Aufwendungen klafft. Die Stadt rechnet mit Gesamterträgen von rund 45 Millionen Euro. Die größten Einnahmebrocken sind die Einkommensteuer mit gut 13 Millionen Euro, die Gewerbesteuer mit vier Millionen Euro sowie Umlagen, Zuweisungen und Zuwendungen von insgesamt 15 Millionen Euro. „Die einzige Position, die wir selbst beeinflussen können“, erklärte der Kämmerer, „sind die Entgelte und Gebühren für Leistungen und Einrichtungen der Stadt.“ Hierfür wird mit Einnahmen von 5,5 Millionen Euro gerechnet.
Auf der Ausgabenseite müssen 17,4 Millionen an Personalkosten und 8,4 Millionen Euro für die Kreisumlage eingestellt werden. An das Land fließen bei der Finanzausgleichsumlage 6,5 Millionen zurück. Auf einer langen Liste mit der Überschrift Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen und dem Betrag von 11,7 Millionen Euro werden Posten für die Aufrechterhaltung der Infrastruktur der Stadt genannt, beispielsweise für Grundstücke und bauliche Anlagen, Straßen und Wege, Stromkosten, das Schulbudget oder Erstattungen an Kindergärten. Die gesamten Aufwendungen beziffern sich auf rund 52 Millionen Euro.
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Bereits im Januar hat der Gemeinderat Investitionen von 14,1 Millionen Euro beschlossen (wir berichteten). Das meiste Geld fließt in die Abwasserbeseitigung (2,9 Millionen Euro) und die Marktplatzsanierung (2,6 Millionen). Für Straßen und Brücken sind 2,5 Millionen vorgesehen, für Schulen und Kindergärten sind rund 3,5 Millionen Euro geplant. Einen Teil der Investitionen kann die Stadt nur über neue Kredite finanzieren, die den Schuldenstand von 18,7 Millionen zum Jahresanfang auf 25,3 Millionen zum Ende dieses Jahres erhöhen. Damit steigt die Pro-Kopf-Verschuldung auf 1350 Euro pro Einwohner.
Konnte die Stadt in den vergangenen Jahren mit der früheren Zuführungsrate noch aus eigener Kraft Mittel für Investitionen erwirtschaften, so war dies 2020 schon nicht mehr der Fall. Die Nettoinvestitionsrate – die wichtigste Kennzahl nach dem neuen kommunalen Haushaltsrecht – rutschte auf ein Minus von 4,5 Millionen Euro.
Hieran sei direkt oder indirekt Corona mitbeteiligt gewesen, erklärte Ulrich Knoblauch. Der ursprüngliche Haushaltsplan hätte mit einer Null abgeschlossen. Für 2021 ist diese Nettoinvestitionsrate mit minus 5,4 Millionen geplant. Zusätzlich schiebe die Stadt ein strukturelles Defizit von vier Millionen Euro vor sich her. Dieses führe maßgeblich von der umfangreichen Infrastruktur mit fünf Teilorten her, erklärte er auf Nachfrage unserer Zeitung. „Unsere Steuerkraftsumme liegt bei 89 Prozent des Landesdurchschnitts, unser Ausgabenniveau liegt bei 105 Prozent“, so der Kämmerer.
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In ihren Stellungnahmen betonten alle Fraktionen die Notwendigkeit, diese Schuldensituation in den nächsten Jahren zu ändern. So sagte Alfred Kappler als Sprecher der Grünen, man habe als Familien- und Schulstadt zwar breite Angebote, doch die Unterhaltung von städtischen Gebäuden verursache hohe Kosten. Hier sei es Zeit für eine Inventur und Reduzierung der Ausgaben. Die Steuersätze müssten geprüft und angepasst werden. Zudem sprach er sich für einen Klimaschutzmanager wie in Weissach aus, der sich mehr als bezahlt machen würde.
Martin Buhl (CDU) mahnte, die „Überschuldungsspirale“ nicht zu überdrehen. Die aktuelle Stellenmehrung, hauptsächlich im Bauamt, sei ein großer Schritt, der nicht so weitergehen dürfe. Ein Hoffnungsschimmer für dringend benötigte Einnahmen liege im Verkauf von Bauplätzen, sagte Buhl.
Jahrelang sei das Schaffen neuer Einnahmequellen versäumt worden, kritisierte Ricarda Stäbler (Freie Wähler). Als „bislang ungenutzte Möglichkeiten“ führte sie etwa die Stadtwerke, die Parkraumbewirtschaftung, der Bauplatzverkauf sowie die Steuer- und Gebührenanpassungen auf. Zusätzliche Flächen für bezahlbaren Wohnraum sowie für Gewerbe-Ansiedlung von Gewerbe seien nötig.
„Das ist wie bei Hase und Igel“
Das negative Ergebnis sei aufgrund der außergewöhnlichen Rahmenbedingungen ausnahmsweise gerade noch vertretbar, sagte Cornelia Schmalz (SPD). Angesichts des auf ein Minimum reduzierten Investitionsprogramms renne man dem „Instandhaltungs- und dem Sanierungsbedarf hinterher wie der Hase dem Igel“.
Für die FDP forderte Hans Dieter Scheerer eine Ausgabendisziplin und die Erschließung anderer Finanzierungsmöglichkeiten. Wichtig sei, dass bei Kitas und Schulen die notwendigen Investitionen getätigt werden.
Das AfD-Gemeinderatsmitglied, Christian Pfaundler, erwartet auch für 2021 „wenig Erfreuliches“. Man könne nur in den Pflichtaufgaben wählen. Dazu komme, dass „nach dem Lockdown vor dem Lockdown“ sei.