Ob Professor, Unternehmer oder Bundespräsident – wenn die Kinderuni ruft, kommen sie alle, um den kleinen Wissenschaftlern die Welt zu erklären. Klaus Scheck hatte vor zehn Jahren die Idee, die Vorlesungen außerhalb der Uni-Städte zu etablieren.

Weil der Stadt - Aus Pforzheim, Calw, Herrenberg oder Ludwigsburg: Wenn die Dozenten der Weiler Kinderuni ans Katheter treten, strömen die kleinen Käpsele von überall her, denn von A wie Astrophysik bis Z wie Zellteilung gibt es dann einiges zu lernen. Klaus Scheck, der Erfinder, und Hermann Faber, der heutige Vorsitzende des Kinderuni-Vereins, erzählen von der zehnjährigen Geschichte.

 
Herr Scheck, gab es in all den Jahren einen Höhepunkt?
Klaus Scheck: Das war gleich am Anfang, als die Leute Schlange standen, um Karten für die allerersten Vorlesungen zu bekommen. In Merklingen haben wir angefangen – und da gab es ein riesiges Interesse. Danach kam ich in Weil der Stadt mit einem verminderten Kontingent an. Und hier standen noch mehr Leute.
Herr Faber, wie haben Sie das damals als Pädagoge und Schulleiter wahrgenommen, was Herr Scheck da plant?
Hermann Faber: Das hab’ ich gleich begrüßt. Wenn man im Bildungsbereich tätig ist, kann man sich so eine Kinderuni hier auf dem Lande nur wünschen. Wir wissen ja, dass es gerade der außerunterrichtliche Bereich ist, der die Kinder besonders prägt.
In Tübingen wurde die Kinderuni 2002 erfunden. Wie kamen Sie auf die Idee, sie nach Weil der Stadt zu holen?
Scheck: Mit meinem Enkel wollte ich nach Tübingen zur Kinderuni fahren. Der wohnt aber bei Crailsheim, der Aufwand dafür war zu groß. Da dachte ich mir, wenn die Professoren schon einen Vortrag vor Kindern gehalten haben, dann können sie den auch gleich noch mal halten.
Wie kam das an in Weil der Stadt?
Scheck: Ich hab’ mit allen möglichen Leuten diskutiert, und das kam sehr gut an. Ich hab’ nirgendwo was Negatives gehört.
Faber: Da gab es gar keine Zweifel, dass das funktionieren würde, im Gegenteil, für so eine historisch geprägte Stadt, die sich Keplerstadt nennt, kann es nichts Besseres geben. Herr Scheck hat hier ja wirklich Pionierarbeit geleistet, die Kinderuni aus den Universitätsstädten zu holen und auf dem Lande zu etablieren.
Und es gab Nachahmer . . .
Faber: Ja, heute gibt es einige Kinderunis auch außerhalb der Unistädte.
Scheck: Es gibt aber ganz unterschiedliche Konzepte. Mal ist es eine Initiative vom Bürgermeister, mal von der Schule. So wie wir das hier machen als selbstständiger Verein ist es bis heute einzigartig.
Sie haben nicht nur Professoren hier?
Scheck: Ich   dachte, man   müsste mal probieren, ob ein ehemaliger Bundespräsident auch herkommt – und da hab’ ich an Roman Herzog geschrieben. Dann wollte die Sekretärin nur wissen, ob ich einen Termin hätte, wann denn der Herr Bundespräsident den Vortrag halten solle. Das war leichter, ihn hierherzubekommen, als jeden Professor.
Und war das der einzige Vortrag, den Roman Herzog vor Kindern gehalten hat?
Scheck: Ja, das war unglaublich. Die Kinder wollten dann Unterschriften haben. Seine Frau Alexandra war dabei, die dann immer mit „Freifrau von Berlichingen“ unterschreiben musste. Die konnte anschließend den Arm nicht mehr bewegen.
Bundespräsidenten, Unternehmer, Professoren. Wer ist am schwierigsten, hierherzubekommen?
Scheck: Niemand. Bei den 66 Vorlesungen, die ich gemacht hab’, haben vielleicht zwei Leute abgesagt. Im Prinzip muss man niemanden überreden.
Wie haben Sie da ausgewählt?
Scheck: Ich hab’ immer geschaut, was mich selbst interessiert. Zum Beispiel Zellvermehrung – und dann hab’ ich gesucht, wo es einen Professor gibt, der darüber Bescheid weiß. Es gab auch Professoren, die von sich aus bei mir angerufen haben.
Faber: Das zeigt, wie die Kinderuni mittlerweile Akzeptanz gefunden hat. Das ist für die Professoren nichts Lästiges, sondern auch sie haben erkannt, dass sie Wissenschaftsnachwuchs fördern müssen. Auch jetzt bei der Jubiläumswoche waren die Professoren alle gleich dabei, auch wenn es ein unheimlicher Aufwand ist, sie müssen ja all ihre Labors und Gerätschaften einpacken und mitbringen. Es ist schön zu sehen, dass man die Unterstützung hat.
Herr Faber, Sie haben 2014 den Vorsitz übernommen. Was werden in Zukunft die Herausforderungen sein?
Faber: Ich habe mir vorgenommen, dass wir auch die Kinder aus den bildungsferneren Schichten erreichen müssen. Kinderuni ist nichts nur etwas für die Großkopferten, das ist ein breites Bildungsangebot. Es gibt viele Themen, die auch Schüler an Real- und Gemeinschaftsschulen ansprechen, zum Beispiel die Technik.
Welche Unterstützung haben Sie heute in der Stadtgesellschaft?
Faber: Für so eine Institution ist es wichtig, immer wieder bewusst zu machen, dass das kein Selbstläufer ist. Wir brauchen Mitglieder, das Ganze läuft nicht ohne finanzielle Unterstützung.
Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen?
Faber: Das Stichwort ist Vertiefung. Jeder weiß: Beim Lernen ist das Selber-Tun das Entscheidende. Zum Beispiel ein Wasserwerk. Das kann man nicht nur theoretisch vorstellen, man muss es auch bauen. Das soll in Zukunft ein Schwerpunkt sein. Wir sind da in einem Arbeitskreis mit anderen Kinderunis, da wird auch überlegt, wie die Kinderunis noch weiter entwickelt werden können. Wir Weil der Städter geben auch da sehr starke Impulse, diese Praxisorientierung zu etablieren.
Das heißt, Sie sind zufrieden mit dem Kind, das Sie da geboren haben, Herr Scheck?
Scheck: Mir haben schon Professoren gesagt: Die Kinder hier sind aufmerksamer und haben bessere Fragen als meine Erstsemester an der Uni. Der Gipfel des Ganzen war mal eine Vorlesung des Unternehmers Heinz Dürr. Da meldete sich einer und fragte: Herr Dürr, wie war das letzte Quartalsergebnis?
Und, hat er es verraten?
Scheck (lacht): Nein, hat er gesagt, das gibt’s bei uns gar nicht, wir haben ganz andere Konzeptionen, eine ganz andere Philosophie.