Bei den Mäh-Meisterschaften des Merklinger Obst- und Gartenbauvereins hat unser Praktikant Philip Höhn den Selbstversuch gewagt. Nach anfänglicher Skepsis gegenüber dem Arbeitsgerät hat er das vorgegebene Ziel erreicht: nicht Letzter zu werden!

Weil der Stadt - Das Praktikantendasein gilt nicht immer als einfach. Das alte Klischee vom unbezahlten Arbeiter auf Zeit, der Kaffee holen und Ordner neu sortieren darf, hält sich hartnäckig. Zumindest den Teil mit den Ordnern habe ich schon selbst erlebt. Aber hier, bei der Leonberger Kreiszeitung, darf ich auch etwas exotischere Arbeiten übernehmen.

 

Meine Aufgabe diesmal: Gras mähen. Am Wochenende hat der Merklinger Obst- und Gartenbauverein (OGV) seine Mäh-Meisterschaften abgehalten. Klar dabei: die Teilnehmer müssen mähen. Aber nicht etwa mit dem Rasenmäher oder einem elektrischen Gerät. Nein, von Hand mit der Sense. Ja mit so einem Ding, dass die Menschen früher benutzt haben, als es noch keine technischen Hilfsmittel gab. Anstrengend genug. Und das auch noch im Wettbewerb mit anderen Leuten. Na toll.

„Du solltest auch noch an dem Einführungskurs teilnehmen, bevor du dich noch verletzt oder so“, gibt mir die LKZ-Volontärin Elisa Wedekind noch mit auf den Weg. Gefährlich ist es also auch noch. Das wird ja immer besser. Aber erst einmal abwarten. Immerhin kann ich danach behaupten, tatsächlich mal mit einer Sense gearbeitet zu haben.

Das Ziel ist klar. Ich darf nicht Letzter werden. Als ich ankomme, ist erst mal keiner da außer einem älteren Herrn. Wolfgang Fritschi heißt er und ist der zweite Vorsitzende des OGV. Zum neunten Mal gibt es die Meisterschaften, erzählt er mir. Er leitet auch den Einführungskurs. „Keine Sorge, wenn man die Technik richtig beherrscht, kann man sich eigentlich nicht selbst verletzen“, versichert er. Na gut, er muss es ja wissen.

Nach und nach kommen auch noch ein paar andere Leute. Und die machen das freiwillig. Mit dabei ist auch ein junger Bursche. Ob das meine Chance ist, nicht Letzter zu werden? Zunächst gibt es aber Erklärungen zur Geschichte der Sense und zum Aufbau des Arbeitsgerätes. Was für uns Normalsterbliche ein Stock ist, ist für die Experten ein sogenannter Worb. Das Dengeln, also das Bearbeiten der Klinge, darf natürlich auch nicht fehlen.

Aber wie benutze ich das Ding jetzt eigentlich? Ich bin schon ganz aufgeregt, das Gerät endlich in den Händen zu halten. „Mit der richtigen Technik bewegt sich eigentlich nur die Schulter“, erklärt unser Lehrer. Füße fast parallel halten, Sense auf den Boden, nicht zu weit ausholen und immer im Halbkreis schneiden. Besonders wichtig: nur mit dem linken Arm arbeiten, der rechte bleibt stramm. Nach ein paar Schwüngen bekomme ich langsam ein Gefühl dafür. Auch mein Lehrer meint, dass das schon ganz gut aussehe. Na wenn sich das nicht gut anhört.

Jetzt aber: Wettkampfzeit! Ich kann nur viele alte Hasen ausmachen, die zumindest den Eindruck machen, schon lange dabei zu sein. Sogar einer der beiden Weiler Nachtwächter gibt sich die Ehre. In meiner Altersklasse sind lediglich zwei weitere „Athleten“ mit von der Partie. Ich bin als Erster an der Reihe. Toll, als blutiger Anfänger darf ich direkt die untere Messlatte vorgeben. Über das Mikrofon werden die Spielregeln erklärt. Immer zwei Teilnehmer treten gleichzeitig an. Eine Minute und 30 Sekunden hat jeder Zeit, um ein Stück hohes Gras zu mähen. Es gewinnt der Teilnehmer, dessen Mähgut am Ende das höchste Gewicht auf die Waage bringt.

Showtime: ich werde auf meine Bahn gerufen. Das Publikum applaudiert und spricht Mut zu – vor allem, nachdem der Kampfrichter erklärt, dass ich vor kurzer Zeit zum ersten Mal eine Sense in der Hand hatte. Fühlen sich so Sportler, bevor sie die Arena betreten. Ein bisschen Gänsehaut bekomme ich nämlich schon. Dann fällt der Startschuss. Der ist ein gepflegtes „Auf die Plätze, fertig, Määääääääh!“.

Also lege ich mal los und besinne mich auf die gelernten Techniken. Ich will den – nicht vorhandenen – Turbo auspacken und kämpfe mich durch das Gras. Allerdings habe ich das Gefühl, kaum voranzukommen. Abpfiff. Ich blicke auf die Wiese meines Gegners. Irgendwie sieht die viel leerer aus. Nachdem ich mein Mähgut mühselig mit einem Rechen und einer Mistgabel in eine Wanne verfrachtet habe wird gewogen. 18,5 Kilogramm. „Nicht schlecht“, denk ich mir noch – bis ich erfahre, dass mein Gegner zehn Kilo mehr zusammenbekommen hat. Aber immerhin.

Erschöpft gehe ich zu den restlichen Zuschauern. Ein anerkennendes Abklatschen von meinem Lehrmeister kann ich noch abgreifen. Anschließend schnellen die Zahlen bei jedem Teilnehmer in die Höhe. Erst 36 Kilo, dann sage und schreibe 50 Kilo. Alles kommentiert von Wettkampfrichter Fritschi. Mein halbvolles Feld zwischen den ganzen leeren anderen deprimiert mich ein wenig. Dann kommen die anderen Neulinge in meinem Alter. Einer bekommt auch 18,5 Kilo auf die Waage. Immerhin ein geteilter letzter Platz. Aber aus dem wird noch ein geteilter Vorletzter. Denn ein Teilnehmer schafft tatsächlich noch ein bisschen weniger als ich. Ziel erfüllt!

Platt, aber glücklich, genehmige ich mir einen Schluck Wasser. Der Weißherbst, den ich bei der Siegerehrung überreicht bekomme, wäre jetzt wohl eine zu gewagte Wahl. Schließlich muss ich ja noch Auto fahren. Dennoch: ich bin um eine tolle Erfahrung reicher. Außerdem habe ich das gute Gefühl, mein Ziel erreicht zu haben. Und noch wichtiger ist, dass ich unverletzt geblieben bin.