Die Preise steigen. Aber warum? Welche Konsequenzen ziehen die Rathäuser?

Weil der Stadt/Weissach - Gärtner müsste man sein. Das dürfte sich der ein oder andere Gemeinderat in Weissach gedacht haben, als er Ende Februar über die Außenanlagen der neuen Mensa zu entscheiden hatte. Das neue Gebäude für die Verpflegung der Ferdinand-Porsche-Gemeinschaftsschule wird derzeit errichtet. Für die Außenanlagen, den Schulhof und die Gärten waren 460 000 Euro eingeplant.

 

Beauftragt hat die Gemeinde jetzt eine Firma aus Freiberg am Neckar für 607 000 Euro – also 147 000 Euro mehr. Und das ist kein Einzelfall. Landauf, landab erleben das derzeit alle Gemeinderäte. Ob in Merklingen bei der Rathaus-Sanierung, ebenfalls in Merklingen beim Mensa-Neubau oder eben in Weissach – ebenfalls einem Mensa-Neubau. Dass die Baukosten explodieren, beobachtet auch Lidija Schwarz-Dalmatin, die Referentin für Planen und Bauen beim Gemeindetag Baden-Württemberg. „Es gibt zahlreiche Beispiele, bei denen die derzeitigen kommunalen Ausschreibungen 20 oder 30 Prozent über den Wert hinausgehen“, sagt sie.

Alle Arbeiten müssen ausgeschrieben werdne

Nur sehr widerwillig vergaben die Weissacher Räte die Außenarbeiten an die Freiberger Firma. Müssen wir das wirklich tun?, hagelte es die Fragen an die Verwaltung. Wenn wir die Arbeiten erst in einem Jahr machen –vielleicht ist es dann billiger? Sind wir da jetzt bloß Statisten?, wettert einer der Räte.

Zumindest die letzte Frage muss bejaht werden. Das hängt mit dem Verfahren zusammen, nach dem Städte und Gemeinden bei ihren Bauprojekten verfahren müssen, der „Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen“ (VOB). Vereinfacht gesagt: Die Bürgermeister oder Gemeinderäte dürfen den Auftrag für Arbeiten nicht einfach an den Handwerker ihres Vertrauens erteilen, gar günstige Konditionen aushandeln, sondern sie müssen alle Arbeiten ausschreiben. Also in Zeitungsannoncen oder auf Internetseiten um Angebote bitten.

Alle Firmen dürfen dann Angebote einreichen. Die Gemeinderäte müssen den Auftrag dann an den günstigsten Bieter erteilen. Ein gutes System, wenn der Markt funktioniert, es also genügend Angebote für die Nachfrage gibt. Dann sind die Firmen gezwungen, günstige Preise einzureichen – und die Kommunen sparen Geld.

„Wir müssen keine Kampfpreise einreichen“

Genau das sind die Firmen derzeit aber nicht, wie Erich Kindler bestätigt. In Rutesheim betreibt er eine Straßenbau-Firma. „Wir müssen keine Kampfpreise mehr einreichen“, sagt er. Es gebe derzeit genug Arbeit für die etwa zehn Firmen, mit denen er in der Region Leonberg konkurriert.

Noch bis vor etwa einem Jahr war das ganz anders, erzählt Kindler: „Da mussten wir mit härteren Bandagen kämpfen. Wer da ein Geschäft machen wollte, musste zu Tiefstpreisen abgeben, um an den Auftrag zu kommen.“ Die Zahl der Firmen ist gleich geblieben, die Aufträge werden aber mehr und mehr. Neubaugebiete entstehen, die günstigen Zinsen locken, die Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden sprudeln, was diese nutzen, um ihren Gebäudebestand zu sanieren oder neu zu bauen.

Es muss der günstigste Anbieter gewählt werden

Wozu das führen kann, zeigt ein Beispiel der Mensa in Merklingen. Auch hier sind es die Außenanlagen, die zur Diskussion im Weil der Städter Gemeinderat geführt haben. 390 000 Euro dürften diese kosten, hatten die Ingenieure vorher geschätzt. Neun Firmen forderten die Unterlagen bei der Stadt an, nur zwei gaben ein Angebot ab. Für 480 000 Euro werde man es machen, lautete das eine Angebot, gar 604 000 Euro verlangte eine andere Firma.

Die Gemeinderäte bekommen alle Angebote zwar vorgelegt, müssen aber laut VOB den günstigsten Anbieter auswählen – und vor allem: sie müssen den Auftrag erteilen. Einem Verzicht auf die ganze Maßnahme sind enge juristische Grenzen gesetzt. „Ich fühle mich da erpresst“, wetterte der Grünen-Stadtrat Wolfgang Fischer in der Sitzung im April. „Jede Familie, die baut, würde sagen: Jetzt warten wir ab, bis der Markt besser wird. 2008 hätten wir das für die Hälfte bekommen.“

Seitdem haben sich die Preise „normalisiert“, wie es der Bauunternehmer Erich Kindler formuliert. „Wir machen immer noch auskömmliche Preise“, betont er. Es gibt aber auch andere Firmen. Der für die Merklinger Mensa zuständige Ingenieur erzählte den Weiler Gemeinderäten, dass er auch mit dem Unternehmer gesprochen habe, der das 604 000 Euro-Angebot abgegeben hat. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich das Angebot bekomme. Aber wenn ich es zu diesem Preis bekomme, mache ich es natürlich“, habe der ihm gesagt.

Absprache mit den Baurechtsbehörden

Einem solchen Unternehmer ist möglicherweise die Gemeine Weissach aufgesessen. Denn für die Außenanlagen für deren Mensa hat nur ein einziger Unternehmer ein Angebot abgegeben, der jetzt 144 000 Euro mehr bekommt, als für die Maßnahme veranschlagt wurden.

„Die Gemeinden selbst können da wenig machen“, sagt Lidija Schwarz-Dalmatin vom baden-württembergischen Gemeindetag. Sie nennt einen weiteren Kostentreiber: Die komplizierten Baustandards, die etwa die Zahl der Fahrradplätze oder die Wärmedämmung vorschreiben. „Wir raten, dass die Gemeinden mit ihren Baurechtsbehörden absprechen, ob wirklich alle Standards notwendig sind“, sagt sie.

Weil der Stadt hat in der Zwischenzeit Konsequenzen gezogen. Für den Steinweg in Weil der Stadt und die Sonnenbergstraße in Schafhausen wollte sie eigentlich in diesen Tagen die Ausschreibungen veröffentlichen. „Wir prüfen, ob wir das jetzt erst im Herbst machen“, kündigt der Bürgermeister Thilo Schreiber an. Er hoffe dann auf niedrigere Preise im Tiefbau-Bereich. Die Sanierung der Straßen kommt dann eben etwa ein Jahr später.