200 Jahre Landesvermessung feiert der Landkreis mit einem Wanderweg.

Weil der Stadt - Wer Grundsteuern erheben will, muss erst einmal wissen, wie viel Grund und Boden überhaupt da ist. Das ist heute nicht anders als einst bei König Wilhelm I. von Württemberg, der 1818 – also vor genau 200 Jahren – per Dekret die Landesvermessung angeordnet hat, um eine präzise Grundlage für die einheitliche Besteuerung zu erhalten.

 

Es ging dabei nicht gleich um die Vermessung der Welt wie bei Alexander von Humboldt, aber immerhin um die exakte Vermessung seines Königreichs, das sich im Kontext der napoleonischen Kriege wundersam vergrößert hatte: auf gut das Doppelte seiner ursprünglichen Fläche.

In Frack und Zylinder

Damit schlug die Geburtsstunde der württembergischen Landesvermessung, und so schwärmten 500 Geometer in Frack und Zylinder samt Gehilfen aus, die Messinstrumente zu tragen hatten, und fertigten 15 572 Karten an, bis am 1. Juli 1840 die Arbeit abgeschlossen war und die Katasterbücher vorlagen.

Unter dem Titel „Ein Königreich wird vermessen“ wurde am Samstagnachmittag der neue Landesvermessungsweg bei Weil der Stadt eröffnet. Bei bestem Spätsommerwetter und blank geputztem Himmel haben sich etwa 80 Besucher am Ausgangspunkt Hermann-Schnaufer-Straße eingefunden, um mit Landrat Roland Bernhard, Weil der Stadts Bürgermeister Thilo Schreiber, dem Vermessungsamt und dem örtlichen Schwarzwaldverein im Steckental durch einen zauberhaften alten Buchenmischwald auf den Spuren der Geometer von vor 200 Jahren zu wandern.

Thilo Schreiber erklärt Weil der Stadt dabei zur „schönsten und geschichtsträchtigsten Stadt im Landkreis Böblingen“ und ist stolz, dass der Vater der württembergischen Landesvermessung Johann Gottlieb Friedrich Bohnenberger (1765-1831) aus der angrenzenden Nachbargemeinde Simmozheim stammt. Und irgendwie ist wohl auch Johannes Kepler an der astronomischen Vermessung beteiligt gewesen.

Der Nabel Württembergs

Bohnenberger hat von der Festung Hohentübingen die wissenschaftliche Vermessung Württembergs geleitet und praktischerweise den Nullpunkt für die Kartierung in sein hoch über der Stadt gelegenes Büro im Nordostturm gelegt – bis heute sind die Flurkarten auf diesen „Nabel“ Württembergs ausgerichtet (Tafel 2).

Karlheinz Schmidt vom Schwarzwaldverein berichtet über die „Stolpersteine“, die bei der Einrichtung des Landesvermessungswegs überwunden werden mussten: Erst führte der Weg über ein Privatgrundstück. Doch der Besitzer räumte ein Wegerecht ein. Und dann hat Sturmtief „Fabienne“ einen Haufen Holz auf den Weg geworfen. Aber der Schwarzwaldverein ist sturmerprobt, und so können die Besucher beim Anstieg zur Ostelsheimer Steige Wald, Wiesen- und Ackerlandschaft erwandern.

Der Weg erstreckt sich auf 7,7 Kilometer, bietet eine Wanderzeit von 2,5 Stunden und ist durchgehend gut beschildert. Auf acht Thementafeln, die der Merklinger Grafiker Peter Schüle anschaulich und liebevoll gestaltet hat, ist die Entwicklung der Landesvermessung dokumentiert. Man sieht eine Urkarte von Weil der Stadt von 1831, die in Steindruck vervielfältigt worden ist, historische Grenzsteine und Bilder von historischen Vermessungsinstrumenten – Präzision war stets oberstes Gebot. „Verirren“, erfährt man bei der Führung, „kann sich ein Geometer nicht – er erkundet die Landschaft.“

Drohnen haben Einzug gehalten

Die Geometer sind heute längst nicht mehr mit Visierstäben, Winkelkreuz und Messketten im Unterholz unterwegs: Satellit und Drohnen haben auch hier inzwischen Einzug gehalten. Aus vielen verschiedenen Bildern wird ein 3D-Modell berechnet, in dem alle weiteren Vermessungen vorgenommen werden. Auch Karten sind überholt – in geografischen Info-Systemen (GIS) werden alle Daten mit Raumbezug angezeigt, analysiert und vorgehalten. Aber das ist höhere Geodäsie.

Und wer hat’s erfunden? Klaus Erb hatte die Projektleitung – und darf sich jetzt auf eine Ideenprämie freuen. Dem Landesvermessungsweg sind zahlreiche Besucher zu wünschen. Zirkel und Lineal zur Vermessung sind nicht unbedingt erforderlich.