Steffi R. Cramer greift die Formensprache der Löcher raupenzerfressener Blätter auf und setzt diese künstlerisch um. Sie stellt ihre Arbeiten seit Sonntag im Merklinger Steinhaus aus.

Weil der Stadt - So präzise, wie die gelernte Porträt-Fotografin die Natur beobachtet und dann in vielfältigen Techniken und Stilen künstlerisch umsetzt, so präzise befestigt die 63-jährige freischaffende Künstlerin den letzten Teil einer Installation im Merklinger Steinhaus an der Kirchenburg.

 

Seit Sonntag zeigt das Weiler Kunstforum die Ausstellung „Geschmacks-Muster & Häutungen“. Dabei nimmt die Künstlerin den oft auf Patente reduzierten Begriff des Geschmacksmusters wörtlich: „Ich meine damit das Geschmacks-Muster, das Raupen an Blättern fressen“, erklärt sie. Die schier unbegrenzte Formensprache der Fraßspuren, also der Löcher in Blättern, das sei für etliche der gezeigten Arbeiten ihre Inspirationsquelle gewesen.

Steffi R. Cramer zeigt in der Werkschau ihre Gedanken in unterschiedlichen Facetten, Medien und Techniken auf allen drei Ebenen des Steinhauses. In ihren Arbeiten kombiniert sie Fotografie, Drucktechniken, Malerei, Spraypaint und Installation. Seit 1994 arbeitet Steffi R. Cramer im eigenen Atelier in Weil der Stadt. Davor war sie im Atelier von Professor Hanns Lohrer, der die große Stauferausstellung in Stuttgart initiierte, als Fotografin angestellt. Außerdem, erklärt Cramer, „zieht sich der Umweltschutzgedanke durch mein ganzes Leben und Werk“.

Installation zum Bienensterben im Obergeschoss

Die Installation im zweiten Obergeschoss zeigt drei riesige, halbtransparente und senkrecht von der Decke baumelnde Insektenflügel. Auf dem Boden darunter liegen verteilt 300 weitere kleinere Flügel, wie die großen aus doppelwandig gewachstem Seidenpapier, die Struktur angedeutet mit eingestanzten Löchern. „Ich will damit das Bienensterben aufgreifen“, erklärt sie.

Und so schließt sich der Kreis der Ausstellung, die im Erdgeschoss beginnt. Dort dominieren Naturfarben, die sich harmonisch in das Ambiente des alten Gebäudes mit seinen derben Holzböden, den schweren Balken und dem nahezu fensterlosen Mauerwerk einfügen. Tusche, Acryl, Holzdruck, Folie und geschnittener Röntgenfilm – die Künstlerin experimentiert mit den unterschiedlichsten Materialien. Immer wieder hat sie Formen aus den Geschmacks-Mustern der Blätter herausgegriffen und abstrahiert. Das Braun stammt aus Erde vom Acker, die Gelbtöne sind mit Löwenzahnblüten auf das Papier gerieben. Formen hat die Künstlerin mit verkohlten Stücken eines Astes aufgebracht.

Eine gänzlich andere Stimmung zeigt sich im ersten Obergeschoss. Hier ist es hell, der Raum hat viele Fenster. Die Farben der teils großformatigen Bilder in Acryltechnik und Spraypaint auf Papier und der erneut aus Geschmacks-Mustern inspirierten, monochromen Skulpturen aus Hartfaserplatten leuchten in Orange, Grün und Blau. Der Aufbau der Bilder ist diffizil: So bildet die Basis eines der Werke beispielsweise der Kokon einer Raupe in Gelb, darüber ein Geschmacks-Muster in Violett und zudem angedeutet die Strukturen eines Schmetterlingsflügels. In allen Werken finden sich organische Formen.

Extrem dünne Häute von Früchten als Motiv

Auf der dritten Ebene der Schau schließlich sind die schon im Ausstellungstitel bezeichneten „Häutungen“ zu sehen. Es ist die extrem dünn geschnittene Haut von Früchten, welche die Künstlerin im Durchlicht fotografiert und vergrößert hat. „Die hauchdünn mit dem Skalpell abgeschälte Haut eines Pfirsichs, einer Mandarine und auch einer Kirsche zeigt gegen das Licht gehalten ganz typische und wunderschöne Strukturen“, erklärt Cramer. Dabei wirken die „Häutungen“, wie die der orangegelben Aprikose mit ihren gelben Punkten, durch die vergrößerten und halbtransparenten Ausschnitte wie völlig freie Kunstwerke.