Weinbau mit der Volkshochschule Weiden-Knoten nach alter Väter Sitte

Claus Mannschreck befestigt den Trieb einer Rebe an einem Draht. Foto: Gottfried Stoppel

Beim zweiten Termin des Weinbau-Lehrgangs „Remstal-Winzer für ein Jahr“ geht es ums Anbinden der Triebe – und die diversen Erziehungsformen, mit denen Weinbaubetriebe wirtschaftlicher arbeiten wollen.

Rems-Murr: Sascha Schmierer (sas)

Ein leises Knacken ist zu hören, wenn Claus Mannschreck den Trieb mit festen Fingern in die richtige Richtung drückt. Fast scheint sich das einjährige Holz gegen die Kehrtwende zu wehren. Doch statt in die Höhe zu schießen soll die Reben entlang des Bindedrahts talwärts wachsen – da ist mehr als nur gutes Zureden nötig.

 

Mit geübtem Griff wickelt der Wengerter aus Strümpfelbach den Trieb um den in Hüfthöhe gespannten Draht. „Jetzt müssen wir vorsichtig sein, sonst fatzen sie ab“, erklärt er den wissensdurstig um ihn stehenden Teilnehmern des Weinbaulehrgangs mit Blick auf die bereits vorlaut die ersten Blättchen reckenden Triebspitzen. Ohne neue Triebe gibt’s im Herbst auch keine Trauben, und ohne Trauben keinen Wein.

Die Reben sind dieses Jahr drei Wochen zu früh dran

Dass die Reben bereits Mitte April zu sprießen beginnen, ist ein Novum. Die Pflanzen sind deutlich weiter entwickelt als in Normaljahren, die fast sommerlichen Temperaturen haben den Weinreben einen unverhofften Wachstumsschub beschert. Eigentlich stellt sich das sogenannte Drei-Blatt-Stadium erst drei bis vier Wochen später ein. Für die Wengerter im Remstal heißt das, dass sie schon jetzt zum Pflanzenschutz ausrücken müssen. „So früh haben wir noch nie angefangen“, gibt Claus Mannschreck zu. Doch ohne Spritzmittel gegen die Pilzkrankheiten Peronospora und Mehltau geht es bei den klassischen Rebsorten nicht.

Mitgebracht in den Weinberg am Skulpturenpfad mit den 48 Figuren der Künstlerfamilie Nuss hat Mannschreck ein Bündel Weidenruten. Das unter Moos frisch und biegsam gehaltene Naturmaterial dient für den Anschauungsunterricht, wie die Triebe nach alter Väter Sitte angebunden wurden. Drüberlegen, rumschlingen, ein scharfer Knick und ein bis zwei Wicklungen – fertig ist der Bio-Knoten. Der Weinstädter macht vor, wie es geht, die weinbautechnischen Frischlinge seines Volkshochschulkurses dürfen sich ebenfalls am Binden mit den Weidenruten versuchen. Und siehe da: Nach ein, zwei Tests geht das schon erstaunlich leicht von der Hand – auch wenn zumindest ein Teilnehmer versucht ist, die Wicklung mit einem Extraknoten zu sichern.

Das Anbinden geht deutlich flotter von der Hand als der Rebschnitt

Andere greifen bei der Arbeit am Weg zur Huschenburg lieber zu den Drahtschlingen, die Mannschreck ebenfalls zum Lehrgang mitgebracht hat. Gemeinsam mit seiner Frau Martina, einer ausgebildeten Weinerlebnisführerin, bietet Mannschreck in Kooperation mit der Volkshochschule Unteres Remstal erstmals einen Kurs an,bei dem weinbautechnische Laien den Profis mehr als nur ein wenig über die Schulter blicken sollen. Bei zehn Terminen werden von der Laubarbeit bis zur Lese alle Arbeiten im Jahresverlauf vorgestellt – und zwar nicht nur in grauer Theorie, sondern tatsächlich mit der Hand am Arm beim Arbeiten im Weinberg.

Beim Auftakttermin vor fast fünf Wochen hat das Schneiden der Rebstöcke den Start in die Saison eingeläutet, jetzt steht das Anbinden der damals verschonten Triebe auf dem Programm. Das geht deutlich flotter von der Hand als die Entscheidungsfindung, welcher Trieb der Rebschere nun zum Opfer fallen soll und an welchem üppige Trauben wachsen dürfen. Jedenfalls sind die 14 Teilnehmer nach nicht mal einer Stunde mit den 450 Rebstöcken durch. Vielleicht wegen der guten Vorarbeit, vielleicht auch, weil die Weinbau-Novizen nicht noch einmal mit der Schmach leben wollen, mit der Arbeit am Rebhang nicht bis zum Einbruch der Dunkelheit fertig geworden zu sein.

Mit dem Klimawandel könnten auch neue Anbautechniken sinnvoll werden

Weil noch Zeit bleibt beim Bindetermin, machen Martina und Claus Mannschreck mit ihren Schäfchen eine kleine Exkursion. An Weinbergen in der Nähe wird gezeigt, wie die Wengerter im Remstal mit neuen Anbaumethoden experimentieren. Mannschreck selbst versucht sich bei einem mit Regent bepflanzten Streifen beispielsweise mit der sogenannten Umkehr-Erziehung, bei dem die Triebe teilweise nach unten wachsen. Ein Kollege hat bei einem Riesling-Weinberg einen Praxistest laufen, wie sich ein stark an Spalierobst erinnernder Schnitt aufs Wachstum auswirkt. Hintergrund der Suche ist nicht nur, dass sich mit dem Klimawandel auch Anbautechniken durchsetzen könnten, die bisher nur aus Südeuropa bekannt sind. Die Wengerter sind auch auf der Suche nach einem Rebschnitt, der sich später bei der Laubarbeit zeitsparend auswirkt. Wer vom Weinbau leben will, muss schließlich auch an die Wirtschaftlichkeit denken.

Remstal-Winzer für ein Jahr

Seminar
 Bei dem in Kooperation mit der Volkshochschule Unteres Remstal veranstalteten Kurs „Remstal-Winzer für ein Jahr“ werden weinbautechnische Newcomer in die Arbeit im Weinberg eingeführt. Das Programm reicht vom Rebschnitt über Laubarbeit und Bodenbearbeitung bis zur Lese.

Serie
 Unsere Redaktion begleitet den Lehrgang bis zum Abschluss im Oktober. Beim nächsten Termin wird es Anfang Mai um die Bodenbearbeitung und die Neuanlage von Rebflächen gehen.

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