Steillagen sind schwer zu bewirtschaften – und werden zunehmend unrentabel, wenn künftig Helikopter als Unterstützung bei der Pilzbekämpfung ausfallen, befürchten viele Winzer. Die Fachbehörde will aber die Gewässer schützen.

Kreis Ludwigsburg - Die Steillagen des württembergischen Weinbaus weisen Parallelen zu Tante-Emma-Läden auf: Alle finden sie prima – aber irgendwie sind sie immer weniger rentabel. „Die Bewirtschaftung der Steilhänge lohnt sich schon heute kaum noch“, sagt Albrecht Fischer, der Sprecher der Wengerter im Bezirk Stromberg-Enztal. Eine neue Vorschrift des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) könne deshalb der sprichwörtliche Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt: „Dann hätten die Wengerter an Enz und Neckar keine Chance mehr“, ist Fischer überzeugt.

 

Im Kern richtet sich seine Kritik dagegen, dass die Wengerter neuerdings Hubschrauber kaum noch als Unterstützung bei der Pilzbekämpfung einsetzen dürfen. Dahinter steckt eine verschärfte Genehmigungspraxis des BVL. Bislang mussten Helikopter bei Spritzmittel-Einsätzen mindestens 20 Meter Abstand zu Flüssen halten. Jetzt sind es 50 Meter, unter Umständen können es sogar 100 Meter sein. Da aber die Steillagen naturgemäß in aller Regel sehr nah an Flüssen wie Neckar oder Enz liegen, „geht diese Regelung zu Lasten der Terrassen“, erklärt Albrecht Fischer.

„Wirtschaftliches Arbeiten wird unmöglich gemacht“

Immerhin weiß der Weinbauer aus dem Vaihinger Stadtteil Gündelbach, dass er nicht allein ist. Wengerter aus Heilbronn, dem Bereich Stromberg-Zabergäu, den Felsengärten bei Besigheim, Marbach und Lauffen wenden sich in einer gemeinsamen Resolution gegen die verschärften Regeln. „Eine wirtschaftliche Arbeitsweise wird damit in vielen Bereichen faktisch unmöglich gemacht“, heißt es dort.

Das zuständige Bundesamt sieht sich dabei allerdings weniger in der Rolle des Steillagen-Feindes – vielmehr gehe es darum, Gewässer vor Schadstoffen zu schützen. Generell sind Helikopter für Spritzmittel-Feldzüge seit 2012 verboten. Strittig ist nur noch, in welchen Fällen die Behörden Ausnahmen genehmigen dürfen. „Bei einigen Spritzmitteln sind größere Abstände nötig, um auch bei kleinen Gewässern einen ausreichenden Schutz der darin vorkommenden Lebewesen zu gewährleisten“, teilt die Ministeriumssprecherin Nina Banspach mit.

Für die Praktiker seien diese Schutzbestimmungen ein gravierendes Problem, sagt der Weinbauberater Lothar Neumann. „Ohne den Pflanzenschutz funktioniert es definitiv nicht“, erläutert der Fachmann, der im Landratsamt Heilbronn sitzt und auch für den Nordwesten der Region Stuttgart zuständig ist.

„Jede Unterstützung ist wichtig“

Schon heute gebe es bei Einsätzen zum Schutz der Reben vor echtem und falschem Mehltau Probleme mit den Abstandsvorschriften. Von Mitte Mai bis Anfang August seien die Helikopter bislang im Einsatz gewesen, um die Wengerter bei der Arbeit zu entlasten. „Jede Unterstützung ist in den arbeitsintensiven Steillagen wichtig“, sagt Neumann. Bereits jetzt kämen die Winzer nicht ohne Schlauch oder Rückenspraygerät aus und müssten mehrmals zu Fuß die Terrassen erklimmen. „Wer die Hänge ein bisschen kennt, weiß, wie mühevoll das ist.“ Laut Neumann ist eine Weinwirtschaft frei von Spritzmittel hier die absolute Ausnahme. „Wer will, dass die Terrassen überleben, muss eine Lösung suchen.“

Schon seit geraumer Zeit sehen die Wengerter die rund 800 Hektar Steillagen im Weinbaugebiet Württemberg – fast die Hälfte davon liegt im Landkreis Ludwigsburg – in existenzieller Not. Vor knapp einem Jahr hatten die Wengerter und der Landkreistag Baden-Württemberg deshalb bereits eine Resolution ans Land gerichtet: die Regierung möge den Steillagenweinbau finanziell fördern. Bislang hat der Appell noch keine durchschlagende politische Wirkung erzielt – von lokalen Initiativen abgesehen. So haben sieben Kommunen rund um Besigheim und die dort ansässige Felsengartenkellerei einen Fördertopf für Terrassenweinbau ins Leben gerufen. Das Volumen: 90 000 Euro.