Weil einem von den Taliban gef olterten Afghanen die Abschiebung droht, schreibt Barbara Mansperger an Innenminister Thomas Strobl.

Waiblingen - Einem Arzt aus Afghanistan droht die Abschiebung, obwohl er dort einst von Taliban entführt und gefoltert wurde. Der Freundeskreis Asyl in Weinstadt kritisiert in diesem Zusammenhang vor allem eine nicht nachvollziehbare und fragwürdige Entscheidungspraxis beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Barbara Mansperger, die in Weinstadt unter anderem beim ehrenamtlichen Deutschunterricht für Flüchtlinge aktiv ist, hat jetzt einen Brief an den Innenminister des Landes Baden-Württemberg, Thomas Strobl, geschrieben. Mit der dringenden Bitte, „sich um die Art und Weise zu kümmern, wie die Entscheider vorgehen“.

 

Bilder belegen die Folterungen des afghanischen Arztes durch Taliban

Dokumente, Fotos und die eigenen Berichte des ganz passabel Englisch sprechenden Arztes belegten im Fall des 33-jährigen Kared Jusufi (Name geändert) ganz eindeutig, dass ihm im Fall einer Abschiebung in Afghanistan große Gefahr drohen würde, möglicherweise wieder Folter oder gar der Tod. Gerade seine Tätigkeit als Arzt für in Afghanistan aktive ausländische Organisationen hat den Mann offenbar ins Visier der islamistischen Terror-Miliz Taliban gebracht. Schließlich wurde er – Bilder und Dokumente belegen dies – gekidnappt und gefoltert. Mit einem simulierten Hinrichtungsszenario in Bild und Ton sind offenbar Angehörige zu hohen Lösegeldzahlungen gezwungen worden.

Nach der Flucht aus der Heimat über die Türkei und Griechenland sei, so berichten die Unterstützer in Weinstadt, trotz der drohenden Todesgefahr im Heimatland sein Asylantrag in kürzester Zeit und ohne Begründung abgelehnt worden. Sollte der momentan noch partiell geltende Abschiebestopp nach Afghanistan enden, dann drohe dem Mann die Zwangsrückkehr dorthin, von wo er im vergangenen Jahr vor Folter und Lebensgefahr geflohen war. Der erste Abschiebungsflug nach der zeitweisen Aussetzung in der vergangenen Woche verstärkt natürlich die Befürchtungen im Fall des gefolterten Arztes.

Beim Freundeskreis Asyl herrscht im Fall des Kared Jusufi vor allem großes Unverständnis über die Oberflächlichkeit bei der Beurteilung durch den zuständigen Entscheider. Die Anhörung für den Mann, der zum Jahresende des vergangenen Jahres in Deutschland angekommen war, hatte bereits nach kürzester Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung stattgefunden. Als er Anfang Mai in der Weinstädter Unterkunft ankam, war schon der Abschiebebescheid eingegangen. Dies alles trotz der vom Bundesinnenminister zugesagten intensiven Einzelfallprüfung.

Appell an den Minister: „Prüfen Sie, wie die Entscheider vorgehen“

Für eine solche sachgerechte und intensive Prüfung möge nun der Innenminister des Landes sorgen, fordert Barbara Mansperger in ihrem Brief. „Die Erzählungen, Fotos und Videos der Afghanen sind das Härteste und Verstörendste, was ich bei meiner Tätigkeit gesehen habe“, berichtet die Asylbewerber-Betreuerin dabei. Sie verweist auch auf die Flüchtlingspolitik des Bundesinnenministeriums, die ausdrücklich betone, dass eine Abschiebung dann verboten sei, wenn dem Betreffenden im Zielstaat Folter, unmenschliche Strafen oder andere Gefahren drohten. Manspergers Appell: „Das Beispiel des afghanischen Arztes ist nur eines von mehreren, von denen wir Kenntnis erhalten haben. Es geht mir in erster Linie um die – zumindest in einigen Fällen – fragwürdige Entscheidungspraxis beim BAMF, und ich bitte Sie herzlich, sich darum zu kümmern, wie die Entscheider vorgehen.“