Bisher noch nie öffentlich gezeigte Funde von einem römischen Gutshof unterhalb des heutigen Endersbacher Bahnhofs sind zurzeit in der Heimatstuben-Ausstellung „Römer, Kelten und Germanen“ in der Schulstraße in Endersbach zu sehen.

Weinstadt - Dramatisches muss sich im Jahr 259 nach Christus auf dem römischen Gutshof abgespielt haben, der ein Stück unterhalb des heutigen Endersbacher Bahnhofes stand. Davon zeugen jedenfalls Fundstücke aus der Zeit, wie etwa zerborstene Amphoren, die derzeit in der Sonderausstellung „Römer, Kelten und Germanen“ in der Heimatstube Endersbach zu sehen sind.

 

„Normalerweise zerbrechen Amphoren in große Scherben“, erklärt der Kurator Thomas Schlipf, „doch diese hier sind förmlich explodiert.“ Offenbar habe ein Feuer das in den Gefäßen aufbewahrt Öl so stark erhitzt bis diese zersprungen sind. Darauf deuteten auch Brandspuren auf den Splittern hin. Alles spreche dafür, dass der Gutshof, eine der letzten römischen Ansiedlungen in der Region überhaupt, einem Angriff von Alamannen zum Opfer fiel. Das römische Militär habe sich zu dieser Zeit längst bis zum Rhein wieder zurückgezogen, das Gebiet aufgegeben.

Thomas Schlipfs Vater Hermann hat die Exponate der Ausstellung, wie so viele Fundstücke aus vergangenen Jahrtausenden, im Laufe seines Lebens zusammengetragen. Eigentlich war er Goldschmied. Doch von 1950 an war er auch ehrenamtlich für die Landesdenkmalpflege als Archäologe tätig – bis zu seinem Tod im Jahr 2005. Um die Sammlung, die er hinterlassen hat, kümmert sich nun sein Sohn Thomas, der auch die Leidenschaft für die Archäologie von seinem Vater geerbt hat.

Bereits als Kind begleitete er ihn bei Ausgrabungen, lernte zunächst jedoch ebenfalls Goldschmied. Aber auch ihn ließ die Archäologie nicht los. Heute ist Thomas Schlipf in Rottweil Technischer Grabungsleiter des Landesdenkmalamtes. Die älteste Stadt Baden-Württembergs wurde zur Stauferzeit auf dem Gelände einer früheren römischen Siedlung errichtet und ist daher eine Schatzgrube für antike Funde.

Normalerweise wird die umfangreiche Sammlung Hermann Schlipfs nicht öffentlich gezeigt. Doch gemeinsam mit dem Stadtarchivar Bernd Breyvogel organisiert Thomas Schlipf seit 2011 eine Ausstellungsreihe, in der Teile der Sammlung epochenweise präsentiert werden. So waren in den vergangenen Jahren steinzeitliche Funde in der Heimatstube ausgestellt. Nach der aktuellen Schau „Kelten, Römer und Germanen“, die noch bis Ende kommenden Jahres dauert, sollen bei der darauffolgenden das Mittelalter und die Alamannen Thema sein. Das Ziel der beiden Ausstellungsmacher: „Wir wollen weltgeschichtliche Epochen, die jeder kennt, auf die lokale Ebene herunterbrechen“, erklärt Breyvogel. „So wollen wir den Menschen bewusst machen, dass all das auch hier in Weinstadt stattgefunden hat.“

Im Fall des niedergebrannten Gutshofes lasse sich sogar das Ende einer Epoche an einem konkreten Ereignis nachvollziehen. So dramatisch dieses für die damaligen Hofbewohner war, für die Archäologie sind die Überreste eine Fundgrube. Offenbar seien die Menschen von dem Überfall der Alamannen überrascht worden, meint Thomas Schlipf. Denn bei der Ausgrabung seines Vaters kamen auch Wertgegenstände zu Tage, welche die Bewohner auf eine geplante Flucht sichermitgenommen hätte, etwa eine aufwendig mit Ornamenten verzierte silberne Brosche und Ringe. Den Originalzustand von Letzteren hat Schlipfs Vater – ganz Goldschmied – rekonstruiert und Nachbildungen gefertigt.

Da das Gebäude bei dem Brand zusammenstürzte und die Wertsachen im Kellergewölbe unter sich begrub, blieben sie von Plünderungen verschont und so der Nachwelt erhalten, wie auch viele weitere Haushaltsgegenstände von damals: Werkzeuge, Messer, ein Schminkstein . . . und ein Geweihstück mit abgeschnittener Rosette. „Aus solchen Rosetten hat man Amulette gefertigt. Sie vom Geweih abzutrennen, war vermutlich die letzte Tätigkeit der Bewohner vor dem Überfall“, erläutert Schlipf. Diese Vorstellung lässt einen als Ausstellungsbesucher erschauern und man sieht die Alamannen-Horde vor sich, die der unbekannte Amulettmacher, als er von seiner Tätigkeit auf und aus einem Fenster blickte, womöglich heranjagen sah.