Auf der Welt-Nuklear-Ausstellung in Paris feiern sich die Bosse der Atombranche. Die Energiewende ist für sie kein Thema. Solange die Regierungen mitspielen.

Paris - Vielleicht hat es sich noch nicht herumgesprochen. Am Dienstagabend hat Frankreichs Nationalversammlung das Gesetz zur Energiewende verabschiedet. Hier draußen vor den Toren von Paris, wo Frankreichs Atombranche bis Donnerstag auf dem Messegelände Le Bourget die „Welt-Nuklear-Ausstellung“ ausrichtet, ist die Energiewende jedenfalls kein Thema. Weniger Atomstrom, Reaktoren stilllegen? Der Atomkonzern Areva und der Stromversorger EdF, beide staatsnahe Garanten der Energieversorgung des Landes, haben anderes im Sinn. 58 Reaktoren decken 75 Prozent des französischen Strombedarfs – dabei soll es bleiben. Weltweit winkt sogar Wachstum.

 

Gérard Kottmann, Vorsitzender des Verbands exportorientierter französischer Nuklearindustrieller (Aifen), erklimmt das Podium der Messehalle, heißt 495 Aussteller und 7000 Besucher willkommen, stimmt sie ein auf rosige Zeiten. Weltweit seien 430 Atomkraftwerke in Betrieb und 70 im Bau. Von sieben Milliarden Menschen habe eine Milliarde keinen Strom, weitere fünf Milliarden seien unterversorgt. Es folgt der Hinweis auf die Klimafreundlichkeit der Atomenergie. Die Menschheit und die Atomkraft würden noch enger zusammenrücken, prophezeit Kottmann. Beifall brandet auf. Euphorisch vorwärtsdrängende Klänge füllen den Saal.

Ein Video zeigt französische Atommeiler vor idyllischer Landschaft. Hier ein alter Leuchtturm, da ein neuer Kühlturm – beides wunderschön, lautet die Botschaft. Das Atomkraftwerk Fessenheim, das älteste von allen, beschließt den Bilderreigen. Im Hintergrund glitzert der Rhein. Dass Staatschef François Hollande versprochen hat, das Atomkraftwerk bis Ende 2016 stillzulegen, bevor er sich dann in Schweigen hüllte und seine Umweltministerin und frühere Lebensgefährtin, Ségolène Royal, laut über Alternativen nachdenken ließ – in Le Bourget ist auch das kein Thema.

Bis 2025 soll der Atomstromanteil auf 50 Prozent sinken

Chinas AKW-Hersteller CNFC illustriert das Potenzial seines Landes mit einer Landkarte, die einen mit Reaktoren bestückten Küstenstreifen ausweist und ein mindestens 20-mal so großes, unerschlossenes Hinterland. Russlands Rosatom hat zur Auflockerung des Atomaren Singvögel- und Eichhörnchenplakate aufgehängt. Aber auch in Frankreich sieht es für die Branche nicht so düster aus, wie das Energiewendegesetz glauben machen könnte. Gewiss, Artikel eins des Regelwerks greift das Verspechen Hollandes auf, wonach der Anteil des Atomstroms bis 2025 von 75 auf 50 Prozent sinken soll. Weiter hinten im Text ist dann aber zu erfahren, dass die Atomstromproduktion nicht sinken muss. Festgeschrieben ist dort lediglich, dass die derzeitige Produktion von 63,2 Gigawatt nicht überschritten werden darf. Umweltministerin Royal nennt dies „einen Sockel“, der in einem Energiemix garantiert sei.

Man kann auf der Messe auch für den GAU einkaufen. Foto: AFP

„Ein Gesetz, von dem es heißt, dass es mit dem Quasimonopol des Atomstroms Schluss macht, schreibt dieses in Wirklichkeit fest“, stellt Pierre Le Hir ernüchtert fest, Wissenschaftsjournalist der Zeitung „Le Monde“.  Die Atomlobby scheint ganze Arbeit geleistet zu haben. Ex-Umweltministerin Delphine Batho, die nach Kritik an Einsparungen in ihrem Ressort 2013 den Hut nehmen musste, beklagt ein „Begräbnis erster Klasse“. Anfang Oktober hatte die sozialistische Abgeordnete ein Buch über den Einfluss von Interessengruppen veröffentlicht. Anstatt dass der mit 84,5 Prozent an EdF beteiligte Staat dem Stromversorger den Weg weise, scheine der EdF-Chef Henri Proglio dem Staat zu sagen, wo es langgehe. Aber vielleicht bedurfte es ja auch keines Drucks.