Heiderose Berroth ist ein Urgestein der Renninger Lokalpolitik. Im Jahr 1994 gründete sie die Gruppierung „Frauen für Renningen“, die mit dafür verantwortlich ist, dass Renningen im Altkreis prozentual die meisten Frauen im Gemeinderat hat. Von 1996 bis 2011 war sie für die FDP im Landtag. Seit 2014 sitzt sie im Kreistag.

 
Frau Berroth, haben sie in ihrer politischen Laufbahn schon persönlich Erfahrungen mit Sexismus gemacht?
Da gab es früher schon die eine oder andere Situation. Einmal bin ich im Landtag danach in mein Büro gegangen und habe ein Plakat gefertigt: „Die Würde des Menschen ist unantastbar – Artikel 1 Grundgesetz“ und wollte es an meine Tür hängen. Ich hab mich dann aber doch dagegen entschieden. Mittlerweile habe ich mir aber einen Ruf erarbeitet, man(n) weiß, dass ich Kontra gebe.
„Wer ein bisschen Druck ausübt, erreicht Foto: factum/Bach
Woran liegt es, dass nur 24 Prozent der Ratssitze im Altkreis an Frauen gehen?
Zum einen bekommen Frauen deutlich weniger Stimmen. Zum anderen kandidieren auch weniger Frauen. Ich glaube, das liegt daran, dass junge Frauen heute bis zu einem bestimmten Zeitpunkt weitgehend gleichberechtigt leben. Sie interessieren sich daher nicht so sehr für Frauenpolitik. Wenn sie dann irgendwann merken, dass es immer noch viel zu tun gibt, sind sie in der Familienphase zu sehr mit anderem beschäftigt. Manche haben auch Angst vor Vorurteilen. Daran müssen wir arbeiten!
Wie soll das konkret aussehen?
Als wir die „Frauen für Renningen“ gegründet haben und für den Gemeinderat kandidierten, hat das auch die anderen Parteien animiert, ihren Frauen bessere Listenplätze zu geben. Wer ein bisschen Druck ausübt, erreicht auch etwas! Aktuell haben wir im Landkreis Böblingen die parteiübergreifende Initiative „Frida – Frauen in die Parlamente!“ gegründet. Wir kommen damit in verschiedene Städte, um interessierte Frauen über kommunale Arbeit zu informieren. So wollen wir zeigen, dass der Schritt zur Kandidatur gar nicht so schlimm ist und dass frau wirklich etwas bewegen kann.
Wo sehen sie heutzutage die größten Probleme?
Die ganz großen Probleme gibt es zum Glück nicht mehr. Aber nach wie vor gelten Themen, die Männer seit Jahrhunderten bearbeiten, als wichtiger. Männer kümmern sich gerne ums Bauen, der Betrieb von Jugendhaus und Kindergarten werden jedoch als ‚Lasten‘ gesehen. Wir sollten aber nicht mehr in Männer- und Frauenthemen denken und uns immer um die gleichen Ideen drehen. Wir Frauen müssen unsere Erfahrungen auch in so genannte Männerbereiche einbringen.
Was wünschen sie sich in Zukunft für den Kampf für Gleichberechtigung?
Wer aufhört zu schwimmen, wird im Fluss abgetrieben! Deswegen müssen wir Frauen weiterhin für unsere Rechte einstehen. Wir müssen beispielsweise an unserer Sprache arbeiten. Es gibt keinen Satz, der mich mehr aufregt, als „Zur Vereinfachung haben wir nur die männliche Form gewählt, meinen damit aber auch Frauen“. Das liest man oft, aber keine/r schreibt seinen nächsten Text dann zum Ausgleich nur in der weiblichen Form. Auch wären die Frauen für Renningen nicht mehr nötig, wenn die Hälfte der Ratssitze an Frauen ginge. Ich hoffe, dass das nicht mehr allzu lange dauert. So verwundert wie heute manche Enkel ihre Großeltern fragen: „Oma, wie seid ihr denn damals ins Internet gekommen, so ohne Computer?“ sollten Enkel einmal über die frühere Ungleichbehandlung von Frauen sprechen.