Drei Brennstoffzellenautos sind derzeit unterwegs auf einer Tour um die Welt. Wir waren dabei.

Bis auf die grelle gelbe Lackierung schauen die drei Mercedes B-Klassen, die da in einem Industriegebiet vor den Toren der Stadt Lyon stehen, aus wie jedes andere Modell der Baureihe. Doch ihr besonderer Charakter offenbart sich beim Drehen des Zündschlüssels. Es erklingt lediglich ein Summen, das vom Start eines elektrischen Systems kündet – mehr nicht. Den Schalthebel auf die Position D geschoben, ein leichter Druck auf das Gaspedal, und schon setzt sich der Wagen nahezu lautlos in Bewegung. Der 100 kW (136 PS) starke Elektromotor surrt, und in einer schematischen Darstellung im Display auf der Mittelkonsole wandern weiße Kügelchen zu grünen Kügelchen – sie symbolisieren die Arbeit der Brennstoffzelle im Heck.

 

Schon nach wenigen Kilometern ist die Autobahn erreicht. "Wir fahren im Konvoi", hatte Projektleiter Arwed Niestroj den Insassen der drei Autos angekündigt. Der Mann ist vorsichtig geworden, nachdem gleich zu Beginn des F-Cell World Drive amerikanische und chinesische Journalisten auf der ersten Etappe vor lauter Freude über die "German Highspeed Autobahn" die Tanks der Brennstoffzellenautos viel zu schnell leer gesaugt haben. 3,8 Kilogramm Wasserstoff zeigt das Reservoir unserer B-Klasse an, damit sollte das Auto laut Bordcomputer direkt nach dem Start am Morgen 320 Kilometer weit kommen. Bis zum Zwischenziel in Nîmes sind es 270 Kilometer – das sollte also klappen.

Mit Tempo 100 bis 110 km/h gleiten die drei Autos abgasfrei gen Süden über die A7. Am Heck sind immer mal wieder weiße Wolken zu sehen, es ist der Wasserdampf, den die Brennstoffzelle als Abfallprodukt aus dem Auspuff entweichen lässt. Bei der moderaten Fahrweise klettert die Reichweite schnell auf über 350 Kilometer. Immer wieder fällt der Blick auf jene Anzeige, wo bei einem normalen Auto der Drehzahlmesser sitzt. Die B-Klasse F-Cell hat hier eine Skala, die über die abgerufene Motorleistung informiert. Bis 20 kW sind wir locker im grünen und damit besonders wirtschaftlichen Bereich, bei Bergabfahrt und beim Bremsen schwenkt die Nadel sogar in die Skalierung unter null – in diesem Moment wird Energie zurückgewonnen, die direkt in die Batterie fließt. Techniker nennen dies Rekuperation.

Bei Remoulins dürfen wir endlich die monotone Autobahn verlassen. Elektromotorsummend geht es zu einem der berühmtesten Bauwerke im Süden Frankreichs – dem Pont du Gard. Das Aquädukt wurde von den Römern errichtet und diente auch zur Wasserversorgung. Fahrer eines Brennstoffzellenautos sorgen sich dagegen eher um die Versorgung mit Wasserstoff. Die Tour über die Landstraße mit vielen Rekuperationsphasen lässt den Verbrauch sogar weiter sinken. 1,01 Kilogramm Wasserstoff pro 100 Kilometer steht jetzt auf der Anzeige des Bordcomputers – einen so niedrigen Verbrauch hat bisher auf der Tour noch niemand geschafft.

In Nîmes müssen wir zum ersten Mal nachtanken. An einer Wasserstofftankstelle, wie sie beispielsweise am Stuttgarter Flughafen installiert ist, würde das rund drei Minuten dauern. Im Süden Frankreichs haben die Mercedes-Techniker dagegen beim örtlichen Markenhändler eine mobile Zapfsäule aufgebaut, die den Kraftstoff innerhalb von 20 Minuten mit einem Druck von 700 bar in die Tanks der B-Klasse presst.

Weil bis zum Tagesziel weitere 200 Kilometer im Bordbuch stehen, ist die Weiterfahrt über die Autobahn unvermeidlich – auch wenn der Süden Frankreichs sicherlich viele Alternativen bieten würde. Immerhin ist für den Rest der Etappe die Konvoi-Regel aufgehoben. Wir genehmigen uns einen Abstecher zum 500 Jahre alten Fort des Salses in Salses-le-Château. Die Festung kontrollierte einst den Zugang zum spanischen Roussillon. Als wir uns am frühen Abend der Stadt Perpignan nähern, ist der Verbrauch auf 1,05 Kilogramm gestiegen. "Ist doch immer noch super", lobt der Kollege auf dem Beifahrersitz. Nein, ist nicht Super, sondern Wasserstoff. Beim örtlichen Mercedes-Händler am Tagesziel Perpignan ist das Werkstattleben zum Erliegen gekommen. Die Mitarbeiter schauen sich lieber die gelben Autos an, die mit ihrer besonderen Technik wie von einem anderen Stern zu sein scheinen.

Von Perpignan führt am nächsten Tag die Etappe bis nach Barcelona. Die Sparfahrt des Vortages hat das Vertrauen des Projektleiters geweckt, wir dürfen uns ohne den Schutz des Konvois auf den Weg machen. Und nutzen das auch, denn immerhin gibt es kurz vor der französisch-spanischen Grenze den malerische Küstenort Collioure. Hier haben einst Maler wie Henri Matisse und Pablo Picasso einige Zeit der Muße verbracht, und im Sommer drängeln sich die Touristen.

Anfang Februar jedoch döst der malerische Ort in Winterruhe. Manche Hotels und Restaurants sind geschlossen, auf den Straßen sind am Vormittag nur Einheimische unterwegs. In der Brasserie de la Marine gönnen wir uns eine kleine Kaffeepause – Anfang Februar in der Sonne im Straßencafé zu sitzen, ist schließlich keine Selbstverständlichkeit. Auch nicht für die Teilnehmer des F-Cell World Drive. Denn kaum sind wir ins Auto zurückgekehrt, klingelt das installierte Handy. Der Projektleiter ist dran. Das Auto habe mehr als eine halbe Stunde abseits der Route gestanden, sagt er und fragt, ob denn alles in Ordnung sei. Dem elektronischen Tracking-System, das die GPS-Standortdaten der Autos an die Zentrale nach Stuttgart schickt, entgeht wirklich nichts.

Der Ausflug nach Collioure und der damit verbundene Umweg haben noch eine weitere Auswirkung. Der Vorrat an Wasserstoff sinkt kräftig, so dass wir uns nach der Grenzübertritt nach Spanien zu besonderen Sparmaßnahmen entscheiden. Möglichst nicht schneller als 100 km/h fahren und jeden verfügbaren Lastwagen als Spender von Windschatten nutzen. Das klappt prima, der Verbrauch sinkt wieder auf den Wert von 1,01 Kilogramm. Auf den letzten Kilometern zum Ziel vor den Toren Barcelonas kommen wir dennoch ins Schwitzen – 300 Kilometer weit mit einer Tankfüllung ist auf dieser Tour noch niemand gefahren.

Aber es reicht bis zur mobilen Tankstelle– ein Ziel, das auch im weiteren Verlauf der Fahrt um die Welt Vorrang haben wird.

In 125 Tagen um die Welt

Die Tour
Aus Anlass des 125-Jahr-Jubiläums des Autos ist der F-Cell World Drive seit dem 30. Januar auf dem Weg um die Welt. Von Stuttgart führte die Route zunächst nach Paris und nach Lyon. Die auf dieser Seite beschriebene Etappe verlief von Lyon nach Barcelona. Über Madrid ging es nach Lissabon, wo der Konvoi an diesem Wochenende Europa verlässt. Per Flugzeug gelangen die Fahrzeuge nach Amerika. Quer durch die USA führt die Route von Miami über Los Angeles ins kanadische Vancouver. In Australien setzt sich die Tour über Sydney und Perth fort, bevor Mitte April im chinesischen Schanghai der asiatische Teil der Expedition folgt. Über Peking, Astana (Kasachstan), Moskau und St. Petersburg (Russland) führt die Route nach Helsinki (Finnland), Stockholm (Schweden) und Oslo (Norwegen). Anfang Juni soll der F-Cell World Drive nach genau 125 Tagen in Stuttgart seinen Abschluss finden. Auf der Tour durch 14Länder werden die Brennstoffzellenautos 30000 Kilometer hinter sich bringen.

Der Tross
Neben den drei Brennstoffzellenautos gehören rund 15 weitere Fahrzeuge zum Begleittross – unter anderem für die mitreisenden Techniker und das Ersatzteillager. Schließlich müssen die Organisatoren nicht nur an Ersatzreifen denken, sondern auch an Ersatz-Windschutzscheiben und zusätzlichen Unterfahrschutz in steinigem Gelände. Eine Besonderheit ist die mobile Wasserstofftankstelle. Ein speziell ausgerüsteter Mercedes Sprinter vermag auch in entlegenen Gebieten die B-Klassen mit auf 700 bar komprimierten Wasserstoff zu betanken.

Das Tankproblem
Mit dem F-Cell World Drive will Daimler zeigen, dass der Brennstoffzellenantrieb alltagstauglich ist – und das in einem vollwertigen Auto mit fünf Sitzplätzen und ordentlichem Kofferraum. Mercedes hat bereits eine Kleinserie von 200 Exemplaren aufgelegt. Laut Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber ist die Haltbarkeit der Brennstoffzelle auf ein Autoleben ausgerichtet. 2015 will das Unternehmen für eine Großserienproduktion gerüstet sein. Was allerdings fehlt, ist eine Infrastruktur an Tankstellen. Weltweit gibt es derzeit nur 200 Zapfsäulen. Für den Aufbau einer einzelnen Anlage muss rund eine Million Euro kalkuliert werden. Derzeit kostet ein Kilogramm Wasserstoff acht Euro. Die drei Tanks der B-Klasse fassen knapp vier Kilogramm, was laut dem normierten Prüfzyklus für rund 400 Kilometer Fahrstrecke reicht.