Bei den letzten Treffen des Internationalen Währungsfonds mussten die Europäer viel Kritik einstecken. Nun rücken sie aus dem Fokus. Besorgte Blicke richten sich dafür nach Amerika, beobachtet StZ-Korrespondent Klaus-Dieter Oehler.

Washington - Das Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds war überschattet von dem anhaltenden Streit der amerikanischen Parteien über eine Anhebung der Obergrenze für die Staatsschulden. Eigentlich wollten die Finanzminister, Notenbankpräsidenten und Banker darüber diskutieren, wie man Fehlentwicklungen verhindern kann. Sie tun das schon seit sechs Jahren, seit dem Ausbruch der Finanzkrise 2007, die dann zu einer Wirtschafts- und schließlich zur Staatsschuldenkrise führte. Einiges ist erreicht worden, noch viel mehr aber bleibt zu tun.

 

Doch in diesem Jahr haben sich die Gewichte verschoben. Während sich in den vergangenen Jahren vor allem die Vertreter Europas immer wieder Mahnungen und Ratschläge von ihren internationalen Kollegen, dem Präsidenten der Weltbank oder der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, anhören mussten, standen dieses Mal eher die Amerikaner und ihr Haushaltsstreit im Mittelpunkt. In Washington sind die beiden großen Parteien Demokraten und Republikaner immer noch auf der Suche nach einem Kompromiss, um die Zahlungsunfähigkeit der größten Volkswirtschaft der Welt zu verhindern. Würde das nicht gelingen, stünde eine neue Krise bevor, die schlimmer ausfallen würde als die vorangegangene. Zwar waren die Teilnehmer des IWF-Gipfels davon überzeugt, dass es zum schlimmsten Fall nicht kommen wird, doch die Sorge bleibt so lange bestehen, bis in Washington eine Lösung gefunden wurde.

In Europa hat sich vieles zum Besseren bewegt

Gelassen sind dagegen die europäischen Vertreter in diesem Jahr nach Washington angereist. Sie konnten ihre Kollegen damit überzeugen, dass sich in Europa vieles zum Besseren bewegt hat. An einen Zusammenbruch der Eurozone, ein Ende des Euro, glaubt heute kaum noch jemand. Auch wirtschaftlich geht es wieder aufwärts, wenngleich das „alte“ Europa auf absehbare Zeit nicht an die früheren Wachstumsraten wird anknüpfen können. Die Reformansätze, die in den überwiegend südeuropäischen Krisenländern eingeleitet wurden, zeigen Früchte. Europa, so versicherte es unter anderem der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble, wird diesen Weg weitergehen. Trotz aller nach wie vor vorhandenen Risiken, trotz der nach wie vor (unter anderem von Bundesbankpräsident Jens Weidmann) vorgetragenen Skepsis gegenüber den unkonventionellen Maßnahmen der EZB müssen doch alle Experten eingestehen, dass die Krisenpolitik der Europäer bisher erfolgreich war.

Europas Strukturreformen als Vorbild

Die große Frage bleibt allerdings, ob das Finanzsystem tatsächlich stabiler geworden ist. Die eher gelassene Reaktion der Finanzmärkte auf den Haushaltsstreit in den USA und den nicht ausgeschlossenen Bankrott der größten Volkswirtschaft deutet zumindest darauf hin. Vor zwei oder drei Jahren hätte ein ähnliches Problem noch zu größeren Verwerfungen geführt. Das liegt vor allem an der Überzeugung, dass die Amerikaner ihren Streit lösen werden – auch wenn allen Beteiligen bewusst sein sollte, dass immer mehr Schulden kein Ersatz für eine solide Haushaltspolitik sein können. Die US-Politiker, aber auch die in Japan und einigen anderen Ländern, werden auf Dauer nicht umhinkommen, dem europäischen Beispiel zu folgen und weit reichende Strukturreformen einzuleiten. So paradox es klingen mag: die Lösung der Eurokrise kann ein Beispiel für andere Industrienationen sein.

Vor diesem Hintergrund wird die Diskussion über weitere Regulierungsschritte der Finanzmärkte eher in den Hintergrund gedrängt. Immerhin versicherte der Präsident der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, dass die Bankenunion in Europa bis 2015 stehen wird. Während also die Europäer dabei sind, ihre Hausaufgaben zu erledigen, müssen die Amerikaner nun das Gleiche tun. Denn wenn das nicht gelingt, werden die Karten ohnehin neu gemischt.