Wer bekommt den Zuschlag? Bauplatz-Vergabe an Einheimische wackelt

Viele Gemeinden wollen junge Familien anziehen – und vergeben Grundstücke bevorzugt an sie. Foto: Keystone/Knackfuss

Vorteile für Bürger, die im Ort aufgewachsen sind, oder für Familien mit Kindern sind nach EU-Recht problematisch – immer wieder landen Fälle vor Gericht. Das Land will deshalb nun gemeinsam mit dem Gemeindetag eine Taskforce aufbauen, um die Kriterien rechtssicher zu machen.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Eigentlich ist es landauf, landab die Regel: Bürger, die schon lange im Ort wohnen, oder Familien mit Kindern erhalten bei der Vergabe von Bauland in vielen Städten und Gemeinden Bonuspunkte und kommen so leichter und manchmal auch billiger an Bauland. Teilweise wird sogar angerechnet, wenn man sich bei der Feuerwehr engagiert oder die Eltern pflegt. Doch dieses Vergabemodell gerät zunehmend ins Wackeln.

 

Denn je weniger Grundstücke auf dem Markt sind und je teurer diese sind, umso häufiger klagen unterlegene Bewerber. Teilweise gibt es mehrere Hundert Interessenten für wenige Grundstücke. In Ummendorf im Kreis Biberach beispielsweise hat 2018 ein leer ausgegangenes Ehepaar vor dem Verwaltungsgericht Sigmaringen recht bekommen; die Vergabe musste wiederholt werden. Denn die EU sieht in ihren Regeln zur Freizügigkeit vor, dass alle Menschen gleich behandelt werden müssen. Damals waren die Grundstücke zudem in nichtöffentlicher Sitzung vergeben worden.

Fast alle sind sich einig, dass Einheimische bevorteilt werden sollen

Der baden-württembergische Gemeindetag hat deshalb nun eine Initiative gestartet, um ein rechtssicheres Modell zu entwickeln, bei dem Einheimische trotz EU-Freizügigkeit bevorzugt behandelt werden können. Manuel Hagel, der CDU-Fraktionschef im Landtag, hat das Thema aufgegriffen und plant eine „Taskforce“ von Politik und Gemeindetag: „Wir wollen, dass junge Familien in dem Ort, wo sie schon wohnen oder herkommen, auch bauen können“, sagte er jüngst in einem Interview.

Auch das Bauministerium unter Ministerin Nicole Razavi (CDU), arbeitet bereits an dem Thema. Inhaltlich hat es keinen Dissens zur CDU-Fraktion und auch nicht zum Gemeindetag, dessen Präsident Steffen Jäger erklärt: „Dass Bewerber aus ganz Deutschland und sogar aus allen EU-Ländern die gleiche Chance auf einen Bauplatz haben sollen wie eine Familie, die seit Geburt dort wohnt, entspricht nicht dem Rechtsempfinden der Bevölkerung.“ Laut Christopher Heck vom Gemeindetag knüpfen derzeit 60 bis 70 Prozent der Kommunen die Vergabe an Kriterien; die restlichen Städte und Gemeinden verlosen die Bauplätze oder geben sie zum Höchstgebot ab.

Die EU hatte sogar gegen Deutschland ein Verfahren eingeleitet

Doch das Thema ist eine harte Nuss. Nachdem Kommunen in Bayern Grundstücke vergünstigt an Familien und Einheimische abgegeben hatten, kam es bis 2017 sogar zu einem Vertragsverletzungsverfahren der EU. Dieses Modell ist heute aber wieder zulässig, weil der Bund klare Kautelen aufgestellt hat, wann ein verbilligter Verkauf mit EU-Recht zu vereinbaren ist. Danach muss das Einkommen unter dem Durchschnitt aller Personen der betroffenen Gemeinde liegen; erst nachrangig dürfen Ortsansässigkeit und Ehrenamt berücksichtigt werden.

Doch für Baden-Württemberg sei dieses Modell nicht richtig anwendbar, so Christopher Heck, weil die Gemeinden ihre Grundstücke in der Regel zu einem marktüblichen Preis anböten. Im Südwesten sollten die Leitlinien deshalb keine Abfrage des Einkommens mehr enthalten. Die Taskforce müsse deshalb jetzt prüfen, so Heck, ob diese Regeln dann noch EU-konform seien. Gemeindetag und auch das Innenministerium halten dies für möglich. Dennoch kann es lange dauern, bis Klarheit herrscht – zumal, wenn man die EU-Kommission in die Prüfung einbeziehen müsste.

In touristischen Gemeinden ist der Druck extrem hoch

So lange können viele Gemeinden aber nicht warten. Blumberg etwa, das touristisch attraktiv im Südschwarzwald und nahe dem Bodensee liegt, wird von Anfragen von außen überschwemmt, darf aber nur wenige Grundstücke für die sogenannte Eigenentwicklung ausweisen. Dort erarbeitet Bürgermeister Markus Keller (CDU) deshalb gerade neue Kriterien – man werde sich dabei an die derzeitige Handreichung des Gemeindetages halten, um möglichst keine Probleme zu bekommen, sagt er.

Auch Ummendorf, wo es zu dem gerichtlichen Streit gekommen war, hat seine Kriterien überarbeitet, wie Bürgermeister Klaus B. Reichert (CDU) mitteilt. Im Moment ist man dort allerdings sehr entspannt: Denn es gibt vorerst keine Grundstücke mehr zu vergeben. Dann kann auch niemand klagen.

Die Baulandpreise kennen nur eine Richtung

Entwicklung
 In Baden-Württemberg lag der Durchschnittspreis für einen Quadratmeter Bauland im vergangenen Jahr bei 245 Euro. Vor 20 Jahren waren es laut dem Statistischen Landesamt noch 151 Euro gewesen.

Hauskosten
 Die Preise für Grundstücke wie Häuser variieren innerhalb des Südwestens deutlich. Laut den Bewertungen des Immobilienportals Immowelt lag der Preis in Stuttgart zuletzt bei 5873 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, im Kreis Ludwigsburg bei 4326 Euro. Im Neckar-Odenwald-Kreis oder im Landkreis Freudenstadt zahlte man dagegen weniger als 2000 Euro.

Bautätigkeit
 In den 1980er und Anfang der 1990er Jahre wurden manchmal 70 000 bis 90 000 Wohnungen pro Jahr neu gebaut. Das waren die Boomjahre, dann kam der Einbruch: Im Jahr 2010 waren es nicht einmal mehr 22 000 neue Wohnungen. Im vergangenen Jahr lag die Zahl dann wieder bei 36 313 Fertigstellungen. fal

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