Die Lehranstalt vor der Haustür wird zunehmend unwichtig. Jüngstes Beispiel: die Gemeinde Freudental kündigt dem Nachbarn Löchgau die Kofinanzierung für die dortige Werkrealschule. In Löchgau ist guter Rat jetzt teuer.

Freudental/Löchgau - Der nüchtern klingende Tagesordnungspunkt 7 im Freudentaler Gemeinderat ist zur Abrechnung mit der Nachbarschaftsschule in Löchgau geworden. Einstimmig haben die Räte beschlossen, zum Ende des nächsten Schuljahres aus der Kofinanzierung für die Jakob-Löffler-Schule in Löchgau auszusteigen. Die gemeinsame Nachbarschaftsschule wäre damit passé. „Löchgau wird für Freudental nicht mehr interessant sein“, sagte der SPD-Rat Dieter Bertet. „In der Gesellschaft wird diese Schulart mit Füßen getreten“, meinte gar der Bürgermeister Alexander Fleig.

 

Die Nachbarschaftsschule ist eine Idee aus den 60er Jahren. Als nicht mehr jeder Ort seine Kinder und Jugendlichen mit eigenen Schulen versorgen konnte, wurden die gemeinsam finanzierten Modelle aus der Taufe gehoben. Beispielsweise betreibt die Gemeinde Hemmingen noch heute eine solche Schule mit den Nachbarn in Ditzingen. Nach der Eingliederung des Ortes Heimerdingen in die Große Kreisstadt sollte sichergestellt werden, dass die Schulwege für die Heimerdinger Kinder nicht zu lang würden. Die Schillerschule in Ingersheim war von 1967 bis 1975 ebenfalls Nachbarschaftsschule: Die Klassen fünf und sechs wurden in Pleidelsheim unterrichtet, ab Klasse sieben ging’s in Ingersheim weiter. Von 1975 an wurden dann die Schüler ab der fünften Klasse alle in Bietigheim-Buch unterrichtet.

„Wir haben gemeinsam gekämpft“

Doch das Beispiel Löchgau zeigt: die Schule vor der Haustür scheint sich zusehends zum Auslaufmodell zu entwickeln – jedenfalls wenn sie sich nicht weiterentwickeln will oder kann. Unlängst hatten Freudental und Löchgau gemeinsam beim Schulamt beantragt, dass die Jakob-Löffler-Schule zur Gemeinschaftsschule werden darf – ohne Erfolg. „Wir haben gemeinsam gekämpft für die Gemeinschaftsschule“, sagte Alexander Fleig in der jüngsten Gemeinderatssitzung in Freudental. Da es inzwischen keine verpflichtenden Schulbezirke mehr gibt und die Schule Werkrealschule bleiben musste, sehen Fleig und die Gemeinderäte keine Zukunft mehr. Zudem habe er Bedenken aus finanziellen Gründen, sagte Fleig: „Es stehen Sanierungen an der Schule an.“

In Löchgau ist guter Rat jetzt teuer. insgesamt rund 150 000 Euro hat Freudental in den vergangenen zehn Jahren an die Nachbarn überwiesen. In Spitzenzeiten lag der jährliche Beitrag wegen hoher Schülerzahlen aus Freudental auch schon bei mehr als 30 000 Euro. Die Freudentaler Schüler können auch ohne diese Überweisungen weiterhin nach Löchgau zur Schule gehen. Aber der Schullastenausgleich des Landes, bezahlt pro Schüler, ist für Löchgau ein schwacher Trost. Denn das Freudentaler Geld kam obendrauf und wird künftig fehlen. „Über so etwas freut sich niemand“, sagt der Löchgauer Rathauschef Robert Feil. Ängste wegen steigender Kosten, verursacht durch eine mögliche Sanierung, seien jedoch unbegründet. Baulicher Bedarf sei zunächst nur am Grundschulgebäude ermittelt worden. Dass die Anmeldezahlen für die Werkrealschule gering sind, weiß auch Feil. „Wir müssen uns Gedanken machen, wie wir den Schulstandort weiterentwickeln“, sagt er darum.

„Viele Schulen wurden geschlossen“

Beim Schulamt im Stuttgarter Regierungspräsidium (RP) kennt man dieses Problem. „Viele der alten Nachbarschaftsschulen haben keine Schüler mehr und wurden geschlossen“, teilt die Sprecherin Sabine Beck mit. Genaue Zahlen lägen der Behörde nicht vor. Es gebe aber Haupt- und Werkrealschulen, „die so viele Schüler verloren haben, dass ihre Eigenständigkeit aufgegeben wurde“. Oft kämen solche Schulen unter das Dach einer benachbarten Realschule, wofür allerdings ein neuer Schulverbund nötig sei.