In Kernen im Remstal droht der Abriss der 1931 gebauten Genossenschaftskelter. Einige Bürger wollen das nicht hinnehmen – und fordern den Gemeinderat auf, aktiv zu werden.

Schnell waren sie, die Stettener Wengerter, damals im Jahr 1931. Ende Januar haben sie – 79 Mann stark zunächst, später kamen noch elf dazu – im Gasthaus Linde die Weingärtnergenossenschaft (WG) Stetten gegründet. Hauptziel: Der Bau einer gemeinsamen Kelter. Deren Richtfest feierten sie noch im Juli und am 4. Oktober war an der heutigen Weinstraße rechtzeitig zum Herbst die feierliche Keltereinweihung mit Festumzug. Die Presse, so heißt es in den Genossenschaftsannalen, habe zum Neubau mit freitragender Dachkonstruktion getitelt: „Die schönste Kelter in Württemberg.“ Kostenpunkt damals: 74 000 Reichsmark.

 

Letzte Traubenanlieferung war 2021

Gut 90 Jahre nach dem Bau ist die Zukunft des markanten Gebäudes am Ortsrand des Kernener Teilorts höchst ungewiss. Die Stettener WG ist bereits 2018 aus der Remstalkellerei ausgetreten, die Wengerter liefern ihre Trauben seit 2021 bei der Weinkellerei Kern in Rommelshausen ab. Und die letzte Traubenanlieferung bei der eigenen Genossenschaftskelter ist inzwischen zweieinhalb Jahre her. Alles geklärt quasi – außer der Frage, was wird aus der Kelter, eben jenem Bauwerk, auf dem an der Nordfassade in Stein gemeißelt steht: „Erbaut in schwerer Zeit – ein Zeichen unserer Einigkeit“.

Das ortshistorische Gebäude, das bisher nicht unter Denkmalschutz steht, dürfe keinesfalls abgerissen werden, finden einige Stettener, die deshalb jetzt einen sogenannten Einwohnerantrag ins Rollen gebracht haben, der den Gemeinderat zum Handeln bringen soll. Der Einwohnerantrag ist seit einigen Jahren als Instrument der direkten Demokratie in der Gemeindeordnung und im Kommunalwahlgesetz vorgesehen. Mit ihm können Einwohner beziehungsweise Bürger einer Gemeinde den Gemeinderat verpflichten, sich mit einem bestimmten Antrag zu beschäftigen. In Kommunen von der Größenordnung Kernens sind dafür 200 Unterschriften von mindestens 16 Jahre alten Bürgern der Kommune notwendig.

Einwohnerantrag braucht 200 Unterschriften

Die Unterzeichner – so berichteten jetzt die zugehörigen Vertrauensleute Eberhard Kögel, Klaus Eißele und Jochen Beurer, unterstützt von CDU-Gemeinderat Rainer Schlegel, bei einer kleinen Pressekonferenz im Weingut Beurer – stellen einen solchen Einwohnerantrag zu folgendem Anliegen: „Die Gemeinde startet einen Ideenwettbewerb/eine Planungswerkstatt, um alle Möglichkeiten zu erörtern, wie eine weitere Nutzung der Stettener Genossenschaftskelter aussehen könnte und somit der Abriss verhindert werden kann. Dafür sollte mit der WG vereinbart werden, dass der Abriss hinausgeschoben wird, bis über eine mögliche Nachnutzung entschieden ist.“

Die Begründung zum Antrag: Die WG Stetten habe sich mit Beschluss vom Dezember vergangenen Jahres aufgelöst und befinde sich seitdem in Liquidation. „Sie muss deshalb die in ihrem Eigentum befindliche Kelter verkaufen. Wir sollten alles versuchen, damit dieses ortsbildprägende historische Gebäude der Gemeinde erhalten bleibt“, so heißt es dazu auch auf den Unterschriftenlisten, mit denen die Kämpfer für den Keltererhalt in den kommenden Wochen im Ort die nötigen Voten sammeln wollen. Ansonsten, sagt Jochen Beurer, stünden Listen für potenzielle Mitstreiter über die Vertrauensleute und natürlich bei ihm im Weingut parat. Im Weingut könne der Einwohnerantrag auch direkt unterzeichnet werden.

Für die Kelter haben die Fans des Baus an der Weinstraße bereits grobe Vorstellungen über deren mögliche Zukunft,. Sie „wäre der perfekte Platz als Ausgangs- und Zielpunkt aller touristischen Attraktionen und der ideale Standort, um die Vielfalt der Stettener Weine und weiterer regionaler Produkte in einem stilvollen Ambiente zu präsentieren“. Hier könne außerhalb der Ortsmitte dringend notwendige Infrastruktur für den Touristikstandort geschaffen werden. Schließlich sei Stetten als einer der bekanntesten Weinorte des Remstals nicht nur für Wein und Gastronomie bekannt, sondern inzwischen längst auch für seine Publikumsmagneten in der freien Natur. Kugelbahn, Klettergarten, Schaf- und sonstige Wanderwege litten aber unter mangelnder Anbindung an entsprechende Infrastruktur im Ort – inklusive Parkproblematik.

Die Krux an der Sache: Ein Gutachten über Struktur und Perspektive für das knapp 100 Jahre alte Gebäude lässt nach Auffassung der Gemeinde und der Ratsmehrheit kaum Aussicht auf Sanierung und sinnvolle Weiternutzung zu. In Sachen Brandschutz sei die Kelter ein hoffnungsloser Fall, sagt der Erste Beigeordnete Peter Mauch auf Nachfrage. Und die eigenwillige, auf dem Gegengewicht der auskragenden Vordächer basierende Statik erlaube praktisch keine Veränderung an dem Gebäude. „Da besteht keine Aussicht auf eine einigermaßen wirtschaftlich tragbare Lösung.“ Die Kämpfer für den Keltererhalt sind anderer Auffassung.