Nächste Woche ist Energiegipfel im Kanzleramt. Die Politik befürchtet, dass die Umlage für die Öko-Energie den Preis hochschnellen lässt. Sieben Fragen und Antworten zur Höhe des Strompreises.
Berlin - Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis – in offenen Märkten. Der Markt für Elektrizität ist nicht frei, sondern hoch reguliert. Deshalb ist die Entstehung des Strompreises weit komplizierter.
Welche Kosten deckt der Strompreis ab?
Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) veröffentlicht jährlich eine Strompreisanalyse. Demnach machen Beschaffung und Vertrieb von Strom in diesem Jahr für normale Haushaltskunden nur etwa ein Drittel aus. Hinzu kommt das Netzentgelt mit 19,9 Prozent. Messungen und Abrechnung belaufen sich auf 2,7 Prozent. Fast die Hälfte – der ganze Rest von knapp 45 Prozent – entfällt auf Steuern und Abgaben: Die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung (0,2 Prozent), die Konzessionsabgabe für die Gemeinden (6,5 Prozent) und die EEG-Umlage zur Förderung von Ökostrom. Sie macht derzeit 13,7 Prozent des Strompreises aus. Einen dicken Brocken stellen mit 24 Prozent Mehrwert- und Stromsteuer dar. Der Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent wird auf den Preis inklusive aller Abgaben aufgeschlagen. Steigt die Umlage aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, kommt mehr Geld in die Staatskasse.
Wieso steigt die Umlage für den Ökostrom und um wie viel?
Am 15. Oktober setzt die Bundesnetzagentur jedes Jahr die EEG-Umlage fest. Im ersten Jahr nach dem Beschluss zum Atomausstieg wirft der Termin seine Schatten weit voraus. Derzeit liegt die EEG-Umlage bei 3,59 Cent je Kilowattstunde. Experten erwarten, dass sie im Herbst auf fünf, vielleicht sogar sechs Cent je Kilowattstunde steigen könnte. Der Grund dafür sind die Förderregeln im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und die Tatsache, dass der Boom bei Solaranlagen alle Erwartungen übertrifft. Die Umlage muss – von Ausnahmen abgesehen – jeder Verbraucher mit der Stromrechnung bezahlen.
Treibt die EEG-Umlage für Ökostrom den Energiepreis hoch?
Ja und nein. Auf der einen Seite wird die Umlage auf den Strompreis aufgeschlagen, und dabei schlagen vier bis sechs Cent natürlich stärker zu Buche als 3,5 Cent. Auf der anderen Seite wird der Öko-Strom, der weder Kohle, noch Gas, noch Nuklearbrennstoffe verbraucht, billiger produziert. Deshalb sinken vor allem in den wind- und sonnenreichen Spitzenzeiten die Preise an der Leipziger Strombörse. Wer dort einkauft, zahlt also weniger. Das klingt gut, hat für die EEG-Umlage aber eine teure Nebenwirkung: Sie errechnet sich nämlich aus dem Unterschied zwischen dem Börsenpreis und der gesetzlich garantierten Vergütung für die Ökostrom-Lieferanten. Sinkt der Börsenpreis, wird die Differenz größer, die Umlage steigt. Normale Stromkunden zahlen also mehr.
Wer sind die Hauptzahler für die Infrastruktur?
Die größten Stromverbraucher in der energieintensiven Industrie genießen Ausnahmeregelungen. 730 Unternehmen sind weitgehend von der EEG-Umlage befreit (Details siehe unten). Sie verbrauchen etwa 18 Prozent des Stroms in Deutschland und zahlen lediglich 0,3 Prozent der EEG-Umlage. Insgesamt beläuft sich diese Entlastung auf zwei Milliarden Euro, die von den übrigen Stromkunden – Privathaushalten sowie kleinen und mittleren Unternehmen – geschultert werden müssen. Selbst die für die Regulierung des Elektrizitätsmarktes zuständige Bundesnetzagentur zeigt sich besorgt über die „zunehmende Reduktion des EEG-pflichtigen Letztverbrauchs“ und mahnt an, „zukünftig die richtige Balance zwischen der notwendigen Entlastung der stromintensiven Industrie und der Belastung für kleine und mittlere Unternehmen sowie der Haushaltskunden zu finden“.
Bleibt Strom für alle bezahlbar?
Die Sozialverbände schlagen Alarm. Der Paritätische Gesamtverband schätzt, dass bereits 200 000 Hartz-IV-Bezieher vom Netz abgeklemmt wurden, weil sie ihre Rechnung nicht bezahlen konnten. Im Extremfall dauere diese Zwangsabschaltung bis zu sechs Monate, sagt der Verband. Die Sorge ist, dass bei steigenden Strompreisen für die Privathaushalte, immer mehr Menschen in eine solche Notlage geraten.
Wieso ist die Politik so nervös?
Sogar die FDP hat den Strompreis einmal als „Brotpreis des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet. Menschen und Wirtschaft sind existenziell auf Energie angewiesen. Deshalb hat die Bundesregierung beim Beschluss des Atomausstiegs vor gut einem Jahr betont, dass die Energiewende zwar nicht zum Nulltarif zu haben sei, der Strom aber für den Verbraucher bezahlbar bleiben müsse. Die Kanzlerin hat angekündigt, dass die EEG-Umlage von derzeit 3,59 Cent je Kilowattstunde „nicht über ihre heutige Größenordnung hinaus“ steigen soll. Die Koalition hat deshalb drei Sorgen: Sie befürchtet, dass Merkels Versprechen schon im ersten Jahr gebrochen wird. Sie hat Angst, dass die Wirtschaft durch steigende Preise zu stark belastet wird und davor, dass ihr angesichts der Belastung der Geringverdiener soziale Kälte vorgeworfen wird. Auch die Opposition ist besorgt über die soziale Frage beim Strompreis. Während für die Grünen zudem vor allem die bisher hohe Akzeptanz des Ökostroms ein hohes Ziel ist, agiert die SPD auch als Anwalt der Industrie, die auf günstigen Strom angewiesen ist.
Gibt es Vorschläge zur Lösung des Problems?
Der Mieterbund fordert, dass die Energieversorger Sozialtarife für ärmere Verbraucher anbieten. Einzelne Unionspolitiker schlagen vor, die Stromsteuer abzuschaffen. Einzelne Unions- und FDP-Politiker haben die Abschaffung der Strom- oder der Ökosteuer vorgeschlagen. Die Grünen fordern, der Industrie weniger Ausnahmeregeln bei der Umlage zum EEG, dem Erneuerbare-Energien-Gesetz, zu gewähren. Die FDP würde die Umlage zusammen mit dem dazugehörigen Gesetz am liebsten ganz kippen. Verbraucherschützer schließlich wollen ebenfalls die Stromsteuer abgeschafft sehen oder die Mehrwertsteuersatz auf sieben Prozent senken.