Hört das Herz auf zu schlagen, dann wird der Mensch innerhalb von fünf bis zehn Sekunden bewusstlos. Foto: picture alliance / dpa/Jan Woitas
Eine Herzdruckmassage kann Leben retten, doch viele Bürger sind zu dieser Hilfe nicht bereit. Der Mediziner Bernd Böttiger, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rats der Wiederbelebung, erklärt, wie sie gelingen kann.
Zudem ist er seit 2021 Bundesarzt beim Deutschen Roten Kreuz.
26.08.2023 - 01:06 Uhr
Es bleiben im Schnitt drei bis fünf Minuten, in denen es gelingen kann, den Sterbeprozess eines Menschen mit plötzlichem Herz-Kreislauf- Stillstand aufzuhalten. „Diese kurze Zeitspanne abzufangen, schafft kein Notarztsystem der Welt“, sagt Bernd Böttiger, Vorstandsvorsitzender des Deutschen Rates für Wiederbelebung. Dafür braucht es Anwesende, die sofort mit der Wiederbelebung beginnen. Doch davor scheuen sich viele, weshalb Böttiger unter anderem dafür plädiert, die Reanimation als Teil des Schulunterrichts verpflichtend einzuführen.
Herr Böttiger, was passiert bei einem Herz-Kreislaufstillstand?
Hört das Herz auf zu schlagen, dann wird der Mensch innerhalb von fünf bis zehn Sekunden bewusstlos. Er ist dann nicht mehr ansprechbar und atmet nicht mehr oder nicht mehr normal. Wird dann nicht mit der Wiederbelebung begonnen, tritt nach wenigen Minuten der Tod ein.
Bernd Böttiger setzt sich seit Jahren dafür ein, Laien Grundlagenwissen zur Wiederbelebung zu vermitteln und so Leben zu retten. Foto: imago stock&people/imago stock&people
Wie kann man einen Menschen wiederbeleben?
Die Laienreanimation erfolgt nach dem Prinzip „Prüfen, Rufen, Drücken“. Man spricht den Bewusstlosen an und schaut, ob er reagiert und ob sich sein Brustkorb gleichmäßig hebt und senkt. Ist dies nicht sicher der Fall, wird der Notruf 112 abgesetzt. Dann den Bewusstlosen in Rückenlage bringen, Brustkorb frei machen und den Druckpunkt bestimmen. Dieser liegt in der Mitte der imaginären Linie, die die beiden Brustwarzen bilden. Man beugt sich direkt über den Bewusstlosen, legt die Hände übereinander, streckt die Arme durch – und dann Drücken-Entlasten-Drücken-Entlasten, möglichst im Takt des Bee-Gees-Hits „Stayin’ alive“, Helene Fischers „Atemlos“ oder dem Song „Highway to Hell“ von AC/DC. Und so lange, bis der Notarzt kommt.
Warum sind aber so wenige Menschen zu einer Herzdruckmassage bereit?
Wir investieren in Deutschland schlicht zu wenig Geld in die Aufklärung und Schulungen. Andere Länder wie Norwegen oder Dänemark sind da viel weiter – und haben eine deutlich bessere Laienreanimationsrate und ein dreimal höheres Überleben. Wären wir genauso gut wie die skandinavischen Nachbarn, könnten wir jedes Jahr weitere 10 000 Menschen retten. Und das sind viermal so viele, wie im Moment im Straßenverkehr sterben. Dennoch wird dem Thema in der Landes- und der Bundespolitik bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Wir fordern, dass deutschlandweit Wiederbelebungsunterricht in Schulen mit zwei Stunden pro Jahr verpflichtend eingeführt wird. Schon im Alter von vier Jahren sind Kinder in der Lage, die grundlegenden Schritte der Wiederbelebung zu erlernen. Außerdem braucht es mehr Engagement und Kapazitäten in den Rettungsleitstellen, dass diese flächendeckend eine telefonische Anleitung zur Herzdruckmassage an Laien weitergeben können. Und wir müssen deutschlandweit ein System von Ersthelfern etablieren.
Menschen mit medizinischen Vorkenntnissen können sich registrieren lassen. Per Smartphone-App weiß die Rettungsleitstelle dann, wo sich diese Ersthelfer aufhalten. Kommt es zu einem Notfall in der Nähe, werden diese zusammen mit dem Rettungsdienst alarmiert und können so schon Erste Hilfe leisten, bevor der Notarzt tatsächlich eintrifft. Solche Systeme gibt es mittlerweile an zahlreichen Standorten in Deutschland – aber sie sind bisher ebenfalls nicht verpflichtend.
Kämpfer für mehr Lebensretter
Mediziner Bernd Böttiger, Jahrgang 1958, leitet die Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin an der Uniklinik Köln. Böttiger ist Vorsitzender des Deutschen Rats für Wiederbelebung, Vorstandsmitglied im European Resuscitation Council und Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Engagement Die Schülerausbildung in Wiederbelebung und die Steigerung der Laienreanimationsquote insgesamt liegen ihm besonders am Herzen. Böttiger ist Mitbegründer der weltweiten Initiativen „Kids save lives“ und „World Restart a Heart“ und seit Jahren in die Entwicklung der internationalen Leitlinien zur Wiederbelebung und zur Ersten Hilfe involviert.