Gegen die neue Regierung Österreichs sind am Sonntag Zehntausende in Wien auf die Straße gegangen. Sie demonstrieren insbesondere gegen die restriktive Einwanderungspolitik.

Wien - Zehntausende Menschen haben in Wien gegen Österreichs neues Regierungsbündnis aus konservativer ÖVP und rechtspopulistischer FPÖ demonstriert. Die Demonstranten versammelten sich am Samstag zu einem „Neujahrsempfang“ für die neue Regierung am Wiener Westbahnhof und zogen dann zum Regierungsviertel in der Innenstadt. Der Protest richtete sich insbesondere gegen die restriktive Einwanderungspolitik der Koalition unter ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz und deren Sozialpolitik.

 

Die Polizei gab die Zahl der Demonstranten mit 20.000 an, die Veranstalter sprachen von bis zu 70.000 Demonstranten. Ursprünglich war mit etwa 10.000 Teilnehmern gerechnet worden. Bei der Abschlusskundgebung an der Hofburg erleuchteten die Demonstranten mit tausenden Handys den Heldenplatz. Nach Angaben der Polizei verlief die Kundgebung weitgehend friedlich und ohne „nennenswerte Vorfälle“. Sie war mit rund tausend Beamten im Einsatz.

Zu der ersten Demonstration gegen die rechtskonservative Koalition seit deren Regierungsübernahme hatten linksgerichtete und antirassistische Organisationen aufgerufen, auch die Gruppe Omas gegen Rechts beteiligte sich. Bei der Wahl Mitte Oktober war die ÖVP stärkste Kraft geworden. Mitte Dezember stellte Kurz seine Regierungsmannschaft vor, der sechs FPÖ-Vertreter angehören. Zu ihnen zählt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der als Vizekanzler fungiert. An dem Protestzug in Wien beteiligten sich Menschen aller Altersgruppen, darunter auch Familien. Der 47-jährige deutsche Demonstrant Tobias Grettica sagte der Nachrichtenagentur AFP, es beunruhige, dass sich der Nationalismus „überall ausbreitet, nicht nur in Österreich“.

Empörung über Äußerung des Innenministers Kickl

Eine 47-jährige Demonstrantin äußerte die Sorge, dass Regierungsbündnisse mit Rechtspopulisten „die neue Norm“ würden. Die 23-jährige Demonstrantin Anna sagte, in Wien sei eine Regierung an der Macht, „die die Gesellschaft spalten, Minderheiten verteufeln, Frauenrechte einschränken, Solidarität entwerten will“. Immer wieder wurden während der Kundgebung Rufe nach einem Rücktritt von Innenminister Herbert Kickl laut.

Der FPÖ-Minister hatte am Donnerstag mit der Äußerung für Empörung gesorgt, er wolle Asylbewerber künftig „konzentriert“ in Grundversorgungszentren unterbringen. Die von Kickl während einer Pressekonferenz benutzte Formulierung führte zu Nachfragen von Journalisten, die auf den Anklang an NS-Konzentrationslager hinwiesen.

Kickl antwortete darauf, er habe „keinerlei Provokation“ beabsichtigt. ÖVP und FPÖ hatten bereits im Jahr 2000 eine Regierungskoalition gebildet. Dies war damals international auf Kritik gestoßen. In Österreich gab es immer wieder Proteste gegen das Bündnis, an der größten derartigen Demonstration beteiligten sich damals bis zu 250.000 Menschen.