Otto Muehl ist ein Kinderschänder und ein Krimineller. Ihm nun eine Retrospektive zu widmen ist ein Skandal.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)
Wien - Spätestens beim zweiten Lesen des folgenden Satzes stellt sich – kennt man die biografischen Hintergründe der kriminellen Künstlerexistenz Otto Muehl – mittlerer Brechreiz ein: "Dass ich mich öffentlich entschuldige, mache ich heute, weil ich auf keinen Fall das Gefühl hinterlassen möchte, dass es mich kalt lässt, dass ich Menschen verletzt habe und dass sich Menschen von mir verletzt gefühlt haben." Wer das geschrieben hat – oder hat schreiben lassen –, will sich nämlich nicht entschuldigen, sondern lediglich den Anschein erwecken, er wolle dies tun. Die zitierte Stelle stammt aus einer unterschwellig in unerträglichem Rechtfertigungston gehaltenen Mitteilung des fast 85-jährigen, seit Ende der neunziger Jahre in der Nähe des portugiesischen Faro lebenden und an Parkinson erkrankten Aktionskünstlers Otto Muehl, die er der Leitung des Leopoldmuseums im Wiener Museumsquartier zukommen ließ.

Pünktlich zur Eröffnung einer Retrospektive von Muehls meist großformatigen Öl- und Acrylgemälden ist sie dort verlesen worden. Muehl bittet darin äußerst verklausuliert um Verzeihung und glaubt mittlerweile, dass er sich "in einigen Sachen grundsätzlich geirrt" habe. Wohlgemerkt: bisher hatte er eine Entschuldigung für jene Taten niemals für nötig gehalten, wegen der er 1991 zu sieben Jahren Haft verurteilt wurde, die er fast vollständig absaß. Damals urteilte ein Gericht, Muehls Unzucht mit Unmündigen betreffend, er habe in der von ihm gegründeten burgenländischen Kommune Friedrichshof in den achtziger Jahren über lange Zeit hinweg "Terror" gegenüber Kindern und Jugendlichen ausgeübt und mit "Menschen experimentiert". Warum der wegen vielfachen sexuellen Missbrauchs bestrafte Otto Muehl nun eine Retrospektive in der Sammlung Leopold verdient, begründet die Museumsleitung mit der Qualität der Werke: Sie seien die Produkte eines "eigenständigen Geistes".

Früher trat Muehl als Sektenführer auf


Weiterhin macht sie aber darauf aufmerksam, dass Muehls expressive und gewollt obszöne Kunst immer noch "Darstellung von Perversionen sowie von brutalster Gewalt" zeige. Auch bestehe bei zwei Exponaten "die Gefahr", es könnten "religiöse Gefühle" verletzt werden. Darüber hinaus wird im Museumsquartier jedoch ausdrücklich, ja fast hymnisch betont, dass im Vorfeld der Ausstellung Opfer der ehemaligen Muehl-Kommune in die Vorbereitung miteinbezogen worden seien, was stimmt. Bilder, auf denen Missbrauchsopfer zu sehen gewesen wären, wurden in der endgültigen Planung nicht berücksichtigt. Gleichwohl wehrt sich die Gruppe re-port und deren Sprecher Hans Schroeder-Roezelle, der viele Opfer vertritt, dagegen, dass resultativ in der Ausstellung dann doch klar getrennt wird zwischen Leben und Werk von Otto Muehl. Genau dies ist die Intention der Kuratoren. Der scheinverlogen-liberale, also libertinistische Umgang mit Muehls Kunst hat in Wien eine unrühmliche Tradition.

Schon 2004 scherten sich die wenigsten in der Szene darum, dass, damals in geringerer Zahl, dessen Bilder im MAK (Museum für angewandte Kunst) ausgestellt wurden. Dabei dürfte den meisten noch in Erinnerung gewesen sein, wie der ehemalige Kunstakademieschüler Muehl nach seinen Anfängen als Materialaktionist vor allem als Sektenführer in Erscheinung getreten war, der im Burgenland und auf La Gomera teilweise 700 "Jünger/-innen" befehligte und sich stets die erste Position auf sogenannten "Ficklisten" sowie das "Recht der ersten Nacht" bei Minderjährigen vorbehielt. Direkt nach seiner Haftentlassung 1998 hatte der damalige Burgtheaterdirektor Claus Peymann nichts Besseres zu tun, als Muehl das Burgtheater zur Selbstdarstellung anzubieten. Neuerdings ist Otto Muehls Bühne im Museumsquartier eher noch größer geworden. Das ist nicht nur degoutant, wie der abgeneigte Wiener abwiegelnd sagen würde. Das ist ein Skandal.