Der Wikileaks-Gründer Julian Assange äußert sich und wendet sich in einer scharfen Ansprache an den US-Präsidenten Obama. Politisch äußern darf Assange sich als Asylant aber eigentlich nicht.

Korrespondenten: Peter Nonnenmacher (non)

London - Zum ersten Mal seit seinem Untertauchen in der ecuadorianischen Botschaft in London vor zwei Monaten hat sich Wikileaks-Gründer Julian Assange am Sonntag wieder in der Öffentlichkeit gezeigt. In einer scharf formulierten Rede forderte er den US-Präsidenten Barack Obama zu einem „Ende der Hexenjagd“ auf Journalisten, Informanten, Wikileaks und ihn selbst auf. Assange dankte dem ecuadorianischen Präsidenten Rafael Correa für den Mut, ihm politisches Asyl gewährt und Stellung für die Gerechtigkeit bezogen zu haben.

 

In London löste die Rede Überraschung aus. Als Flüchtling ist Assange eigentlich verpflichtet, sich politischer Äußerungen zu enthalten. Seine kurze Ansprache hielt der 41-jährige Australier auf einem Eckbalkon der Botschaft, gleich neben den diplomatischen Insignien und der Fahne Ecuadors. Vor das Botschaftsgebäude selbst hätte er sich nicht wagen können. Asyl genießt er nur in der Botschaft selbst.

Vor dem Botschaftsgebäude waren am Sonntag starke Polizeieinheiten aufgezogen. Unter dem Balkon, von dem Assange sprach, drängten sich Dutzende von Neugierigen. Ihnen rief Assange zu, das FBI müsse seine Ermittlungen in Sachen Wikileaks abbrechen, und Washington müsse der Welt geloben, niemanden mehr für das Aufdecken amtlicher Geheimnisse zu verfolgen. Anwälte Assanges kündigten an, ihr Mandant werde um seiner persönlichen Sicherheit willen vor Gericht ziehen. Erwartet wird, dass er freies Geleit nach Ecuador einzuklagen sucht.

Assange nennt es einen politischen Komplott gegen ihn

London hält daran fest, dass es Assange nach Schweden ausliefern müsse, wo er sich gegen den Vorwurf sexueller Vergehen an zwei Frauen im Sommer 2010 verteidigen soll. Assange hat diese Vorwürfe als unbegründet verworfen. Er hat sich freilich beharrlich geweigert, den Behörden in Schweden Rede und Antwort zu stehen. Die Anschuldigungen erklärt er zu einem politischen Komplott gegen ihn. Von Schweden würde er letztlich nur an die USA ausgeliefert werden. Die USA wollten seiner habhaft werden, weil Wikileaks Hunderttausende vertraulicher US-Dokumente veröffentlicht und die US-Regierung bloßgestellt habe – und in den USA drohe ihm möglicherweise die Todesstrafe.

Ecuadors Präsident Rafael Correa erklärte derweil, sein Land wolle kein schwedisches Strafverfahren behindern. Doch solange Schweden und Großbritannien nicht garantierten, dass eine Auslieferung an Drittstaaten ausgeschlossen sei, stehe der Australier unter dem Schutz seines Landes. Es dürfe „kein Risiko für Leben und Freiheit“ des Bedrohten geben. Über die Möglichkeiten entsprechender Garantien oder einer anderen Beilegung dieses Konflikts wird offenbar zwischen den beteiligten Staaten mittlerweile verhandelt.