Mensch trifft Menschenaffe: zum Abschied von seiner Wilhelma besucht der Zoodirektor Dieter Jauch nochmals das Menschenaffenhaus, das er im Mai eingeweiht und ihn viele Nerven gekostet hat. Nach fast 25 Jahren geht Jauch nun in den Ruhestand.

Stuttgart - Dieter Jauch geht in die Knie und klimpert mit seinem Schlüsselbund, aber auf der anderen Seite der Panzerglasscheibe herrscht absolutes Desinteresse: Kein Bonobo nähert sich dem Zoodirektor, was sich erst ändert, als er mit einem Brötchen winkt – so kommt es doch noch zum Blickkontakt zwischen Mensch und Menschenaffe. Jauch lächelt, er ist niemand, der Tieren seinen Willen aufzwingen will, der sie gar als Spielzeug betrachtet oder es schätzt, wenn Tiere vermenschlicht werden.

 

Zum Abschied ist Dieter Jauch noch einmal in das neue Menschenaffenhaus seiner Wilhelma gekommen – es ist einer seiner letzten Besuche als Zoodirektor. Zum Jahreswechsel geht er in den Ruhestand. Die Anlage für afrikanische Menschenaffen war die schwerste Geburt seiner Amtszeit – aus 13 Millionen wurden am Ende 22 Millionen Euro Baukosten. Die Fertigstellung des Baus verzögerte sich um Jahre und hinter den Kulissen entbrannte ein – nur mühsam verborgener – Streit darüber, was eine gute Anlage für Affen eigentlich ausmacht.

Am 14. Mai 2013 wurde das Menschenaffenhaus schließlich mit einem Festakt vor 380 geladenen Gästen feierlich eröffnet. Heute, ein Dreivierteljahr später, findet Dieter Jauch kritische Worte über das Architekturbüro Hascher & Jehle, das den Bau durchgeführt hatte. „Die Architekten waren kaum bereit, auf unsere Vorschläge einzugehen“, erzählt er und fügt hinzu, dass man bei allen Bauprojekten während seiner Amtszeit am Ende als Freunde auseinander gegangen sei. „Das war bei diesem Projekt nicht so.“

Besonders gut gefällt es Jauch im Amazonienhaus

Für Dieter Jauch sind das ungewöhnlich deutliche Worte. „Ich habe nie eine Politik der erhobenen Faust betrieben“, sagt er und spielt damit auf den Streit wegen der missratenen Sanierung des Schauspielhauses an, bei dem Theaterleute und Politiker medial übereinander hergefallen sind. Dieter Jauch, 1947 in Villingen-Schwenningen geboren und seit 1980 in der Wilhelma tätig, hat meistens versucht, Probleme behutsam zu lösen – und mit langem Atem ans Ziel zu kommen. Den hat er im Laufe seiner Dienstzeit oft gebraucht. Seit er die Wilhelma führt, ist die Bärenanlage neu entstanden, der Schaubauernhof, das Insektarium und die Krokodilhalle.

Mit am gelungensten findet er selbst das Amazonienhaus. Jauch öffnet die beiden Türen zu einer tropischen Pflanzen- und Tierwelt. Seine Brille beschlägt, doch kurz darauf hat er wieder den Durchblick, sieht aber nur wenige Meter weit: Die verschlungenen Wege gehören zum Erlebniskonzept für die Besucher – hinter jeder Windung verbergen sich überraschende Einblicke. Affen turnen durch Gehege, Fische schwimmen an den Besuchern vorbei, ein Wasserfall rauscht von Kunstfelsen in einen Teich hinab. Jauch sieht sich im Amazonienhaus, der kleinen grünen Hölle der Wilhelma, um. Er spricht über die Dachkonstruktion, die Heizung und die Pflanzen. Im Stuttgarter Zoo war Jauch über all die Jahre ein Multifunktionsdirektor. Neben Fröschen und Flusspferden ging es auch immer um die Finanzen des Zoos.

Vieles hat sich verändert, seit Jauch im Oktober 1989 Wilhelmachef wurde. „Wir haben auch von unseren Kritikern manchen Anstoß bekommen“, erzählt Jauch und spricht über den Tierschutz und die Haltungsbedingungen im Zoo: „Da bin ich heute strenger in meinem Denken als in meinen ersten Jahren.“

Der Wilhelma will Jauch treu bleiben – als Besucher

Der scheidende Chef hat seinen ganz eigenen Blick auf die Wilhelma, er schwärmt von Farnen und Kakteen, an denen fast alle Zoobesucher achtlos vorübergehen, und er begeistert sich für die Fische im Aquarium, das er leitete, bevor er Direktor wurde. In der Wilhelma ist das Aquarium ein vergleichsweise stiller Ort. Jauch betritt ihn und sieht Korallenfische, Quallen und Seepferdchen. „Mich fasziniert die Vielfalt der Geschöpfe, die man hier betrachten kann.“ Außerdem sieht er die Welt der Fische als „eine verschlossene Welt, eine Welt auf Distanz. Vielleicht passt das zu mir.“

Dieter Jauch hat in der Zeit als Direktor nie das Scheinwerferlicht gesucht. Was die Zahl seiner öffentlichen Auftritte angeht, sei er eine Fehlbesetzung gewesen, sagt er scherzhaft. Der 66-Jährige denkt bei der Wilhelma allein an Pflanzen und Tiere, nicht an Sensationen. Schrille Inszenierungen sind ihm ein Graus.

Es fällt ihm schwer, zu gehen, das räumt Dieter Jauch sofort ein. „Wenn es anders wäre, hätte ich meine Arbeit wohl nicht gerne gemacht.“ Jetzt öffnen sich ihm Freiräume, die vorher von langen Tagen am Schreibtisch verschluckt wurden. Nach Irland will er demnächst reisen, auch nach Sardinien zum Wandern. Dabei wird er womöglich auch darüber nachdenken, welchen Aufgaben er sich künftig widmen will. „Bisher hatte ich noch keine Zeit, mir Gedanken dazu zu machen.“ Seiner Wilhelma wird er treu bleiben – künftig dann als Besucher und ganz ohne Stress.

In der Serie „12 aus 13“ stellen wir Menschen vor, die mit den Geschehnissen des jeweiligen Monats im Jahr 2013 eng verbunden sind.