Vor zehn Jahren hat die Universität Stuttgart den ersten Lehrstuhl für Windenergie erhalten. Nun läuft die Förderung des privaten Stifters aus – Bund und Land ermöglichen es dem Inhaber Po Wen Cheng aber, weiterzumachen.

Stuttgart - Es war damals, im Jahr 2004, der erste Lehrstuhl für Windenergie an einer deutschen Universität. Der Aichtaler Unternehmer Karl Schlecht, Gründer der Firma Putzmeister, stiftete der Uni Stuttgart für zehn Jahre die Möglichkeit, an der Weiterentwicklung der Windenergie wissenschaftlich teilzunehmen. Es wurden nicht nur für die Windenergie in Deutschland wichtige Jahre.

 

Nach der Aufbauzeit unter der Professur von Martin Kühn übernahm das Ruder 2012 der 1970 in Taiwan geborene Po Wen Cheng, der schon zum Studium nach Deutschland kam. Am Donnerstag feierte Cheng im neuen Raumfahrtzentrum im Pfaffenwald zehn Jahre Windenergie-Lehrstuhl. Gekommen waren sein Lehrer Robert Gasch von der TU Berlin, sein Vorgänger Kühn und Partner aus der Forschung zu einem Symposium mit dem Titel „Windenergie – Quo Vadis?“

Ein Geschenk fürs nächste Projekt

Die Antwort nach dem Wohin für den Lehrstuhl war schon beantwortet: Land und Bund übernehmen die weitere Finanzierung. Cheng und sein 22-köpfiges Team können weitermachen. Entsprechend dankbar zeigten sich die Gratulanten aus Universitätsleitung und Fakultät. Auch Karl Schlecht schloss sich an. Er hatte ein Geschenk für Cheng mitgebracht: 10 000 Euro „für ein weiteres Forschungsprojekt“.

In einem „Rückblick und Ausblick“ zeigte Cheng an einer Weltkarte, wie sich die Nutzung der Windenergie seit 2004 verändert hat. „Deutschland hat eine Vorreiterrolle übernommen“, sagte er. Doch inzwischen findet ein massiver Ausbau in Asien, vor allem China, in den USA und in anderen europäischen Ländern statt. Dennoch stehe die Entwicklung erst am Anfang.

Cheng ist an Tests und Messungen auf Alpha Ventus beteiligt, einem Testfeld auf der Nordsee. Er befasst sich mit der Zuverlässigkeit von Offshore-Anlagen (was auch Thema seiner Doktorarbeit an der TU Delft war) und arbeitet in einem Forschungsverbund namens Windfors mit anderen süddeutschen Instituten zusammen. Als Stärken, die er ausbauen will, nennt er unter anderem Messtechnik, Simulation und Modellierung. In den Vordergrund aber stellte er die Lehre. Er wolle bei seinen Studierenden „Neugier fördern“ und sie lehren, „die richtigen Fragen zu stellen“.

Plädoyer für Offshore-Parks

Das Symposium sparte kontroverse Themen nicht aus. Andreas Wagner gab ein Plädoyer für die Windenergie auf dem Meer (Offshore) ab. Dort blase an 340 Tagen im Jahr der Wind, sagte der Geschäftsführer der Stiftung Offshore-Windenergie, die die Standortrechte am Testfeld Alpha Ventus hat und in deren Stiftungsbeirat auch Baden-Württemberg vertreten ist. „Offshore-Wind hat annähernd Kraftwerksqualität“, sagte Wagner. Der Bedarf an Energiespeichern sei deshalb geringer.

Wagner räumte aber ein, dass bisher der Windstrom vom Meer teurer sei als an Land und dass allein die Planung und Realisierung solcher Anlagen zwischen 27 und 37 Jahren dauerten. Der nötige Ausbau der Stromnetze für den Transport von Nord nach Süd sei aber kein Gegenargument. „Ohne Netzausbau wird die Energiewende in keiner Form gelingen.“

Das Vertrauen nicht verspielen

Stefan Tenbohlen vom Institut für Energieübertragung und Hochspannungstechnik sieht ein großes Problem in der schwankenden Energieerzeugung von Wind und Sonne, die ausgerechnet an einem Novembertag um 17 Uhr, wenn Deutschland am meisten Strom braucht, nicht ihre Spitzenleistung liefern. Sein Konzept sind „virtuelle Kraftwerke“, in denen Energieerzeugung, Energiespeicher und intelligente Regelung des Verbrauchs auch im Haushalt kombiniert werden.

Sören Schöbel ist Professor für Landschaftsarchitektur regionaler Freiräume an der TU München. Er hat Konzepte entwickelt, Windenergieanlagen nicht nach technischen und wirtschaftlichen, sondern nach ästhetischen Gesichtspunkten in der Landschaft zu verteilen. Der Vertrauensvorschuss der Bevölkerung in die Windenergie sei groß, sagte er. „Man muss aufpassen, dass man den nicht verspielt.“