Thomas Müllerschön hat in Karlsruhe vor Jahren schon einige Windräder gebaut. Jetzt will er sie durch neue ersetzen – und sieht sich einem kaum enden wollenden Marathon durch die Bürokratie ausgesetzt.

Karlsruhe - Er ist einer der Windkraftpioniere im Land: der Diplom-Landwirt Thomas Müllerschön, der bis 2012 mit seiner Frau Ute das Hofgut Maxau im Westen von Karlsruhe betrieb, baute 1997 sein erstes Windrad am Rheinufer. Bis 2002 folgten drei weitere Anlagen auf der Mülldeponie West, einer 65 Meter hohen Erhebung der Stadt. Zwei der drei Windkraftanlagen sollen ersetzt werden. Doch nach drei Jahren des Planens beklagt Müllerschön „einen ungeheuren Bürokratismus“.

 

1990, als der Sturm Wibke den Müllerschöns die Biberschwänze reihenweise von den Dächern der landwirtschaftlichen Gebäude blies, fiel die Entscheidung: Es sollte ein eigener Beitrag zur Energiewende geleistet werden. Nach siebenj Jahren Planung und einem dreijährigem Baugenehmigungsverfahren entstand am Rheinufer ein 32 Meter hoher Turm, mit einem 22 Meter großen Rotorblatt. 110 Kilo-Wattstunden Leistung hatte die Anlage.

Energieberg auf einem Müllhaufen

Dem Windrad am Rheinufer – von den Müllerschöns privat finanziert – folgte ein größeres Projekt: drei Windräder auf der stillgelegten Deponie West mit Nabenhöhen von 65, 73 und 89 Metern, getragen und finanziert von über 400 Anteilseignern. Die Kommanditisten sind jeweils in eigenen Gesellschaften organisiert. „Windmühlenberg – Strom aus Bürgerhand“, ist der Slogan der Trägergesellschaft, deren Geschäftsführer Thomas Müllerschön ist. Auf dem „Energieberg“, wie er vor Ort auch meist genannt wird, sind seither über 53 Millionen Kilowattstunden Windstrom produziert worden. Die Rotoren sind weithin sichtbar, und inzwischen sogar eine Art Wahrzeichen von Karlsruhe geworden. Auch die Stadtwerke Karlsruhe hatten sich am Energieberg engagiert, und 2005 eine große Fläche mit Solarpanelen bestückt. 7200 Module erzeugen seitdem 430 Kilowatt elektrische Leistung.

Vor drei Jahren begann Müllerschön mit den Planungen für ein so genanntes „Repowering-Projekt“. Die zwei kleineren Anlagen sollen ersetzt werden durch ein neues Windrad, das mit 119 Metern Nabenhöhe auch mehr als 30 Meter höher ist als die beiden alten – ausgestattet mit einem im Durchmesser 112 Meter großen Rotorblatt, und der dann gleich fünf Mal so großen Kreisfläche. Die Leistung macht mit drei Megawatt ebenfalls einen Sprung nach oben. Regulär wird für Windkraftanlagen eine Laufzeit von 20 Jahren angegeben. Für Müllerschön ist aber ein Austausch schon sehr bald notwendig – die kleinen Anlagen habe man in kleinen Serien gebaut, inzwischen werde es schwierig mit Ersatzteilen.

Drei Jahre Vorbereitung

Müllerschön, der – wie auch seine Frau – bis vor kurzem noch für die SPD im Stadtrat saß, ist nach drei Jahren Vorbereitung für den Bauantrag nun mehr als ernüchtert. Obwohl die drei alten Rotoren über 15 Jahre alt sind, gelte es ein Verfahren zu durchlaufen, als handele es sich um einen kompletten Neuantrag. Eine nicht enden wollende Flut von Gutachten habe der Trägergesellschaft bereits vor der Antragsstellung Kosten von rund 250 000 Euro beschert. Müllerschön beklagt „einen ungeheuren Bürokratismus“. Immer wieder hätten Gutachten ergänzt werden müssen, weil Nachforderungen seitens des Naturschutzes oder der Behörden verlangt worden seien. Darüber hatte er im Juni dem Amtschef im grünen Stuttgarter Umweltministerium berichtet – sein Schreiben aber war unbeantwortet geblieben. Müllerschön, der sich selbst als ein „grüner Roter“ sieht, hadert aber auch mit der SPD, die „ziemlich viel verbockt hat bei der Energiewende“.

Demnächst immerhin soll der Bauantrag eingereicht werden. Müllerschön will nicht verstehen, warum auf der stillgelegten Deponie nach der FFH-Verordnung vorgegangen werde. „Mindestens ein F und ein H, Flora und Habitat tauchen hier gar nicht auf“, sagt er. Sehr umfangreiche Anforderungen waren auch an neu zu erstellende Vogelgutachten gestellt worden, selbst das rund 2,5 Kilometer entfernte Naturschutzgebiet „Knielinger See“ habe als potenzieller Rastplatz für Vögel mit bewertet werden müssen. Wegen eines kürzlich erst in 950 Meter Entfernung im Gebiet des Karlsruher Rheinhafens entdeckten Uhu-Paares erwartet er weitere Restriktionen.

Schattengutachten und Turbulenzanalysen

Bei einer neuen Landschaftsbildbewertung musste er von Fachleuten an 30 Standorten im benachbarten Rheinland-Pfalz und im umliegenden Landkreis Karlsruhe zusätzlich Visualisierungen erstellen lassen. Neue Schattengutachten und Turbulenzuntersuchungen seien notwendig gewesen: und alles dies, obwohl schon drei Windräder auf der Deponie stehen – und eine Anlage zudem künftig wegfalle. Zudem müsse er 3,5 Hektar Feuchtwiesen neu anlegen, als ökologischen Ausgleich. Für die Laufzeit des Windrads, im Durchschnitt also 20 Jahre, muss er deren Pflege übernehmen. „Obwohl wir keine neuen Flächen in Anspruch nehmen werden“, wie er sagt. Auch eine Halle der Abfallwirtschaftsbetriebe müsse auf Kosten der Windmühlen-Trägergesellschaft „eingehaust“ und Fenster abgedichtet werden, damit sich dort – in der Nähe der Räder – keine Greifvögel einnisten.