Der Insolvenzantrag des Windkraft-Pioniers Willi Balz kommt nicht überraschend. Der neue Chef Werner Heer will nun einen Sanierungsplan ausarbeiten.

Stuttgart - Es ist nicht mehr der alte Willi Balz, den Weggefährten in diesen Tagen erleben. Wie weggeblasen erscheint ihnen der Kampfgeist, mit dem sich der 53-Jährige bis vor kurzem gegen alle Widrigkeiten stemmte. Seit sein Unternehmen, der Windpark-Entwickler Windreich, Insolvenz in Eigenregie angemeldet habe, wirke er desillusioniert, ja resigniert. Früher habe er Tag und Nacht gewirbelt, um Windreich doch noch zu stabilisieren, nun lasse er den Dingen ihren Lauf. „Ich trage es mit Anstand, ich habe alles gegeben“, sagte Balz selbst einem Reporter.

 

Gemeint waren vielleicht die vielen Millionen aus seinem Privatvermögen, die der mit Immobilien reich gewordene Gründer in die Firma gesteckt hat. Nur dadurch konnten zuletzt offenbar die Zinsen für die Unternehmensanleihen gezahlt werden. Am Ende musste Balz auch noch das abgeben, was ihm immer am wichtigsten war: die Macht bei Windreich. Nie ließ er einen Zweifel daran, wer das Sagen hatte in der Firmenzentrale über einem Supermarkt in Wolfschlugen, selbst Vorstandskollegen und Führungspersonal hielt er demonstrativ auf Distanz. Dann aber beugte er sich dem immer stärker gewordenen Druck – und zog sich „mit sofortiger Wirkung“ aus der Geschäftsführung zurück.

Neuer Chef ist nun der Unternehmensberater Werner Heer, der schon vorher für die Gruppe tätig war. Die Investoren für den aktuellen Meeres-Windpark MEG 1 hätten deutlich gemacht, „dass ein Managementwechsel Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Fortsetzung unserer Gespräche ist“, erläuterte Heer. Nun stünden die Chancen gut, das Projekt zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Sein Rückzug mache „den Prozess unangreifbar“, sagte Balz der dpa. Auch von Seiten der Generalunternehmer, Areva Wind und Hochtief, kamen positive Signale. Grundsätzlich wolle man weitermachen, hieß es, man beobachte die weitere Entwicklung.

Neuer Unternehmenschef kommt von den Gläubigern

Gemeinsam mit dem Management will Heer in den kommenden Wochen ein Sanierungskonzept erarbeiten. Dies werde man dann dem vorläufigen Sachwalter, dem Anwalt Holger Blümle, sowie Gläubigern und Investoren vorstellen. Vermutungen aus der Branche, der neue Chef sei womöglich ein „Strohmann“ von Balz, wurden in unternehmensnahen Kreisen zurückgewiesen: Heer komme von den Gläubigern und genieße deren Vertrauen.

Anhaltend gerätselt wurde darüber, welcher der Gläubiger noch vor Balz’ eigenem Antrag mit einem Insolvenzantrag beim Amtsgericht Esslingen abgeblitzt war. Von den großen Geldgebern – darunter die Schweizer Bank Sarasin oder der schottische Finanzinvestor Lord Laidlaw – sei es wohl keiner gewesen, tippten Unternehmenskenner. Gemutmaßt wurde über einen Geschäftspartner oder die Sozialkassen, womöglich im Zusammenhang mit ausstehenden Beiträgen. Indes: das Gericht nahm Balz zunächst wohl ab, es gehe nur um einen vorübergehenden Engpass.

Seit Monaten Spekulation über drohende Insolvenz

Dabei waren die Spekulationen über eine kurz bevorstehende Insolvenz von Windreich seit Monaten nicht abgerissen. Massiv angefacht wurden sie im März, als die Staatsanwaltschaft Stuttgart zur Razzia in Wolfschlugen und andernorts ausrückte. Ermittelt wurde unter anderem wegen Insolvenzverschleppung, Anlagebetrug und Bilanzmanipulation, Auslöser war die Anzeige eines offensichtlich sachkundigen Insiders. Alle Vorwürfe wies Balz weit von sich, als Versuch von Neidern, ihn anzuschwärzen. Bis November, berichtet eine Sprecherin der Anklagebehörde, sei man wohl noch mit der Auswertung der beschlagnahmten Unterlagen beschäftigt; dann könne man Näheres zum Fortgang des Verfahrens sagen. Der Insolvenzantrag habe darauf keinen Einfluss – damit werde ja nur nachvollzogen, was die Ermittler schon im Frühjahr vermutet hätten.

Seither bemühte sich Willi Balz unermüdlich, das schwer angeknackste Vertrauen wiederherzustellen. Regelmäßig schrieb er an die Zeichner seiner Anleihen und machte ihnen Mut. „Die Talsohle ist durchschritten, bei Windreich geht es richtig aufwärts“, jubilierte er Ende Juli. Alle „Lügengeschichten über Pleiten, Pech und Pannen“ könnten Windreich nichts anhaben, hieß es später. „Das Blatt wendet sich zum Guten – technisch, politisch wirtschaftlich“, begann der Eintrag vom 30. August. Die letzte Mitteilung von Balz, mit Antworten zu Detailfragen, stammt vom 5. September.

Schlechte Aussichten für Anleihegläubiger

Kurssturz:
Über zwei Anleihen hat Windreich etwa 125 Millionen Euro von Anlegern eingesammelt. An der Stuttgarter Börse gehörten die Papiere zu den ersten im neuen Mittelstandssegment Bond M; inzwischen notieren sie im Freiverkehr. Angesichts der aktuellen Entwicklung hat die Börse den Handel bis auf weiteres ausgesetzt. In den letzten Monaten hatten die Kurse massiv nachgegeben, sich aber teilweise wieder erholt.

Reaktion:
Wie sollen sich Anleger jetzt verhalten? Sie könnten „die Reißleine ziehen“ und die Papiere, sobald möglich, verkaufen, sagt der Verbraucherschützer Niels Nauhauser – oder die Entwicklung abwarten. Tipps gab es auch von Rechtsanwälten. Sie empfahlen den Anlegern, ihre Interessen rasch zu bündeln und geltend zu machen. Die Chancen, das Geld zu retten, gelten aber als nicht sehr hoch.