Der öffentliche Adlerplatz in Winnenden ist in seiner rechtlichen Konstruktion ein Kuriosum: Er zählt zur Fußgängerzone, muss aber von den Eigentümern des Markthauses in Schuss gehalten werden. Das wollen diese nicht hinnehmen.

Manteldesk: Thomas Schwarz (hsw)

Winnenden - Keine Frage, das Markthaus hat die Winnender Fußgängerzone belebt. Nachdem es im September 2006 eröffnet worden war, wurde die Zahl der Passanten dort deutlich größer. An schönen Tagen sind die Straßencafés rund um den Marktplatz voll, und auch auf dem Areal des Markthauses sieht man Kaffee trinkende Menschen im Freien sitzen.

 

Für die Stadt bedeutet das künftig auch Gebühreneinnahmen, denn seit der Gemeinderat einer Änderung des Bebauungsplans für den Bereich des Markthauses im Oktober dieses Jahres zugestimmt hat, darf sie für die Bestuhlung im Freien nun Gebühren erheben. Der Grund: der Adlerplatz gilt jetzt offiziell als öffentlicher Raum. Dabei gehört der Stadt der Adlerplatz, jener zentrale Innenhof, der nach einer Kneipe benannt worden ist, die hier einstmals stand, gar nicht. Dieser Umstand bringt einige der Wohnungseigentümer im Markthaus in Harnisch.

„Die öffentliche Nutzung ist ohne weiteres Entgelt zu dulden“

Da der Adlerplatz zum Markthaus gehört, ist er laut der sogenannten Teilungserklärung nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) gemeinschaftliches Eigentum der Eigentümergemeinschaft. Sprich: jedes Mitglied ist je nach Anteil am Gesamteigentum verpflichtet, für die Instandhaltung des Platzes zu zahlen. Vergleichbar mit anderen gemeinsam genutzten Bestandteilen des Gebäudes wie dem Dach oder den Treppenhäusern. Andererseits ist der Platz laut den Verträgen, die vor dem Bau des Markthauses zwischen der Stadt und dem Bauunternehmen GEWA geschlossen wurden, eine öffentliche Verkehrsfläche. Deren öffentliche Nutzung ist laut der geltenden Teilungserklärung wiederum von sämtlichen Miteigentümern „ohne weiteres Entgelt zu dulden“.

Dadurch ist im Winnender Markthaus eine kuriose Situation entstanden: Privatleute unterhalten einen öffentlichen Platz. Zwar zählt auch die Stadt zu der Eigentümergemeinschaft, da sie die Räume der Stadtbücherei und einige Stellplätze in der Tiefgarage gekauft hat. Mit dem Unterhalt des Platzes ist sie damit jedoch nur mittelbar befasst. Die Straßenbaulast, also die Aufgaben und Pflichten, die mit dem Unterhalt und dem Betrieb von Straßen und Wegen zusammenhängen, liegt bei der Eigentümergemeinschaft. Und das wollen sich einige der Käufer von Wohnungen im Markthaus nicht gefallen lassen.

„Die Stadt soll die Straßenbaulast übernehmen“

„Wir verlangen, dass die Stadt die Straßenbaulast übernimmt“, sagt einer von ihnen, der bereits gegen die Änderung des Bebauungsplan vergeblich Einspruch erhoben hat. Es könne nicht sein, dass die Stadt nun durch Gebühren auch noch Einnahmen erziele, aber für Instandhaltung oder Schäden nicht aufkommen wolle. Die Eigentümer befürchten, dass der Belag des Platzes durch Fahrzeuge beschädigt wird, die darauf fahren. Die Beseitigung dieser Schäden müsse laut dem Vertragswerk die Eigentümergemeinschaft bezahlen, außerdem sei sie bei Unfällen in der Haftung, wenn sich jemand auf dem Platz wegen einer solchen Beschädigung verletze.

Zwar sei der Platz bereits als Teil der Fußgängerzone ausgewiesen, doch hielten sich etliche Lieferwagen nicht an das Fahrverbot. Der Bäcker im Markthaus hat sich außerdem bereits vor dessen Bau ein Wegerecht als Grunddienstbarkeit ins Grundbuch eintragen lassen. Seine Lieferwagen dürfen demnach auf dem Platz fahren. Allerdings seien immer wieder auch andere Lastwagen darauf unterwegs, was die Eigentümer dokumentiert haben.

Die Stadtverwaltung beharrt auf dem Markthausvertragswerk. „Die Teilungserklärung belässt die Pflicht zur Instandhaltung oder Instandsetzung der Verkehrsflächen ausdrücklich bei den Wohnungs- und Teileigentümern“, heißt es in einem Brief aus dem Oktober 2012, den der Erste Bürgermeister Norbert Sailer an die Hausverwaltung geschrieben hat. Zum Thema Gebühren heißt es darin zwar, diese stünden „dem Träger der Straßenbaulast, das heißt in diesem Falle des Adlerplatzes der Stadt Winnenden zu“. Aber in der Teilungserklärung sei festgelegt, dass die Kosten einer erforderlichen Erneuerung des Belags auf dem Adlerplatz zu Lasten der Eigentümer gehe. „Diese Regelungen wurden zwischen der Stadt Winnenden und der GEWA so vereinbart und waren jedem Erwerber vor dem Erwerb bekannt“, heißt es seitens der Stadtverwaltung.

Das stimme schon, sagen die Eigentümer. Allerdings sei ihnen allen nicht bewusst gewesen, welches Ausmaß diese Regelungen annehmen könnten. Sie hoffen nun auf ein Entgegenkommen der Stadt, trotz der komplexen Verträge. 

Kommentar: Eine lange Nase

Mögen hätte ich schon wollen, aber dürfen habe ich mich nicht getraut.“ Das absurde Zitat des Komikers Carl Valentin passt zu der Situation im Winnender Markthaus. Zwar ist die Rechtslage klar, was die Verträge und Teilungserklärungen angeht. Allerdings muss man alles mindestens zweimal lesen, bis man begreift, was sich dahinter verbirgt.

Die Eigentümergemeinschaft, zu der übrigens auch die Stadt zählt, zahlt demnach die komplette Zeche, wenn auf dem Adlerplatz der Belag beschädigt wird oder während eines Stadtfestes Randalierer ihr Mütchen kühlen. Von den Einnahmen, welche die Stadt in Form von Straßencafégebühren erheben kann, profitiert sie dagegen nicht. Die Wohnungseigentümer fühlen sich nun, als ob ihnen von der Stadt eine lange Nase gezeigt wird.

Die absurde Situation resultiert aus der Entstehungsgeschichte des Markthauses, dessen Realisierung im Jahr 2005 auf Messers Schneide stand. Damals wurden einige Zugeständnisse gemacht, um den Investor und attraktive Pächter für die Ladengeschäfte nicht zu verprellen. Die Teilungserklärung birgt deshalb Passagen, die Laien nicht ohne weiteres durchschauen. Es reicht deshalb nicht aus, zu sagen, jeder habe gewusst, was er da unterschreibt. Vielleicht gibt es aber eine Lösung über die Verträge hinaus, mit der alle zufrieden sein können. Man sollte sie gemeinsam suchen.