Eine Frau aus Durbach strebt in der Internetplattform Avaaz eine Petition gegen Gewaltdarstellungen in Medien an.

Winnenden - Dreieinhalb Jahre nach dem Amoklauf von Winnenden und Wendlingen, bei dem ein 17-Jähriger 15 Menschen und sich selbst tötete, kämpft das Aktionsbündnis, das aus einer Initiative von Opferfamilien hervorgegangen ist, weiterhin für ein Verbot großkalibriger Waffen in privatem Besitz. Das zweite große Ziel, gewaltverherrlichende Computerspiele zu verbieten oder diese mit einer Sondersteuer zu belegen, sei in den Hintergrund geraten, räumt Hardy Schober ein, der Vorsitzende des Aktionsbündnisses.

 

Zwar hatte das Aktionsbündnis der Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt vor zwei Jahren in Berlin neben rund 100 000 Unterstützerunterschriften gegen tödliche Sportwaffen auch fast ebenso viele unterzeichnete Forderungen nach einem Verbot von Killerspielen überreicht. Man habe aber feststellen müssen, dass die Spielehersteller eine fast noch größere Lobby hinter sich scharen konnten als die Waffenbesitzer, sagt Schober: „Wir haben das Ziel nicht aufgegeben, konzentrieren uns aktiv aber erst einmal auf die Waffen.“ Da dürfte die Initiative von Sylvia Dorn gerade recht kommen.

Die 61-Jährige aus Durbach im Ortenaukreis gehörte laut Schober zu einer der Ersten, die dem Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden nach dessen Gründung als passives Mitglied beitrat. „Mein Mann hat als Lehrer mit vielen Schülern zu tun, die aus problematischen Verhältnissen kommen“, sagt sie. Jetzt strebt sie über die Beteiligungsplattform Avaaz im Internet (unter http://www.avaaz.org/de/petition/Einen_Ruckgang_von_Gewaltdarstellungen_in_Medien_speziell_in_Unterhaltungsfilmen_und_Computerspielen ) eine Petition an, die eine empfindliche Besteuerung von Gewaltdarstellungen in Unterhaltungsmedien auf den Weg bringen soll.

Die Mutter, Großmutter und Naturwissenschaftlerin (Meteorologie) stützt sich dabei auf die Erkenntnisse der beiden deutschen Gehirnforscher Manfred Spitzer und Joachim Bauer. Diese hätten durch zahlreiche Studien offengelegt, dass ein dauerhafter Konsum von Gewaltdarstellungen und Killerspielen ein mentales Training bewirke, welches zu einer Funktionsstörung der im Stirnhirn liegenden Nervenzell-Netzwerke führe. Diese fungierten als moralische Kontrollzentren in unserem Gehirn, argumentiert Sylvia Dorn in dem Antrag zu ihrer Petition.

Alle Amokläufer der „neuen Generation“ hätten vor ihren Taten ein intensives Training mit Computer-Killerspielen absolviert, um ihre Fantasien dann in die Wirklichkeit umzusetzen. Die Gehirnforscher hätten sich mit ihren Ergebnissen zwar mehrfach an die Politik und die Öffentlichkeit gewandt, „aber es geschieht praktisch nichts“, sagt Dorn.

Sie selbst hofft jetzt auf die Unterstützung der Avaaz-Stiftung, deren Mitgliederzahl auf weltweit 15 Millionen Menschen geschätzt wird. Um dort allerdings überhaupt weiter beachtet zu werden, muss die Initiatorin freilich in kurzer Zeit wenigstens 100 Unterstützereinträge aufweisen. Bislang sind es gerade einmal 24, trotz des Wohlwollens des Amokbündnisses.

Kampagnennetzwerk im Internet

Kampagnennetzwerk im Internet

Plattform
: Insbesondere in den USA haben sich mehrere elektronische Plattformen etabliert, die einzelnen Menschen die Möglichkeit eröffnen, mit Unterstützerstimmen und medialer Aufmerksamkeit globale politische Kampagnen gegen Missstände zu starten. Neben Avaaz sind „38 Degree“, „Change.org“ oder „Get up!“ bekannte Kampagnen-Netzwerke, die freilich nicht unumstritten sind.

Avaaz:
Die Bezeichnung ist aus dem persischen Wort awaz entstanden, was so viel wie „Stimme“ oder „Klang“ bedeutet. Die amerikanische Stiftung betreibt ihre Beteiligungsplattform in 14 Sprachen und gibt ihre Mitgliederzahl mit 15 Millionen Menschen an. Als Ziele werden der Umweltschutz, die Achtung von Menschenrechten sowie die Verminderung von Armut, Korruption und Krieg genannt.

Vorgehen:
Avaaz stützt sich auf öffentliche Online-Petitionen. Nur Kampagnen, die nach stichprobenartiger Überprüfung einen starken Widerhall finden, werden berücksichtigt und an die gesamte Mitgliedschaft gesendet. Aktuelle Beispiele für Kampagnen sind „Freiheit für Pussy Riot, Freiheit für Russland“ (knapp 500 000 Unterzeichner) oder „Stoppen Sie das Meldegesetz“ (117 000).