Einfach eine Stunde vorstellen: bei normalen Uhren ist das kein Problem, doch die innere Uhr des Menschen gerät dabei aus dem Takt. Foto: dpa/Ralf Hirschberger
Am Sonntag beginnt die Sommerzeit – und mit ihr für manche eine Serie unruhiger Nächte. Andreas Raether, Chefarzt für Alterspsychiatrie am Klinikum Schloss Winnenden verrät, wie die innere Uhr funktioniert und was allgemein bei Schlafstörungen hilft.
Annette Clauß
29.03.2024 - 10:24 Uhr
In der Nacht von Samstag auf Sonntag, mit dem Beginn der mitteleuropäischen Sommerzeit (MESZ), entgeht Europäern nicht nur eine Stunde Schlaf. Diverse Studien zeigten, dass die Zeitumstellung gravierende Auswirkungen habe, sagt Andreas Raether. „In den sieben Tagen nach der Zeitumstellung kommt es gehäuft zu Verkehrsunfällen, auch Arbeits- und Haushaltsunfälle nehmen zu“, berichtet der Chefarzt für Alterspsychiatrie und Psychotherapie am Klinikum Schloss Winnenden.
Zudem liege die geistige Leistungsfähigkeit in dieser Phase niedriger, das Risiko eines Herzinfarkts erhöhe sich hingegen um das Dreieinhalbfache. Die Auswirkungen der Zeitumstellung seien im Frühjahr schwerer als im Herbst und vergleichbar mit einer Flugreise gen Osten, sagt Raether: „Das ist wie ein Mini-Jetlag.“
Zwei kleine Knubbel bilden die „Masterclock“ im Gehirn
Die innere Uhr, die circa einen 24-Stunden-Takt hat und daher auch zirkadiane Uhr genannt wird, spielt dann ein bisschen verrückt. Wobei im menschlichen Körper gleich mehrere Zeitmesser eingebaut sind. Die Hauptuhr sitzt im Gehirn und heißt Nucleus suprachiasmaticus (SCN). Zwei kleine Knubbel mit der Größe eines Reiskorns – so beschreibt Andreas Raether den Taktgeber im Hirn, der vieles beeinflusst: das vegetative Nervensystem, den Schlafrhythmus, die Körpertemperatur, den Blutdruck oder den Hormonhaushalt. Über Nervenfasern ist die „Masterclock“ mit der Netzhaut verbunden.
„In den sieben Tagen nach der Zeitumstellung kommt es gehäuft zu Verkehrsunfällen, auch Arbeits- und Haushaltsunfälle nehmen zu /FOTOSTUDIO WERNER KISSEL
„Durch Licht wird diese Uhr jeden Tag neu eingestellt“, sagt Andreas Raether, eine Rolle spiele aber auch die Nahrungsaufnahme. Die Hauptuhr steuert weitere genetische „Neben-Uhren“, die auch dem 24-Stunden-Rhythmus folgen und beispielsweise in den Herzmuskelzellen, in der Leber und der Nebenniere zu finden sind.
Die Zeitumstellung verarbeiten Gesunde erst nach rund sieben Tagen
Nach der Umstellung der Uhrzeit tickten die Haupt- und die Nebenuhren zunächst unterschiedlich, erklärt Andreas Raether: „Das, was an Außeneinflüssen reinkommt, ist anders, als das, was drin erwartet wird.“ Bei gesunden Menschen dauere es rund sieben Tage, bis die inneren Uhren wieder in einen Gleichtakt kommen.
Doch was hilft gegen Schlafstörungen? Für einen guten Schlaf und eine gute Gesundheit sei es wichtig, die natürlichen biologischen Zyklen nicht zu ignorieren, sagt der Mediziner: „Wir sind keine Maschinen, sondern lebendige Wesen, die davon abhängig sind, wie die Sonne sich verändert, wie der Mond steht, die Erde sich dreht. Das hat nichts mit Astrologie zu tun. Die natürlichen Zyklen zu ignorieren ist ungesund.“
Menschen, die ihrem Körper zu wenig Signale geben, was und wann Tag und Nacht ist, störten den Zyklus. Andreas Raether rät dazu, den Tag- und Nachtrhythmus bewusst wahrzunehmen und beispielsweise „nicht die Nacht zum Tag zu machen“. Schichtarbeiter hätten da ein Problem, räumt der Mediziner ein. Aber auch die Arbeit im Homeoffice hält er für ungesund, wenn diese bedeutet, dass Mensch viel zu Hause sitzt und kaum nach draußen geht. Denn tagsüber sollte möglichst viel Tageslicht getankt werden.
Zu wenig Schlaf ist schädlich, zu viel auch
Auch chronischer Stress und lange abendliche Sessions am Handy oder mit Videospielen bringen die innere Uhr durcheinander. Das habe negative Auswirkungen auf das Immunsystem, verursache mehr Mikroentzündungen im Körper, erhöhe die Gefahr von Diabetes oder einer Autoimmunerkrankung, sagt der Arzt. Im Schlafzimmer habe der Fernseher ebenso wenig zu suchen, wie ein empfangsbereites Mobiltelefon.
Zu Bett gehen sollte man nicht, weil die Uhr an der Wand eine bestimmte Zeit zeigt, sondern erst dann, wenn die innere Uhr entsprechende Signale sendet, man also müde ist. Zu wenig Schlaf, unter fünf Stunden, sei für die Gesundheit schädlich, erklärt der Mediziner. Zu lange schlafen – mehr als neun oder zehn Stunden – aber auch nicht gut. Wichtig seien feste Schlafzeiten: „Je älter ich werde, desto regelmäßiger muss ich leben.“
Nachts hellwach? Dann raus aus den Federn!
Die Schlafarchitektur des Menschen sei schon im Alter von 30, 40 Jahren gestört, sagt Andreas Raether – „und ab 50 wachen viele bis zu 20 Mal in der Nacht auf, merken es aber gar nicht, denn das ist nur der Fall, wenn man länger als 90 Sekunden wach liegt.“
Wer sich nachts plötzlich hellwach im Bett wälzt, sollte dieses unbedingt verlassen und nicht liegen bleiben und ins Grübeln kommen. Andreas Raethers Tipp für solche Situationen ist: „Aufstehen, den Raum verlassen und erst wieder ins Schlafzimmer zurückgehen, wenn man müde ist.“ Der Arzt rät auch davon ab, nachts nach dem Erwachen auf die Uhr zu schauen. Denn damit trainiere man das Gehirn regelrecht darauf, stets zu einer bestimmten Zeit wach zu werden.
Tipps gegen Schlafstörungen gibt es hier: www.dgsm.de
Fünf Tipps für besseren Schlaf von der Gesellschaft für Schlafforschung