Mit der Wende endet vor 25 Jahren auch der politische Witz im sozialistischen Teil Deutschlands. Der Humor war ein Ventil für den Alltagsfrust, die schlechte Versorgung und die Unfreiheit. Der Staat hat es geduldet – und manchmal auch gefördert.

Stuttgart - Am Ende war die Luft raus, und der politische Witz in der DDR verschwand und machte Platz für platte Ossi- und Wessi-Witze nach der Masche: „Wie stellt man an der Berliner Mauer die Himmelsrichtung fest? Lege eine Banane auf den Sims, wo sie angeknabbert wird, da ist Osten.“ Aber in der DDR gab es eine sehr eigenständige und „lebendige Lachkultur“, wie der in Schwerin arbeitende und in Nagold geborene Historiker Eckart Schörle berichtet, der sich intensiv mit dem Thema befasst hat. Die hatte eine politische Funktion. Einer der kürzesten DDR-Witze zeigt gleich das Repressionspotenzial des Staates auf, der sogenannte 08/15-Witz: „Für acht Sekunden Lachen gibt es 15 Jahre Bautzen.“ Tatsächlich mussten Erzähler politischer Witze nicht gleich eine Verhaftung befürchten – etwa wegen „Verunglimpfung des Staates“. Das war eher ein Merkmal der stalinistischen Ära.

 

Nach dem Arbeiteraufstand vom 17. Juni 1953 war der DDR-Führung sogar daran gelegen, durch Humor ein Ventil fürs Volk zu schaffen. Die Satire-Zeitschrift „Eulenspiegel“ wurde im Jahre 1954 gegründet. Doch die Satire hatte Grenzen. Als der „Eulenspiegel“ einmal eine Karikatur des SED-Vorsitzenden Walter Ulbricht veröffentlichte, wurde der Chefredakteur gefeuert. Aber auch später, unter dem SED-Generalsekretär Erich Honecker Anfang der 70er Jahre, wurde der verkrampfte Umgang der DDR-Führung mit Humor sichtbar, wie Eckart Schörle recherchiert hat. Damals untersuchte die  Ostberliner Wochenzeitung „Sonntag“ verschiedene Theaterprogramme und fand heraus: „Es wird nicht genug gelacht.“ Die Zeitschrift vertrat die Ansicht, dass das Publikum Gelegenheit erhalten sollte, „sich von dem Druck mancher Ungereimtheiten des Alltags im Lachen frei zu machen“.

Manche Witze wandern durch die Diktaturen

Statt über staatlich verordneten Humor lachten die DDR-Bürger vermutlich lieber im stillen Kämmerlein oder unter Gleichgesinnten – beispielsweise über ihre Politiker. „Politische Witze dienten auch dazu, sein Gegenüber am Arbeitsplatz oder im privaten Bereich auszutesten, sich einer gemeinsamen Haltung zu versichern oder auch nicht“, sagt Schörle. Die Spott-Witze über ungeliebte Führungsgrößen gibt es allerdings in allen Diktaturen – es seien „Wanderwitze“, sagt Schörle und nennt als Beispiel den folgenden: „Walter Ulbricht macht eine Spritztour durch Thüringen, dabei fährt sein Fahrer ein Schwein tot. Ulbricht bittet seinen Fahrer, er möge ins Dorf gehen und sich entschuldigen. Nach Stunden kommt der Chauffeur betrunken und mit Geschenken beladen zurück. Verwundert fragt Ulbricht, was gewesen sei: ,Nu, Genosse Ulbricht, ich bin zu den Bauern gegangen und habe gesagt: Guten Tag, ich bin der Fahrer vom Ulbricht und habe das Schwein totgefahren.‘“

Ähnliche Witze sind schon über Adolf Hitler erzählt worden.

„30 Jahre DDR – 30 Jahre Staatszirkus“

Manche staatstragende Überschrift in den Gazetten („30 Jahre DDR – 30 Jahre Staatszirkus“) lieferte unbeabsichtigt Anlass für Hohn und Spott. Die Widersprüche zwischen der Ideologie und der Realität waren im DDR-Alltag offenkundig und lieferten Anlass für komische Betrachtungen. Besonders verbreitet waren Witze über die Planwirtschaft und die schlechte Versorgung: „Geht ein Mann im Kaufhaus in die falsche Abteilung. Er fragt: ,Haben Sie denn hier keine Socken?‘ Die Verkäuferin schüttelt den Kopf und deutet nach oben: ,Nee, keine Socken haben wir im dritten Stock. Hier haben wir keine Schuhe.‘“

Nicht jeder Witz war politisch oder kritisch. Manche spiegelten Ressentiments gegen in der DDR einkaufende Polen und wurden von der Staatsführung gerne geduldet, weil man die Gewerkschaftsbewegung im Nachbarland fürchtete. Andere zeigten einen „recht unbekümmerten Umgang mit dem Nationalsozialismus“, wie Schörle am folgenden Beispiel nachweist:

„Ein DDR-Bürger geht aufs Standesamt und sagt: ,„Ich heiße Erich Hitler und bitte um eine Namensänderung.‘ ,Das kann ich gut verstehen‘, sagt der Standesbeamte, ,wer möchte denn schon Erich heißen?‘“

Beim Humor näherten sich Ost und West an

Was den Humor anbelangte, näherten sich Ost und West in den 70ern an: Sprüche wie „Gestern standen wir kurz vor dem Abgrund, heute sind wir schon einen Schritt weiter“, seien deutschlandweit verbreitet gewesen, sagt Schörle, das Gleiche gelte für die Haddu-Möhren-Witze. Der Historiker erhofft sich von einer Analyse der Lachkultur Erkenntnisse über das Alltagsleben, mit denen sich auch die Frage der Loyalität oder Abgrenzung zum SED-Staat beantworten ließe.

Zur Wendezeit überraschten ostdeutsche Bürgerrechtler mit pointierten Sprüchen auf ihren Transparenten. Der Lieblingswitz Schörles, weil er beide Seiten aufs Korn nimmt, ist in der Tat wiedervereinend: „Was kommt heraus, wenn man einen Ossi mit einem Wessi kreuzt? Ein arroganter Arbeitsloser.“