Ohne große Erwartungen ist Christoph Kramer zur WM gefahren. Jetzt staunt der Gladbacher Mittelfeldspieler über das, was er in Brasilien erlebt – und hofft vor dem letzten Gruppenspiel gegen die USA auf einen Einsatz.

Santo André – - Als Neuling und ohne große Erwartungen ist Christoph Kramer zur WM gefahren. Jetzt staunt der Gladbacher Mittelfeldspieler über all das, was er in Brasilien erlebt, und hofft vor dem letzten Gruppenspiel Donnerstag gegen die USA, dass er irgendwann zum Einsatz kommt: „Wenn der Trainer sagt, ich spiele, dann sage ich bestimmt nicht nein.“
Herr Kramer, es heißt, Sie haben nach der Rückkehr vom ersten WM-Spiel vor versammelter Mannschaft auf der Fähre gesungen. Stimmt das?
Das kann ich bestätigen. Eigentlich muss man ja nach dem ersten Länderspiel in der Kabine zu den Mitspielern sprechen. Darum hatte ich mich aber gedrückt. Also dachte ich mir: bevor ich eine trockene Rede halte, singe ich doch lieber. Und zwar: „When you say nothing at all“ von Ronan Keating.
Wie kam Ihr Vortrag an?
Ganz gut, glaube ich. Jedenfalls gab es hinterher ordentlich Beifall. War aber auch nicht schwierig. Wir hatten 4:0 gewonnen, über uns leuchtete der Sternenhimmel, unter uns plätscherte das Wasser. Da konnte ich nicht viel falsch machen.
Wie fühlt es sich sonst an, bei der WM dabei zu sein? Vor einem Jahr waren Sie noch Zweitligaspieler.
Es fühlt sich riesig an, manchmal unfassbar. Wenn ich zum Beispiel mit dem Bus zum Stadion fahre und die vielen Leute in Trikots sehe, oder wenn ich im deutschen Fernsehen die Begeisterung zu Hause mitbekomme – da kriege ich regelmäßig eine Gänsehaut.
So wie Sie sich das vorgestellt haben?
Nein. Es ist besser. Meine Erwartungen werden total übertroffen. Alles hier kommt einem vor wie ein einziges riesengroßes Fußballfest. Dass ich das miterleben darf, kann ich manchmal selbst kaum glauben.
Aber im Campo Bahia ist es eher einsam.
Wir können uns glücklich schätzen, in so einem Camp zu wohnen, das von den Städten weit entfernt ist und das es uns erlaubt, auch mal einfach an den Strand zu gehen. Ich würde die Wände hochgehen, wenn ich irgendwo ständig auf dem Zimmer hocken müsste und nicht auch mal raus gehen könnte. Deshalb glaube ich, dass wir von allen 32 Mannschaften die mit Abstand beste Unterkunft haben.
Wie empfinden Sie als Neuling das Klima innerhalb der Mannschaft?
Niemand würde es sagen, wenn der Teamgeist schlecht wäre. Aber ganz ehrlich: bei uns könnte er nicht besser sein. Ich habe das in dieser Form noch nie erlebt. In den Vereinen geht es nicht so familiär zu, man ist nicht so eng beisammen. Und gerade in Auswahlmannschaften ist es nicht selbstverständlich, dass man so gut aufgenommen wird.
Wie lief es mit Ihrer Integration?
Dass man sich innerhalb weniger Tage so gut angenommen fühlt, dass alles passt, dass man sofort respektiert wird – das ist außergewöhnlich. Man sieht das ja auch daran, wie die Bank bei Toren mitjubelt. Das ist nicht gespielt. Auch das habe ich in Vereinen schon anders erlebt und weiß: es gibt nichts Schlimmeres, als wenn die Ersatzspieler stänkern.
Dann fehlt zu Ihrem Glück ja nur noch, dass Sie auch spielen.
Ich glaube, ich kann meine Situation richtig einschätzen. Es war ja überraschend, dass ich überhaupt nominiert wurde. Wenn es so kommen sollte, dass ich irgendwann spielen darf, dann freue ich mich riesig. Und wenn nicht, dann bin ich alles andere als enttäuscht.
Wirklich? Sie sind doch ein Profi.
Natürlich kribbelt es. Wenn ich ein Fußballspiel sehe, ganz egal ob vor dem Fernseher oder auf der Ersatzbank, dann will ich am liebsten gleich mitspielen. Aber nochmal: ich bin ohne Erwartungen hier her gekommen und rechne mit nichts.
In Deutschland wird momentan immer öfter von Ihnen gesprochen.
Wirklich? Davon habe ich noch nichts mitbekommen.