So könnte die Luxus-Mehrfamilienvilla am Stuttgarter Killesberg aussehen. Wie der heruntergewohnt Bau bisher aussah und weitere Wohnprojekte in der Bildergalerie. Foto: Rendering/IVT AG
Ein Immobilienentwickler kauft eine heruntergekommene Villa auf der Stuttgarter Halbhöhe und baut sie um – in edle Apartments für betuchte Senioren. Kein Einzelfall. Immer mehr Bauherren setzen auf altersgerechte Wohnobjekte der Luxusklasse.
Ein Ehepaar spaziert von der Lenzhalde die kleine Treppe hinunter zum Salzmannweg, geht an dem heruntergerockten rosafarbenen Haus Nummer 17 mit dem großem Gartengrundstück vorbei und begrüßt Sven Neubert (45), der auf den Fotografen der Zeitung wartet. „Geht’s endlich bald los?“, fragen sie, grüßen freundlich und spazieren weiter. Sven Neubert lächelt zurück. Ich hoffe, Ja!“. Die Villa von 1916 am Ende einer Sackgasse wirkt aktuell ein bisschen wie ein Lost Place, eine arg mitgenommene Mauer, der vernachlässigte Garten, diverse, uneinheitliche Anbauten an der Seite. Die 2011 gegründete Stuttgarter IVT AG hat es vor vier Jahren gekauft und der Geschäftsführer der Firma, Sven Neubert, sagt, man werde es nicht abreißen, sondern sanieren und in Wohnungen umbauen.
Eine alte Stuttgarter Villa für vier Familien
Und das, obwohl das Gebäude nicht einmal unter Denkmalschutz steht. Vielleicht weil er selbst in Leipzig in einem Altbau aus den 1930er Jahren mit knarrenden Dielen aufgewachsen ist, hat Sven Neubert, wie er sagt „eine Liebe zum Umbau im Bestand. Und es tut auch dem Stadtbild gut, wenn schöne alte Gebäude erhalten werden“.
Jetzt also die Villa von Pauline Ihler aus dem Jahr 1916, die in den vergangenen Jahrzehnten mehrmals umgebaut wurde. „Neubau kann jeder“, sagt Sven Neubert und schließt die Eingangstür auf, „ich mag die Herausforderung, einen alten Bau zu neuem Leben zu erwecken, vergangene Architekturepochen modern zu interpretieren.“ Ahnend, was er meint, steht man in einem bis auf Wände, Böden, Fenster fast komplett entkernten hellen Raum. Bis auf ein, zwei Spinnen in den Ecken herrscht hier gähnende, staubtrockene Leere, was ja ein gutes Zeichen sein soll, da die Tiere keine feuchten Räume mögen.
Mehr als hundert Jahre Leben haben die Gemäuer hinter sich. Jetzt wird das Haus auch nicht mehr nur einen Eigentümer haben, sondern mehrere: Vier Eigentumswohnungen mit 2,5 bis 4 Zimmer-Wohnungen mit Wohnflächen von je 115 bis 189 Quadratmetern sind geplant. Ein Aufzug führt dann jeweils direkt in die Wohnung.
Mit der Sanierung wird Graue Energie gespart – Tonnen voller Baumaterial, die so gerettet, nicht mit LKWs abtransportiert und entsorgt werden müssen, das freut die Umwelt und verbessert die CO2-Bilanz. „Die Bausubstanz war einfach sehr gut“, sagt Sven Neubert. Nur die verfallene Außenmauer kommt noch weg, das Gebäude soll sich zur Straße, eine ruhige Sackgasse, öffnen. Furcht vor Einbrechern müssen die Bewohner nicht unbedingt haben, das Nachbargebäude wird von der Botschaft Spaniens bewohnt und bewacht.
War eine Einfamilienvilla am Killesberg, wird jetzt ein Mehrfamilienhaus namens „Hillside Villen“ für ein betuchtes Klientel. Foto: Max Kovalenko/Lichtgut
Der alte gusseiserne Pavillon im verwilderten, moosigen Garten darf dafür bleiben und wird aufgearbeitet. „Er hat Charme“, sagt Sven Neubert. Mit den Nachbarn ist er in „guten Gesprächen“, „sie sind alle informiert, ich habe bisher nur positive Rückmeldungen bekommen, der Umbau wertet ja auch ihre Immobilien auf.“
Ans Alter denken
Bevor umgebaut wird, inspizierten Ingenieure, Statiker, Handwerksbetriebe, Architektur- sowie Innenarchitekturbüros das Gebäude, um für den Bauherrn zu prüfen, ob sich sein ehrgeiziges Projekt verwirklichen lässt: Hochwertige Wohnungen, allesamt barrierefrei erschließbar auf qualitativ hohem Niveau, mit frisch angelegter Gartenanlage, mit neuer Garage samt E-Ladestationen und reichlich Fahrradstellplätzen.
„Man muss immer überlegen“, sagt Sven Neubert, „für wen man ein Projekt entwickelt, welche Menschen später darin leben werden.“ In diesem Fall gehören zur Zielgruppe gut situierte Senioren – oder auch jüngere Menschen, die beim Kauf bereits daran denken, dass sie irgendwann vielleicht nicht mehr so gut zu Fuß sein werden und die Annehmlichkeiten einer Stadt – viele Ärzte, Kliniken, Geschäfte in gut erreichbarer Nähe – dann besonders zu schätzen wissen, gar darauf angewiesen sein werden.
Deshalb auch, und nicht nur, weil der Satz „ Ich besitze zwei Bäder in meiner Stadtwohnung!“ fancy klingt, wird es in jeder Wohnung die Anschlüsse und Einbaumöglichkeiten für ein zweites Bad geben. Dann kann bei Bedarf eine Pflegekraft in die Wohnung ziehen, wenn die Bewohner sich nicht mehr allein versorgen können. Damit das Projekt aber nicht zu sehr schon an Alter und Gebrechlichkeit gemahnt, hat es einen schicken Namen erhalten: „Hillside Villen“ heißt das Projekt, das klingt schon fast ein bisschen nach Hollywood und Los Angeles.
„Dieses Mit unserem Projekt Hillside Villa machen wir etwas in Stuttgart, was es in der Form noch nicht gibt“, sagt Sven Neubert. „Wir bringen damit frühere Architekturepochen wieder in die Stadt. Inspirationen habe ich mir dabei aus den Metropolen München und Hamburg geholt.“ Der Quadratmeterpreis liegt entsprechend deutlich über dem Durchschnitt bei 15 000 bis 20 000 Euro. „Doch wenn man allein die Vorarbeiten mit 200 000 Euro Entkernungskosten, die aufwändigen Planungen, die Handwerksarbeiten für den hochwertigen Umbau rechnet – es sind hochexklusive Wohnungen.“
Zum Teil erreichen die Wohneinheiten eine Deckenhöhe von bis zu 3,80 Metern, selbstredend findet sich Parkett auf dem Boden, es sind offene Grundrisse geplant, hochwertige Einbauküchen und Sanitäreinbauten. Geheizt wird dann mit eine Luftwärmepumpenanlage, Extra-Strom liefert eine Photovoltaikanlage. Das Innenarchitektur-Büro aboutlama bietet für jede Wohnung ein Konzept für das Interior Design samt Möblierung, wer sich als stilsicher empfindet, kann aber auch selbst planen.
Zahlungskräftige Kundschaft, die sich frühzeitig über mögliche körperliche Einschränkungen Gedanken macht, hat auch die Stuttgarter Immobilienfachfrau Karin Katharina Kretschmann von Sonata Bauträger im Sinne. „Ich bin in Stuttgart geboren und lebte die meiste Zeit in Stuttgart. Deshalb weiß ich, was Hanglage bedeutet. Stuttgart ist eine der wenigen Hauptstädte mit solch tollen Hanglagen. Leider ist bei den meisten Hanglagen der Weg über viele Treppenstufen beschwerlich – vor allem im Alter.“
Ein geplanter Außenaufzug in Stuttgart-Feuerbach erspart das Treppensteigen. Foto: Karin Katharina Kretschmann
Die Immobilienexpertin entwickelt in Feuerbach ein Acht-Familien-Haus mit 1000 Quadratmetern Wohnfläche an einem Südhang im Grünen in der Goslarer Straße 121, ein altes Haus aus den 1950ern ist dem geplanten Mehrfamilienhaus schon gewichen. Wegen der Hanglage mit rund 90 Treppenstufen wird ein rollstuhlgerechter Außenaufzug gebaut, alle Wohnungen sind barrierefrei. „Es gibt Menschen, die möchten im Alter möglichst nicht in ein Pflegeheim ziehen“, sagt Karin Katharina Kretschmann. „Auch private Erfahrungen in dem Bereich waren mein Antrieb für dieses Projekt.“
Wie in der Hillside Villa sind auch diese Wohnungen qualitativ und technisch anspruchsvoll und mit besonders großen Balkonen und Terrassen ausgestattet, „damit man im Freien einen schönen Lebensraum hat.“ Nachdem dort schon lebenden geschützten Eidechsen eine neue Heimat auf dem Grundstück gefunden haben, dürften die Bauarbeiten demnächst beginnen.
Barrierearmes Bauen im Trend
Auch renommierte Architekturbüros beschäftigen sich mit dem Thema gehobenes Wohnen für die ältere Kundschaft. Das Stuttgarter Architekturbüro LRO hat für den Bauherren und Bauunternehmer Reisch in Bad Saulgau ein imposantes Mehrfamilienhaus geplant – mit einem Aufzug und barrierearmen Wohnungen.
Es ist ein Nachverdichtungsprojekt obendrein, auf dem Grundstück einer ehemaligen Gärtnerei in einem Wohngebiet oberhalb der Altstadt gelegen. Eine heitere südliche Anmutung entsteht durch die helle Schindelfassade – eine Verbeugung vor der lokalen Baukultur, denn die Elementschindeln mit Rundkante wurden in der Region vorgefertigt und nehmen Bezug auf einen extrem traditionsreichen Baustoff der Region: Beim Nachbarort Bad Buchau wurden 6000 Jahre alte Reste von Buchenschindeln gefunden.
Barrierefreies Mehrfamilien-Mietshaus in Bad Saulgau, entworfen von LRO Architekten aus Stuttgart. Foto: Roland Halbe
Beeindruckend sind die extravagant auskragenden Balkons und der sternförmige Grundriss. Die Wohnungen gruppieren sich um eine zentrale Halle mit Wendeltreppe und Oberlicht. Auf drei Geschossen befinden sich 17 der 19 Apartments. Der Wohn-Essbereich führt barrierefrei direkt zu einer großzügigen Loggia, zum Teil raumhohe Verglasungen sorgen für helle Innenräume. Wer so schön wie praktisch wohnt, dürfte – froh sei, daheim sein zu können, nun endlich nicht mehr täglich das Haus für die Erwerbsarbeit verlassen zu müssen.
Info
Förderungsprogramm Für sanierungsfreudige Vermieter und Bauherren, die bei Neubauten und Sanierungen ans Alter und an Menschen mit besonderen Bedürfnissen mitdenken, hat die Stadt Stuttgart ein Förderprogramm für barrierefreies und altersgerechtes Wohnen aufgelegt. Eigentümergemeinschaften, Wohnungsbesitzer, Genossenschaften, sogar Mieter können sich – vor dem Projektstart – für Sanierungen und Umbauten zu barrierearmen Wohnungen, von neuen Aufzügen bis zu Bad-Umbauten und breiteren Türen, um Zuschüsse bewerbenlle weiteren Informationen zum Förderprogramm der Stadt sind online hier zu erfahren. https://www.stuttgart.de/buergerinnen-und-buerger/menschen-mit-behinderung/barrierefrei-in-stuttgart/foerderprogramme-barrierefreies-stuttgart.php
KFW Die KfW ist eine der führenden Förderbanken der Welt. Seit 1948 setzt sie sich im Auftrag des Bundes und der Länder dafür ein, die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Lebensbedingungen weltweit zu verbessern. Hier geht es zu den Unterstützungsmöglichkeiten für „Altersgerecht Umbauen“ – sofern Fördertöpfe verfügbar sind.