Für akademischen Nachwuchs wird es immer schwieriger, bezahlbare Zimmer zu finden. Nebenkosten werden zur zweiten Miete. Das Angebot sinkt.

Es ist ein fortschreitender Notstand mit Ansage, der auch nüchterne Wissenschaftler klare Worte finden lässt. „Die Dramatik spitzt sich immer mehr zu“, sagt der Immobilienmarktexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaft (IW), Michael Voigtländer. Er präsentiert gerade den aktuellen Studentenwohnreport 2023, den das IW für den Finanzdienstleister MLP erstellt hat. Der zeigt, das Studienpläne am Wohnraum scheitern könnten. Denn allein die Kaltmieten an 38 bundesweit untersuchten Universitätsstädten sind 2022 im Schnitt um 6,2 Prozent gestiegen und damit noch einmal stärker als 2021, das eine Verteuerung von 5,9 Prozent gebracht hatte. Dazu kommen explodierende Nebenkosten.

 

„Abschlagszahlungen haben von Anfang 2022 bis Mitte 2023 im Schnitt um 43 Prozent zugelegt“, sagt MLP-Chef Uwe Schroeder-Wildberg zur Entwicklung dieser zweiten Miete. In Städten wie Frankfurt, Tübingen, München oder Bonn müssten Studierende rund vier Euro je Quadratmeter allein für Nebenkosten berappen. Für eine 30 Quadratmeter große Musterwohnung zahlen sie damit laut Studie in den bei Wohnraum teuersten Metropolen Frankfurt und München knapp 700 Euro warm. Immer noch knapp 500 Euro fallen dort für ein 20 Quadratmeter großes WG-Zimmer an. Etwa ein Viertel davon entfällt mittlerweile auf Nebenkosten.

Das Angebot sinkt, die Nachfrage steigt

Das spiegelt aber nicht die ganze Misere wider. Denn zugleich sinkt das Angebot an Studentenbuden bei steigender Nachfrage. Studierende würden wieder zurück in die Unis drängen, nachdem sie in der Pandemie oft vom Elternhaus aus online studiert haben, und es gebe mehr Studierende aus dem Ausland, so Voigtländer. „Zugleich drängen Menschen, die eigentlich bauen wollten, sich das aber nun nicht mehr leisten können, in den Mietmarkt“, sagt der Experte. Das verknappe das Studierenden zur Verfügung stehende Mietangebot. Dafür sorgten auch eine wachsende Zahl an Migranten und Flüchtlingen. In Brennpunktstädten wie München oder Frankfurt sei das Angebot an günstigen Wohnungen binnen Jahresfrist um fast ein Zehntel gesunken, weiß Voigtländer.

Noch prekärer wird die Lage für Studierende, weil deren Einkommen mit den steigenden Mieten nicht mithalten. Seit 2018 stagniere das Durchschnittseinkommen von Studierenden bei knapp unter 1000 Euro, bedauert der IW-Experte. Jüngste Bafög-Erhöhungen und Einmalzahlungen an Studierende könnten Preissteigerungen keinesfalls ausgleichen. Zudem erhielten nur knapp 17 Prozent aller Studierenden überhaupt Bafög, ergänzt Schroeder-Wildberg. In Spitzenzeiten hatte einmal jeder vierte Zugang zu dieser Art der Förderung erhalten. Dahin müsse Deutschland angesichts der dramatischen Lage für viele Studierende wieder kommen.

Es droht noch schlimmer zu werden

Ohne Gegensteuern droht es für die bundesweit rund 2,9 Millionen Studierenden zudem noch schlimmer zu werden. „Die Mieten werden 2024 stärker steigen als die allgemeine Inflation“, sagt Voigtländer voraus. Für Studierende blieben nicht mehr viele Auswege, ergänzt Schoeder-Wildberg. Sie könnten vermehrt bei Eltern wohnen bleiben, was ohnehin schon fast ein Drittel tut, Tendenz steigend.

Junge Menschen aus einkommensschwachen Elternhäusern drohten sich aber ein Studium zunehmend schlicht nicht mehr leisten zu können, warnt Schroeder-Wildberg. Für die Zukunfts- und Innovationsfähigkeit einer von Wissen lebenden Nation wie Deutschland sei das fatal. „Neue Akademiker sind die Architekten der Innovation von morgen“, betont der MLP-Chef.